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Serie Rathäuser

Rathaus Kornwestheim: Büros und Wasserspeicher mit Panoramablick

Solch einen Turm hat wohl kein anderes Rathaus: Einen, in dem nicht nur verwaltet wird, sondern der auch noch die Stadt mit Wasser versorgt. In Kornwestheim war das von Anfang so gewollt. Realisiert werden konnte die Maßnahme allerdings erst viel später als sie ursprünglich geplant war.

Im Querbau des Rathauses von Kornwestheim befindet sich der Ratssaal, im Turm ein Wassertank für 800.000 Liter.

Stadt Kornwestheim)

KORNWESTHEIM. Das Rathaus in Kornwestheim ist im besten Sinne des Wortes Stückwerk. Wer sich im Innern befindet, der kann das gut sehen: In den 1990er-Jahren wurde der Ursprungsbau, der aus den 30er-Jahren stammt, modern und mit viel Glas erweitert sowie intelligent an den Altbestand angeschlossen. Der erschaffene Übergang von alt zu neu dient heute als Foyer und Veranstaltungsbereich.

Charakteristisch ist freilich aber noch etwas ganz anderes an diesem Bau: der 48 Meter hohe Rathausturm. Er enthält wohl als einziger in Baden-Württemberg und vermutlich auch darüber hinaus einen riesigen Wasserspeicher, der heute noch tragender Bestandteil für die Wasserversorgung der Stadt ist.

Der Rathausneubau war eigentlich schon viel früher geplant

Gebaut wurde dieses Rathaus zwischen 1933 und 1935. Es ist ein Bau, dessen Planung und Ausführung in die Zeit des Nationalsozialismus fällt. Architekt ist Paul Bonatz, der Mann, der etliche Jahre zuvor unter anderem den Stuttgarter Hauptbahnhof und die Universitätsbibliothek Tübingen geplant hat.

Wesentliche äußerliche Merkmale einer nationalsozialistischen Architektur finden sich in Kornwestheim aber nicht. Lediglich die Lobpreisungen an den noch neuen Führer Adolf Hitler wurden im Sandstein-Türrahmen eingemeißelt. Später wurden sie entfernt. Der Bau selbst ist geprägt von Backstein und Sichtbeton.

In der „Serie Rathäuser“ stellen wir eine kleine Auswahl an Rathäusern vor, die architektonisch oder geschichtlich besonders interessant sind.

Schon 1913 gab es erste Planungen für einen Rathausneubau. Die Industriestadt Kornwestheim mit dem wichtigen Arbeitgeber Salamander und dem riesigen Güterbahnhof wächst schnell (siehe Kasten). Innerhalb von wenigen Jahren verdreifacht sich die Bevölkerungszahl. Ein neues Rathaus muss her, weil das alte viel zu klein ist. Schon damals gibt es die Absicht, die ebenfalls neu zu organisierende Wasserversorgung mit dem Neubau zu kombinieren. Außerdem soll die Stadt mit dem Rathaus auf dem höchsten Punkt der Gemarkung eine neue Mitte erhalten. Der Erste Weltkrieg und seine Folgen verhindern jedoch einen Bau. Lediglich die Eingangstür zum Turm ist schon fertig: eine schwere Tür mit eingehauenen Nägeln. Für diese Nägel konnten die Bürger damals Patenschaften übernehmen. Teilweise sind noch eingravierte Buchstaben zu sehen. Die „Schwergewichtstür“ wird mit eingebaut, als der Bau später ab 1933 realisiert wird. Damit besitzt das Kornwestheimer Rathaus Elemente aus drei verschiedenen Jahrzehnten – eine spannende und reizvolle Mischung.

Die Büros der Mitarbeitenden in der Kornwestheimer Stadtverwaltung liegen unter anderem im Querbau des Turms. Hier sind vor allem die weniger publikumsintensiven Bereiche untergebracht. Im ersten Stock kann dieser Querbau vollständig durchlaufen werden, im zweiten Stockwerk geht das nicht. Dort ist der Sitzungssaal des Gemeinderats.

Das Mobiliar dort wie überhaupt der gesamte Querbau ist weitgehend im Originalzustand erhalten. Bereiche mit mehr Publikumsverkehr, wie etwa das Bürgerbüro, befinden sich im modernen Neubau und haben einen eigenen, repräsentativen Zugangsbereich.

Turmdach bietet einzigartigen Panoramablick in die Stadt

Auch in den ersten fünf Stockwerken des Turms befinden sich Verwaltungsbüros. Darüber gibt es im weiteren Verlauf ein leeres Zwischengeschoss, das laut Architekt Bonatz vor allem aus turm-ästhetischen Gründen existiert, dann folgt das Stockwerk mit dem Wassertank, der 800 000 Liter umfasst. Hinzu kommen zwei riesige, unterirdische Tanks auf dem begrünten Rathausvorplatz mit einem Fassungsvermögen von zwei Millionen Litern – gespeist mit Bodensee- und Landeswasser. Der Platz ist nach Jakob Sigle benannt, dem Gründer der Schuhfabrik Salamander.

Die Prägung der Stadt durch das Unternehmen ist vom Dach des Rathausturms aus zu erkennen. Um dorthin zu gelangen, müssen Besucher am Wassertank entlang die Wendeltreppe ganz nach oben erklimmen und durch eine Luke auf das Dach des Rathausturms steigen. Von dort aus gibt es ein beeindruckendes 360-Grad-Panorama auf die Stadt und das beträchtlich weitere Umland zu bestaunen. Die ehemalige Salamander-Fabrik, heute teils Outlet-Center, teils das Grundbuchzentralarchiv des Landes, ist immer noch das mächtigste Gebäude in der Stadt. Der Rathausturm eröffnet auch den Blick auf den Logistikstandort Kornwestheim, beispielsweise den Güterbahnhof.

Quelle/Autor: Marcus Dischinger

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