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Zementindustrie hofft auf die CO2-Speicherung

Heidelberg Materials betreibt bereits eine Anlage zur CO2-Abscheidung in industriellem Maßstab in seinem Werk Brevik in Norwegen.
NORA BULLI)Stuttgart . Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Das fordert neben der Grundstoffchemie und Abfallverbrennung vor allem die Kalk- und Zementindustrie heraus. Um die Klimaziele zu erreichen, will die Bundesregierung nun die Speicherung von CO₂ in geologischen Formationen erlauben. Am Donnerstag vergangener Woche hat der Bundestag daher die Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes beschlossen.
„Es ist die einzige Möglichkeit, das nicht vermeidbare CO₂, das bei unseren Prozessen sowie in den Abfallverbrennungsanlagen entsteht, gar nicht erst in die Atmosphäre zu entlassen, sondern gleich zu entziehen“, sagt Thomas Beißwenger, der als Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Steine und Erden Baden-Württemberg (ISTE) die Interessen der Kalk- und Zementindustrie vertritt.
Der Grund liegt im chemischen Prozess selbst: Beim Brennen von Zementklinker und Kalkstein (CaCO₃) wird Kohlendioxid freigesetzt. „Ein Großteil der Emissionen ist unvermeidbar“, sagt Beißwenger. Sie ließen sich auch nicht durch Effizienzsteigerungen oder den Einsatz erneuerbarer Energien vermeiden. Deshalb drängt die Branche darauf, das Kohlendioxid abzuscheiden, um es dauerhaft unterirdisch zu speichern, um weiterhin produzieren zu können. Fachleute sprechen von Carbon Capture and Storage, kurz CCS.
Zementindustrie bekommt keine kostenlosen CO2-Zertifikate mehr
Aktuell müssen die Unternehmen für jede Tonne Kohlendioxid, die ihre Produktionsanlagen und Kraftwerke ausstoßen, mit einem CO₂-Zertifikat bezahlen. Allerdings stehen viele europäische Industriebetriebe im Wettbewerb mit Unternehmen aus Staaten, die eine weniger ambitionierte Klimapolitik betreiben. Daher erhalten deutsche Unternehmen für Emissionen ihrer Produktionsanlagen kostenlose CO₂-Zertifikate.
Doch nach dem Willen der EU-Kommission läuft diese Regelung von 2026 an stufenweise aus. Und spätestens 2038/39 wird die Versteigerung von CO2-Zertifikaten vollständig eingestellt. „Ohne Zertifikate könne die Unternehmen nicht mehr emittieren und folglich nicht mehr produzieren“, erklärt Beißwenger. „Es ist allerhöchste Zeit, dass das Gesetz beschlossen und die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden“, drängt er.
Die Branche steht bereits in den Startlöchern. Unternehmen wie Heidelberg Materials betreiben bereits sogenannte CCS-Anlagen in industriellem Maßstab. Etwa im Werk Brevik in Norwegen, wo jährlich rund 400 000 Tonnen CO₂ abgeschieden und dann unter der Nordsee gespeichert werden sollen. Zugleich baut ein Konsortium aus Schwenk Zement, Heidelberg Materials, Vicat und Buzzi/Dyckerhoff eine Pilotanlage zur CO₂-Abscheidung im Zementwerk Mergelstetten bei Heidenheim an der Brenz auf.
Sollte der Bundesrat dem Gesetz am 20. November zustimmen, wird es dennoch dauern. Beißwenger rechnet mit mindestens zwei bis drei Jahre, bis Unternehmen überhaupt einen Antrag stellen können.
Zwischen 14 und 16 Milliarden Euro an Kosten rechnen Experten für den Aufbau eines bundesweiten Netzes für den CO₂-Transport. Diese Zahl wurde am 7. November auf einer Veranstaltung der Wirtschafts- und Umweltressorts des Landes in Berlin diskutiert.
„Technologien zur Abscheidung von Kohlendioxid stellen für Industriezweige, bei denen prozessbedingt große Mengen an Kohlendioxid entstehen, aktuell den einzigen gangbaren Weg dar, um klimaneutral zu werden“, sagt eine Sprecherin von Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU).
Wirtschaftsministerium: Kohlenstoff ist Rohstoff von morgen
In Baden-Württemberg sieht man CO₂ allerdings auch als wertvollen Rohstoff. „Angesichts der Verknappung von Kohlenwasserstoffen wird die Relevanz und Wirtschaftlichkeit der Nutzung von CO₂ in Zukunft deutlich steigen“, so die Sprecherin. Bereits heute würden in Baden-Württemberg Technologien für die unterschiedlichsten Nutzungspfade von CO₂ entwickelt. Mit der Abscheidung von CO 2 könne eine neue Wertschöpfungskette für die Wirtschaft in Baden-Württemberg entstehen.
In der Kalk- und Zementindustrie rechnet man infolge der Kohlendioxid-Speicherung mit höheren Zementpreisen. „Das CO₂ muss durch einen sehr energieintensiven Prozess aus dem Abgasstrom herausgefiltert werden. Dann muss es transportiert und im Boden oder der Nordsee verpresst werden. Das alles sind Kostentreiber, die sich am Ende auf den Produktpreis auswirken werden“, erklärt Verbandschef Beißwenger.
Das Land positioniert sich
Bereits im Oktober 2024 hat die Landesregierung ein Positionspapier zu Carbon Management veröffentlicht. Kernaussage: „Ohne den Einsatz von CCU/CCS können diverse Wirtschaftszweige nicht klimaneutral werden.“ Laut dem Wirtschaftsministerium habe die Landesregierung seither darum geworben, dass „förderliche Rahmenbedingungen“ für die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO₂ auf Bundes- und EU-Ebene etabliert werden. Hier gibt es das Positionspapier.