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Kraftwerkstrategie

Ohne neue Gasmeiler wackelt der Kohleausstieg

Die Energiebranche wartet seit Monaten auf eine Strategie der Bundesregierung, wie Investoren zum Bau neuer Gaskraftwerke angereizt werden können. Denn die Zeit drängt. Ohne den massiven Ausbau neuer Kapazitäten ist der Kohleausstieg in Gefahr. Dass es schnell vorangeht, ist besonders im Interesse Baden-Württembergs.

Seit 2019 ist das EnBW-Gaskraftwerk in Stuttgart-Gaisburg in Betrieb.

Jürgen Schmidt)

Stuttgart . Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hält die geplante Strategie der Bundesregierung zum Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke für „entscheidungsreif“. Das sagte der Grünen-Politiker am Montag in Berlin nach einem Treffen der Stahlindustrie mit Vertretern mehrerer Länder. Die neuen Gaskraftwerke sollen in „Dunkelflauten“ – wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint – einspringen, um die Stromnachfrage zu decken. Energieunternehmen scheuen aber bisher Investitionen, weil sich neue Anlagen nicht rechnen. Denn die Kraftwerke sollen nur dann zum Einsatz kommen, wenn Wind und Sonne nicht liefern. Dabei will die Koalition den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen.

VKU-Chef Liebing: „Uns läuft die Zeit davon“

Nun wachsen die Zweifel, dass es wegen der bisher fehlenden Vorgaben aus Berlin nicht mehr zu schaffen sein wird. „Uns läuft die Zeit davon. Die Kraftwerksstrategie ist die Basis für die Versorgungssicherheit unseres Landes mit einer zunehmend erneuerbaren Energieversorgung“, sagt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Bis zum Jahr 2030 müssten rund 50 neue, große und wasserstofffähige Gaskraftwerke mit einer Leistung von 25 Gigawatt errichtet werden, um den Kohleausstieg realisieren zu können, schätzt er.

Das betrifft auch das Kalkül Baden-Württembergs. Werner Götz, der Chef des Netzbetreibers Transnet BW, fordert den raschen Bau von zehn bis 15 neuen Gaskraftwerken im Südwesten, um die fehlenden Back-up-Kapazitäten zu schaffen. „Ohne diese Kraftwerke kann die Energiewende nicht gelingen und der Kohleausstieg nicht vollzogen werden“, sekundierte Andreas Schell, Chef der Konzernmutter EnBW im Handelsblatt. Zumal die EnBW angekündigt hat, bereits bis 2028 aus der Kohleverstromung auszusteigen. „Unsere Branche braucht innerhalb der nächsten Wochen Klarheit darüber, wie der Bau dieser Kraftwerke angereizt werden soll. Sonst wird nicht in diese Lösungen investiert“, drängt Schell.

EnBW-Chef Andreas Schell fodert: „Unsere Branche braucht Klarheit darüber, wie der Bau dieser
Kraftwerke angereizt werden soll.“

Die Energiebranche erwartet vom Bund, mit der „Kraftwerksstrategie“ Anreize zu schaffen, dass Energieversorger in den Bau neuer Gaskraftwerke und die Umrüstung bestehender Gaskraftwerke auf Wasserstoff investieren. „Nur dann können wir rechtssicher investieren“, betont Liebing. Doch mit Blick auf den Kohleausstieg bis 2030 rennt die Zeit davon. Und die Skepsis wächst. „Ich habe das Vertrauen verloren, dass wir das Energie-Thema so schnell hinbekommen, wie wir es brauchen“, sagt Stefan Wolf, der Chef des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall. Denn der Kraftwerksbau braucht seine Zeit. Die Energiebranche rechnet mit Realisierungszeiten zwischen vier und sechs, bei Großkraftwerken oder neuen Standorten sogar bis zu acht Jahren.

Betreiber werden honoriert, wenn sie Kapazitäten vorhalten

Nachdem die Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzes von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schon vor über einem Jahr angewiesen wurde, will Habeck in Kürze seine Kraftwerksstrategie vorlegen. Bislang ist darüber wenig bekannt. Es soll um ein Anreizsystem gehen, das die Betreiber honoriert, wenn sie Kraftwerkskapazitäten vorhalten. Vorgesehen sind Ausschreibungen für die Anlagen. Wer die geringsten Subventionen verlangt, erhält den Zuschlag.

Habeck rechnet mit einer staatlichen Förderung im Milliardenbereich. Angesichts dessen konnte er sich mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) bislang nicht einigen. Zunehmend wird klar, dass es teuer werden dürfte. Die Unternehmensberatung McKinsey rechnet mit 30 bis 50 Milliarden Euro für den Ausbau „disponibler Kapazitäten“, also Gaskraftwerken.

Bildung von neuen Oligopolen vermeiden

„Noch kennen wir keinerlei Ausschreibungsdetails und rechnen mit einem niedrigen Reifegrad von Projekten, weil es noch keine genehmigten Kraftwerke in nennenswertem Umfang gibt“, sagt der VKU-Chef. Damit es unter diesen Umständen überhaupt genügend Bieter gibt, verlangt er, dass bei den Ausschreibungen ein besonderes Augenmerk auf die Akteursvielfalt gelegt werden müsse.

„Die Bildung von neuen Oligopolen im Bereich der Versorgungssicherheit muss unbedingt verhindert werden“, warnt Liebing. Die jüngsten Offshore-Windausschreibungen mit sehr großen Zuschlägen für nur zwei Bieter seien hier möglicherweise ein bitterer Vorgeschmack.

Mit Auktionen die nötigen Kapazitäten aufbauen

Bislang hält sich das Wirtschaftsministerium in Berlin zur geplanten Kraftwerksstrategie bedeckt. Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln hat dafür schon einmal Anforderungen definiert.

Ein zentrales Element sehen die Forscher darin, dass der Staat Risiken übernehmen müsse, um Investitionen zu fördern. Der Fördermechanismus müsse zudem einen kosteneffizienten Neubau zum Ziel haben, um die Kosten so gering wie möglich zu halten. Dafür bietet sich den Forscher zufolge ein Marktmechanismus wie Auktionen an.

Ferner sollte eine Kraftwerksstrategie berücksichtigen, wo und wann welche Kraftwerke benötigt werden und das notwendige Fördervolumen sowie die öffentliche Finanzierung bestimmen.

Wolfgang Leja

Redakteur Wirtschaft und Vergabe

0711 66601-131

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