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175 Jahre Staatsanzeiger: Als der König seine eigene Hauspostille schuf

Beim Kurhaus Bad Cannstatt steht ein Reiterstandbild des Königs Wilhelm I. aus dem Jahr 1875. Es stammt von Johann Halbig.
IMAGO/Arnulf Hettrich)Stuttgart. Vor 175 Jahren wurde der „Staats-Anzeiger für Württemberg“ gegründet. In einer Epoche, die von gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen geprägt war. Und es entstand ein Staatsorgan, das lange Zeit vom damals herrschenden König Wilhelm I. gar nicht gewollt war.
Denn der schrieb schon vor den Revolutionsjahren bisweilen inkognito in der „Hofzeitung“ und wetterte dort lange Zeit gegen den aufstrebenden Liberalismus. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden mehrere Zeitungen gegründet, die allerdings immer wieder mit Zensur konfrontiert wurden. Obwohl die Vorzensur 1874 formell aufgehoben wurde, gab es weiterhin landesrechtliche Vorschriften, Sicherheitsleistungen und strafrechtliche Sanktionen.
Dennoch etablierte sich bis Ende des 19. Jahrhunderts eine vielfältige Presselandschaft mit nationalen, konservativen, katholischen und späte r auch sozialdemokratischen Stimmen. Alle nutzten ihre Möglichkeiten, um Anhänger zu rekrutieren und Debatten zu führen. Doch die politische Landschaft veränderte sich nach der gescheiterten Revolution gewaltig. Und allmählich drängte König Wilhelm I. auf eine eigene Hauspostille.
„Der Kurs der Regierung sollte als der allein richtige, die Einwendungen des politischen Gegners durchweg als unzutreffend dargestellt werden“, schreibt der Neresheimer Historiker Frank Raberg über die Geschichte der Zeitung – und ergänzt: „Der geplante Staatsanzeiger war als politisches Kampfblatt, als Organ der Regierung konzipiert. Im fast durchweg scharfen, bisweilen sogar persönlich verunglimpfendem Ton sollte er die politische Meinungsbildung in Württemberg beeinflussen.“
Am ersten Januar 1850, einem Dienstag, erschien die erste Ausgabe unter dem Titel „Staats-Anzeiger für Württemberg. Politische Zeitung „aus einer Verschmelzung des Landes-Intelligenz-Blattes und eines Theils des Regierungss-Blattes“, wie es in der ersten Ausgabe geschrieben steht.
Amtliche Bekanntmachungen und Veröffentlichungen
Es war eine Hofpostille mit amtlichen Bekanntmachungen und Veröffentlichungen. „Seinem Ursprung gemäß, wird der Staats-Anzeiger in einem Theil dem früheren Zweck des Landes-Intelligenz-Blattes seine Spalten öffnen und sich denjenigen Theil des früheren Regierungs-Blatts einverleiben, welcher nicht die auch künftig in das Regierungs-Blatt aufzunehmenden Gegenstände, als Gesetze, Königliche Verordnungen und Verfügungen der Departements von normierendem oder reglementären Inhalt betrifft“, schrieben sich die Gründer auf die Fahne.
Mit dem Staats-Anzeiger wurde ein konservatives und regierungstreues Blatt ins Leben gerufen, das trotz eigener hehrer Ansprüche in der Öffentlichkeit und unter den damaligen Kollegen etwa des „Schwäbischen Merkur“ belächelt wurde. „Es war den ersten Redakteuren schwer, dem Blatt einige Achtung zu verschaffen, wie auch sein Inhalt kaum bescheidene Ansprüche zu befriedigen vermochte“, schrieb im Jahr 1909 die „Schwäbische Kronik“.
Kronik und Merkur waren zwei zusammengehörende und in Stuttgart erscheinende Tageszeitungen. Die Chronik befasste sich damals mit der Innenpolitik, der Merkur mit Nachrichten aus dem Ausland. Die beiden Zeitungen wurden schon 1785 gegründet und befanden sich über mehrere Generationen im Familienbesitz.
Mitte der 1860er-Jahre wurde Heinrich Wieland aus dem Heilbronner Raum zum Staatsanzeiger-Schriftleiter ernannt. Bis 1907 hatte er die Funktion inne und prägte das Blatt. „Er verschaffte mit seinem Bemühen um Sachlichkeit, Genauigkeit und Fairness dem Blatt erstmals Anerkennung über die Parteigrenzen hinweg“, schreibt Historiker Raberg.
Zeitung bei der Landtags-Berichterstattung an der Spitze
Schließlich habe Wieland selbst die Berichterstattung aus dem Landtag übernommen. So „setzte sich der Staatsanzeiger bei der Landtagsberichterstattung rasch an die Spitze aller anderen Blätter und machte sie zu seinem Markenzeichen“, so Raberg.
Staatliche Botschaften
Nach den Revolutionsunruhen in den Jahren 1848/49 suchte die württembergische Staatsführung ein Instrument, um die monarchische Ordnung zu festigen und das Vertrauen in die Institutionen wiederherzustellen. Eine zentral gesteuerte Zeitung versprach, Reformdebatten zu kanalisieren und staatliche Botschaften gebündelt zu verbreiten.
Im Jahr 1869 wurde das badische Pendant ins Leben gerufen: Der „Staats-Anzeiger für das Großherzogtum Baden“. Er wurde ab 1910 als Teil der „Karlsruher Zeitung“ publiziert.