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Kulturdebatte der Grünen-Landtagsfraktion

Die Oper Sancta und die Grenzen der Kunstfreiheit

Die Kunstfreiheit ist ein Grundrecht, im Grundgesetz festgeschrieben. Dennoch steht sie zunehmend zur Disposition. Vergangene Woche haben die Grünen zur Diskussion geladen, um über Freiheit, Recht und politische Macht zu reden. Zu Gast waren Kunstministerin Petra Olschowski, Vertreter von Kulturinstitutionen und Künstler.

Die Kunstfreiheit ist ein Grundrecht, im Grundgesetz festgeschrieben. Wo sind ihre Grenzen?

Privat)

Stuttgart. Die Oper „ Sancta “, die im Oktober vergangenen Jahres an der Oper in Stuttgart Premiere feierte, ist auch Opern-Muffeln bekannt – als Skandalon, Aufreger der Saison. Die einen haben sie gefeiert, andere empörten sich über die „Sex-Szenen“, Gewalt und Blasphemie, Dritte gingen das Ensemble und die Württembergischen Staatstheater (WST) mit Hatespeech und Drohungen an. Und auch die Politik musste einiges einstecken, da sie ja die WST fördert. Forderungen nach „Neutralität“ von Kultureinrichtungen wurden laut.

„Kunst ist überhaupt nie neutral. Das muss sie nicht sein, soll sie nicht sein und das kann sie nicht sein“, stellt Kunstministerin Petra Olschowsk i (Grüne) fest. „Das ist auch kein Auftrag. Sie muss sich in Deutschland nur im Rahmen des Grundgesetzes bewegen.“ Es sind klare Worte, die am Donnerstagabend bei der Diskussion im Studio Amore in Stuttgart mit dem Titel „Alles Kunstfreiheit oder was?! – Zwischen Freiheit, Recht und politischer Macht“ fallen. „Wir haben eingeladen, um über Kunstfreiheit zu reden“, sagt Erwin Köhler, kulturpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion bei der Begrüßung, „aber auch um festzustellen, wo wir aktuell stehen und von welchen Seiten daran gezerrt wird.“

Auf dem Podium waren neben der Kunstministerin Vertreterinnen und Vertreter von Kultureinrichtungen, darunter Willem Müller, Kanzler der Kunstakademie in Stuttgart, und Bastian Sistig vom Theater Rampe sowie Kunstschaffende, etwa die Autorin Kseniya Fuchs, und die Politikerinnen Simone Fischer und Daniela Evers (beide Grüne).

Das Verhältnis der Rechtsprechung zur Kunstfreiheit ist nicht leicht

Zwei Diskussionen waren anberaumt, kurze Einführungen lieferten die Vorlage für ein Spektrum an Themen, etwa die Jurisprudenz und Justiz und deren Verhältnis zur Kunstfreiheit. „Über Jahre hinweg war es in der Wahrnehmung der JuristInnen die Spielwiese der Ausbildung und eigentlich ein relativ wenig beachtetes Thema“, so Evers. Aber das habe sich geändert, ganz akut, es werde schwieriger, auch wenn es darum gehe, die Kunst und die Kunstschaffenden zu schützen. Die Fälle der vergangenen Jahre, auch „Sancta“, zeigen das. Außerdem ging es um künstlerisches Zusammenarbeiten in Zeiten von Kriegen, die Rolle der Politik und die der Gesellschaft. Und eben um eine Neutralität kultureller Arbeit. „Das ist ein klassisches Thema der Rechten“, so Olschowski. „Wir haben das im Landtag durch Anträge der AfD erlebt, aber es ist auch bundesweit ein Phänomen.“

Raum bieten für Vielfalt und Mut zum Experiment

Simone Fischer betont: „Nicht jede Kritik ist ein Angriff, nicht jede Reaktion eine Zensur. Aber wenn politische Macht über die Sichtbarkeit von Kunst entscheidet, dann wird es gefährlich.“ Kunstfreiheit sei kein „Kampfbegriff, sie ist ein Versprechen, dass wir Vielfalt nicht nur zulassen, sondern brauchen.“

Für Theatermann Sistig ist Kunstfreiheit „Mut zum Experiment, inhaltlich auch brenzlige Fragen zu stellen, dass man vielleicht auch mal ins Stottern kommt, ästhetische Wagnisse einzugehen.“ Und zitiert einen Freund: „Theater hat die Aufgabe, mit Steuergeldern die Gesellschaft zu bestrafen.“ Aber es habe mittlerweile auch eine Art Selbstzensur in die Kulturbranche Einzug gehalten. Müller von der ADK bestätigt: „Früher war das Motto „anything goes“, die Akademie ein Schutzraum. Jetzt gibt es eher eine Rückwärtsbewegung, alles ist öffentlich.“ Stets stelle sich für die Künstlerinnen und Künstler die Frage, was man darf und was nicht. Die ukrainische Autorin Kseniya Fuchs indes, die im „Ländle“, wie sie sagt, lebt, hat darüber hinaus noch ganz andere Erfahrungen, was die Einschränkung von Freiheit betrifft.

„In meinem Heimatland kämpfen die Menschen um die existenzielle Bedeutung der Freiheit.“ Viele ihrer Kolleginnen seien ums Leben gekommen. „Deutschland war immer mein Zufluchtsort, mein Safespace.“ Theateraufführungen wie „Sancta“ zeigen zu können, sei ein großes Privileg. „Kunstfreiheit ist nicht nur ein Grundrecht, sie ist ein Seismograph der Gesellschaft und sie ist nicht garantiert“, sagt Fuchs. „Solange wir hier noch ein gutes Leben haben, die Freiheit nicht eingeschränkt ist, müssen wir weiter uns vereinigen und Kunst machen. Und es muss so laut, so unbequem, aber auch gleichzeitig so solidarisch sein wie nie zuvor.“

Auf der Veranstaltung zum Thema Kunstfreiheit diskutierten unter anderen Kunstministerin Petra Olschowski und die ukrainische Autorin Ksenjya Fuchs. FOTO: TABEA KEMPF
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