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Kolumne: Jule Rona Eccard

Zeitsparmodus auch mal ausschalten

Kupfermünzen, größere Geldbeträge oder unqualifizierte Kommentare kann man (sich) sparen. Die meisten versuchen das auch mit der Zeit. Worin da allerdings der elementare Unterschied besteht und ob da nicht eine Moral aus einer gar nicht mal so neuen Geschichte dahintersteckt – das versucht unsere Kolumnistin aufzudröseln.

Zeit sparen will gelernt sein.

IMAGO/Vasily Pindyurin)

„Oh, g’schickt, da spar‘ ich mir Zeit!“ Wie oft haben Sie das diese Woche gedacht? In meinem Kopf ist das Konzept Dauergast. Eigentlich dachte ich, dass ich der sogenannten „hustle culture“ mit ihren minutiös durchgetakteten Tagesplänen und der ständigen Suche nach noch mehr Effizienz entronnen bin – trotzdem fühlte ich mich sehr ertappt, als die Autorin Sophie Passmann in ihrem Podcast die Zeitsparerei kritisierte: Lebensmittel liefern lassen statt einkaufen gehen, Multitasking, KI-Nutzung.

Der Ausdruck Zeitsparen ist streng genommen Blödsinn

Apropos: „ChatGPT, kannst du mir eine Kolumne zum Thema ‚Zeitsparen‘ schreiben?“

Erste Lehre aus der Sache: Mit Ende Zwanzig ist man nie so clever, wie man denkt. Lehre Nummer Zwei: Ich will alles, das ChatGPT mir ausspuckt, umschreiben (oder ich prompte nicht gut genug).

Drittens – und mein eigentlicher Punkt: Zeit zu „sparen“ ist Blödsinn. Eine physikalische Größe kann man schließlich nicht in Form von Geldmünzen in ein Sparschwein oder meinetwegen in nicht-haptischer Form in ein Crypto-Wallet stecken. Und bevor irgendjemand mit Social Media und Ähnlichem als schlimme Zeitverschwendung um die Ecke kommt – was sagten schon einige kluge Menschen? „Time you enjoy wasting is not wasted time.”

Nicht falsch verstehen: Zeit richtig zu nutzen, ist eine hervorragende Fähigkeit. Wo effizient gearbeitet wird, dürfen aber auch Pausen nicht fehlen. Und nicht jede verstrichene Minute muss „gespart“ werden.

Zeitsparen führt zu Gehetztheit und Kälte

Wahrscheinlich hänge ich Sprach-Fanatiker mich mal wieder zu sehr an der Formulierung auf. Die hat mich nämlich an ein kleines Mädchen und eine Schildkröte denken lassen. Eigentlich lernen wir alle doch seit mehr als 50 (!) Jahren aus Michael Endes Roman „Momo“, dass Zeitsparen nicht zu mehr Zeit, sondern zu Kälte und Gehetztsein führt. Im Buch verschwindet die gesparte Zeit, weil die Grauen Herren von der Zeitsparkasse sie in Form von Stundenblumen horten und getrocknet zu Zigarren gerollt rauchen.

Da spart man sich doch lieber das Sparen, nutzt die Zeit richtig und verplempert auch mal welche. Eine Sache hat ChatGPT nämlich doch gut formuliert: „Am Ende geht es nicht darum, wie viel Zeit wir sparen – sondern wie wir sie verbringen.“

Zur Person

Jule Rona Eccard gehört zu den Jahrgängen zwischen den Millennials und der Generation Z und ist auch sonst in mehreren Welten zuhause: Sie arbeitet als Online-Redakteurin beim Staatsanzeiger und studiert außerdem Rhetorik und Literaturwissenschaft in Tübingen. Davor hat sie nach ihrem Abschluss in Kommunikationswissenschaft im Marketing gearbeitet – „irgendwas mit (Online-)Medien“ ist also ihr Spezialgebiet.

Rona Eccard: Diesen Monat wurde unsere Kolumnistin durch Alltagsstress und Dauer-Hektik an ein Jugendbuch erinnert.
Privat)

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