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Serie Rathäuser

Rathaus Speyer: Trauungen finden in den Räumen des ehemaligen Stadtarchivs statt

Der Staatsanzeiger stellt architektonisch interessante Rathäuser in Baden-Württemberg vor. Eine Ausnahme ist das Rathaus in Speyer in Rheinland-Pfalz. In Speyer befindet sich auch die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, ein Kooperationspartner der Staatsanzeiger-Akademie.  

Das Rathaus Speyer ist ein spätbarocker Bau.

Klaus Venus)

SPEYER. Nach der Zerstörung der Stadt im pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 gehörte das Rathaus Speyer zu den ersten repräsentativen Neubauten der Domstadt. Es zeichnet sich durch seinen großvolumigen zweigeschossigen Putzbau mit rot-grauer Farbgebung und hohem Mansardwalmdach aus.

Auffallend sind die vier Wandpfeiler und der vorspringende Mittelbau mit Dreiecksgiebel, das rundbogige Portal mit zweiflügeligen Holztor sowie der geschweifte Balkon über der muschelartigen Konsole. Das Rathausportal ist bis heute der Hauptzugang zum Gebäude und ermöglicht den Durchgang zu dem hinter dem Rathaus liegenden Historischen Stadtsaal und dem Kulturhof Flachsgasse.  

Das ehemalige Stadtarchiv ist der heutige Trausaal

1712 wurde der Grundstein zum Rathausbau gelegt. Die Pläne lieferten der kurpfälzische Hofbaumeister Johann Adam Breunig und der Esslinger Baumeister Johann Jakob Böhrel. 1726 wurde der Verwaltungssitz der Stadt Speyer eingeweiht. Die erste Ratssitzung fand ebenfalls in diesem Jahr statt.

Seit dem Erstbezug 1726 war das Archiv der Stadt Speyer im Erdgeschoss des Rathauses untergebracht. Die Bestände des ältesten Stadtarchivs der Pfalz waren jedoch bis Ende des 20. Jahrhunderts auf rund 1500 Regalmeter angewachsen und sprengten die räumlichen Kapazitäten. 1995 konnte das Stadtarchiv in das ehemalige Gebäude der Pfälzischen Landesbibliothek in der Johannesstraße umziehen. Dies ermöglichte eine neue Nutzung des original erhaltenen barocken Archivs: Seit 1998 geben sich dort Brautpaare das Ja-Wort.

Tipp in eigener Sache

Regelmäßig veranstaltet der Staatsanzeiger Karrieremessen. Im September 2022 sind die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl sowie die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg beteiligt.

Säulengestützte umlaufende Emporen, die über zwei Wendeltreppen zugänglich sind, geschnitzte und durchbrochene Treppengeländer, Vertäfelungen und eine zentrale Mittelsäule, allesamt aus Holz und Stuckmarmor in warmen Brauntönen gearbeitet, geben dem Raum ein ganz besonderes Gepräge. Bemerkenswert sind die mobilen Archivwandschränke, die seit dem 18. Jahrhundert eine Evakuierung des Archivguts ermöglichten.

Umstrittene Gastronomienutzung

„Es ist ein großes Glück, dass dieses für die Stadtgeschichte so bedeutende Gebäude in den 1960er- Jahren angesichts teilweiser Baufälligkeit saniert und gerettet wurde und heute ein lebendiger Ort für Verwaltung, Kunst und Kultur ist“, sagt Wolfgang Knapp, Mitarbeiter im Stadtarchiv Speyer. Nach den Sanierungsarbeiten entstand in den 1970er-Jahren die Idee, den von den Vorgängerbauten stammenden mittelalterlichen Gewölbekeller gastronomisch zu nutzen.  Doch das Projekt war anfangs sehr umstritten und wurde in der Kommunalpolitik intensiv und kontrovers diskutiert, erinnert sich Knapp.

1980 wurde das Projekt realisiert, erzählt er, und damit eine der jüngsten Gaststätten der Stadt eingerichtet. 200 Quadratmeter mit Fußbodenheizung, Be- und Entlüftungsanlage und eine rustikale Ausstattung bilden seitdem den Rahmen für ein gemütliches Beisammensein.  

Historischer Ratssaal – alter Trausaal – Ältestenratszimmer  

Durch eine Flügeltür, die 1875 nach Plänen des städtischen Ingenieurs Heinrich Jester im Gründerzeitstil gestaltet wurde, gelangt man ins erste Obergeschoss. In der Mittelachse befindet sich der große Sitzungsaal, westlich schließt sich der kleine Sitzungssaal an, im Osten das Ältestenratszimmer. Der große Sitzungssaal wurde bis 1990 vom Rat der Stadt für seine Sitzungen benutzt, der kleine Saal bis in die 1990er Jahre für Trauungen.

Die Decke des rechteckigen großen Saals ist mit Frührokoko-Stuckdekorationen aus der Erbauungszeit geschmückt, ausgeführt von dem Stuckateur Johannes Binz. Der Stuck bildet zudem den Rahmen für allegorische Deckenmalereien. Auch die auf einem Stuckgesims ruhende Decke des quadratisch angelegten kleinen Sitzungssaales ist mit symbolischen Motiven bemalt, die von der Hand des Speyerer Malers Johann Georg Dathan stammen. Zu sehen sind die vier Weltteile, die vier Jahreszeiten und die vier Elemente sowie symbolhafte Darstellungen der Tugenden, derer sich das Stadtregiment befleißigen soll.

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Das Ältestenratszimmer ist ebenfalls mit marmorierten Stuckgesimsen und einem Deckengemälde versehen. Es beherbergt ausgewählte Gemälde aus dem Kunstbesitz der Stadt Speyer sowie Möbelstücke aus der Barock- und Biedermeierzeit, Schenkungen aus Speyerer Privatbesitz.

„Ein absoluter Blickfang im alten Trausaal und ein Meisterstück der Uhrenkunst ist die barocke Ratsuhr der Stadt Speyer – eine monumentale Bodenstanduhr aus der Werkstatt der berühmten pfälzischen Uhrmacherdynastie Möllinger“, sagt Knapp dem Staatsanzeiger. Kronleuchter und Wandleuchter aus Messing, goldfarbene textile Tapeten und ein schwarz glänzender Konzertflügel ergänzen das Ambiente. Heute finden dort Kammerkonzerte und kulturelle Veranstaltungen statt.

Die Buntglasfenster

Im Laufe der Zeit wurde der Rathausbau mit einigen kunsthandwerklichen Glasfenstern ausgestattet. 1898 stiftete der deutsch-britische Ingenieur Adolf Friedrich Lindemann, Vater der modernen Trinkwasserversorgung in Speyer, für das doppelläufige Treppenhaus drei große bleigefasste Glasfenster. Die im reichen Stil des Historismus ausgeführten Fenster stammen von dem Speyerer Glasmaler Joseph Weissenrieder. Im Zentrum befindet sich das Stadtwappen, umrahmt von üppigen floralen und geometrischen Ornamenten.

Ein weiteres Buntglasfenster wurde 1967 über der Tür des Historisches Ratssaals angebracht, über die man den Balkon betreten kann. Das Fenster ist ein Geschenk der Stadt Chartres zum zehnjährigen Bestehen der Städtepartnerschaft. Es vereinigt die beiden Stadtwappen und ist eine Gemeinschaftsarbeit französischer Kunsthandwerker.

Quelle/Autor: sta

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