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Essay

Die Brandmauer kann erst fallen, wenn die AfD sich häutet

Die Rechtspopulisten stehen vor dem Dilemma, dass ihre Strategie für den Osten im Westen nicht aufgeht. Diese Ansicht vertritt Michael Schwarz in seinem Essay.

Alice Weidel und Markus Frohnmaier - hier bei dessen Wiederwahl als AfD-Co-Landesvorsitzender im Februar 2024 - gelten als enge Vertraute.

Christoph Schmidt)

Es klingt nach einem Plan: Erst präsentiert Beatrix von Storch bei einer Klausur der AfD-Bundestagsfraktion ein Strategiepapier, das aufzeigt, wie man die Große Koalition spalten kann, indem man die Polarisierung in der Politik vorantreibt. Und eine Woche später geschieht genau dies: dass Teile der Union einer SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht ihre Zustimmung verweigern, weil sie in zentralen weltanschaulichen Fragen zu weit links steht.

Doch nichts deutet darauf hin, dass zwischen den beiden Ereignissen ein Zusammenhang besteht. Aus Teilnehmerkreisen verlautet, dass die Richterwahl bei der Fraktionsklausur kaum eine Rolle spielte. Verantwortlich für die Kampagne, die letztlich zur Absetzung der Richterwahl führte, waren wohl andere – rechtspopulistische Medien wie Nius und christlich-fundamentalistische Kreise, die freilich personelle Überschneidungen mit der AfD besitzen.

Zwischen Union und SPD könnte die AfD einen Keil treiben

Natürlich hat man sich in Partei und Fraktion gefreut, als die Wahl abgeblasen wurde. Zum einen, weil damit die Wahl einer Richterin verhindert wurde, die einem AfD-Verbot aufgeschlossen gegenübersteht. Zum anderen, weil die Reaktion der Abweichler in der Union zeigte, wie tief die Koalitionäre in dieser Frage gespalten sind. Zwischen Union und SPD könnte man einen Keil treiben – das ist die Idee des Strategiepapiers.

Der Traum der AfD besteht darin, dass nicht nur die Große Koalition in Berlin zerbricht, sondern auch die Brandmauer fällt. Dass sie endlich nicht nur opponieren, sondern auch gestalten können – gemeinsam mit der Union, der sie sich politisch am nächsten fühlen. Doch dafür braucht es mehr als ein Strategiepapier und ein paar Anstandsregeln für den Parlamentsbetrieb.

Die AfD ist nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in Baden-Württemberg nach wie vor von Rechtsextremisten durchsetzt, wie der Verfassungsschutz feststellt. In seinem aktuellen Bericht schätzt das Landesamt für Verfassungsschutz das extremistische Personenpotenzial auf 1170 Personen und damit nahezu auf doppelt so viele wie im Jahr zuvor, als es noch 620 waren.

Demgegenüber steht, dass sich die Partei einen zunehmend professionellen Anstrich gibt. Vorbei die Zeiten, da sich aktuelle oder ehemalige AfD-Abgeordnete aus dem Landtag tragen ließen. Vorbei auch die Zeiten, da AfD-Parteitage völlig chaotisch verliefen, da es auf der Bühne Gerangel darum gab, wer ans Mikrofon darf, und als Wahlen durch eine endlose Zahl von Geschäftsordnungsanträgen verzögert wurden.

Wirklich erwachsen wird die Partei aber erst, wenn sie sich ihrer völkisch-nationalistischen Höckes entledigt, die immer noch einen großen Teil der Mitglieder ausmachen. Und da beginnt das Problem. Selbstverständlich gibt es inzwischen an der Spitze einige, die wie Markus Frohnmaier, der Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2026, zur Mäßigung rufen. Allerdings steht auch er im Verdacht, ein Wolf im Schafspelz zu sein, galt er doch früher als Scharfmacher.

Für eine Wandlung hin zu einer bürgerlich-konservativen Partei reicht es jedoch nicht aus, einen Matthias Helferich aus der Partei zu werfen, der sich einmal als „freundliches Gesicht des Nationalsozialismus“ bezeichnete. Auch andere müssten zumindest glaubhaft machen, dass sie verstanden haben, wo das Problem ist. Wie wäre es, wenn sich Emil Sänze, der seit 2022 gemeinsam mit Markus Frohnmaier den Landesverband führt, in aller Form bei Muhterem Aras entschuldigt? Sänze hatte der Landtagspräsidentin abgesprochen, in seinem Namen über die deutsche Geschichte zu sprechen, weil ihre Wurzeln in Anatolien lägen.

Die AfD erhebt einen Anspruch, den schon Franz Josef Strauß formulierte

Dann könnte allerdings etwas passieren, was die Strategen in der AfD unter allen Umständen vermeiden wollen. Ähnlich wie einst Franz Josef Strauß und die CSU erheben sie den Anspruch, dass rechts von ihr keine Partei von Bedeutung existieren darf. Ansonsten besteht die Gefahr, speziell im Osten, dass die entsprechenden Wähler abwandern und der weitere Anstieg gestoppt wird.

Dieser Widerspruch ist kaum auflösbar. 2026 finden fünf Landtagswahlen statt. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern hat die Partei Chancen, an die Regierung zu kommen. Allerdings sind die ostdeutschen Landesverbände nicht als sonderlich gemäßigt bekannt.

In Baden-Württemberg ist am 8. März 2026 ein Achtungserfolg denkbar – und vielleicht auch mehr als dies. Doch eine Regierungsbeteiligung ist in weiter Ferne. Dazu müsste sich die AfD schon überzeugender häuten, als sie dies bislang tat.

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