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Kommentar zu übersehenen Lehrerstellen

Die 1440 Geisterstellen sind ein Strukturproblem

Die 1440 versehentlich nicht besetzten Lehrstellen sind ein Symbol dafür, dass es in der Landes- und speziell in der Kultusverwaltung an Kontrolle, Übersicht und Steuerung fehlt. Das muss politisch anders organisiert werden, so der Leitartikel von Chefredakteur Rafael Binkowski.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Kultusministerin Theresa Schopper müssen die Affäre um die fehlenden Lehrerstellen aufklären.

Christoph Schmidt)

Stuttgart. Das Satireportal „Postillon“ titelt diese Woche mit folgender Schlagzeile: „Baden-Württemberg: 1440 ungenutzte Lehrer in Lagerhalle entdeckt.“ Ganz Deutschland fragt sich inzwischen, wie 1440 unbesetzte Lehrerstellen einfach so übersehen werden konnten in einem bis zum Zerreißen angespannten Schulsystem. Der Ministerpräsident Winfried Kretschmann entschuldigt sich zwar, weist aber wie die Kultusministerin Theresa Schopper jede Verantwortung dafür von sich und sagt: „Fehler passieren eben. Wir brauchen eine andere Fehlerkultur.“

Nur handelt es sich hier nicht um einen Lapsus, oder einen Ermessensspielraum, den sich ein Beamter jenseits der Vorschriften genommen hat. Sondern um ein systematisches Problem. Der Landesrechnungshof hat bereits 2008 angemahnt, dass die Erfassung des Personalbestandes im Kultusministerium anders organisiert werden muss. Das Argument, dass das nicht möglich sei, weil sich die Deputate und Arbeitszeiten bei Lehrkräften ständig änderten, ist reichlich absurd. Als ob das in anderen Berufs- und Verwaltungszweigen nicht auch Realität wäre.

Es gab schon früh Hinweise auf Diskrepanzen

Hinweise etwa aus der Rektorenschaft gab es reichlich, dass die Zumessung der Lehrstellen nicht der Realität entspreche. Auch der Landesschülerbeirat hat schon im vergangenen August das Kultusministerium gebeten, nach Diskrepanzen zu suchen. Verwirrend ist die Aussage des Ministerialdirektors im Bildungsausschuss, der Softwarefehler könne nicht erst 2005, sondern auch schon 1985 entstanden sein.

Ministerin Schopper sieht keinen Skandal

Genau das ist das Problem, die Landesverwaltung hat die Übersicht verloren. Zum Beispiel über die rund 400 zerstreuten Förderprogramme der Ministerien und über das pädagogische Personal. Die Zuständigkeiten sind verstreut, das Finanzministerium hat keinen Zugriff. Nicht das erste Managementproblem übrigens im Kultusministerium. Der gescheiterte, weil völlig überambitionierte und mit der Schulpraxis nicht abgestimmte Potenzialtest für angehende Gymnasiasten im vergangenen Jahr ist noch gut in Erinnerung.

Nicht die erste Fehleinschätzung im Kultusministerium

Ja, es ist leicht, über eine Datenpanne zu lachen, das haben die zuständigen Beamten nicht verdient, die jeden Tag ihren Dienst verrichten. Es muss politisch anders organisiert werden, dass Zuständigkeiten und Übersichten an zentraler Stelle gebündelt werden. Nicht vergessen ist die grandiose Fehleinschätzung zu Beginn der Amtszeit Kretschmanns, die Schülerzahlen gingen zurück und man benötige weniger Lehrkräfte. Dass Junglehrer jahrzehntelang in den Sommerferien entlassen und danach neu eingestellt wurden, hat zum Vertrauensverlust beigetragen.

Jetzt müssen in aller Schnelle die Stellen besetzt und Bewerber, die man vorher vergrault hat, wieder gewonnen werden. Das Beispiel einer Fehlplanung auf ganzer Linie.

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