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Klinikverbund

Mannheimer Gemeinderat stimmt für das „Harvard am Neckar“

Künftig soll die Rhein-Neckar-Region mit der Verschmelzung von zwei Klinikstandorten im Medizinbereich punkten. Der Stadt Mannheim soll das finanziell enorm entlasten. Nun haben das Landeskabinett und der Gemeinderat der Quadratestadt den Weg dafür geebnet.

Die Unikliniken Heidelberg (links) und Mannheim schließen sich zusammen.

Fotos: IMAGO/imageBROKER (links), IMAGO/Ulrich Rot; Collage: Herrgoß)

Stuttgart/Mannheim. Es war ein Abschied vom „Städtischen“ und der „emotionalsten Beteiligung der Stadt Mannheim“, wie Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) sagte. Am Dienstag stimmte der Gemeinderat mit 45 Ja-Stimmen und einer Enthaltung für den Zusammenschluss der Unikliniken Mannheim und Heidelberg.

Die Stadt Mannheim überträgt damit 89,9 Prozent der Anteile an der defizitären Uniklinik an das Heidelberger Uniklinikum, einer 100-prozentigen Landestochter. Damit ist die Kommune von allen Verbindlichkeiten wie Betriebskosten des Uniklinikums freigestellt.

Für das erwartete Defizit wird künftig das Land aufkommen

Für die Stadt fällt damit künftig eine enorme finanzielle Belastung weg. In den vergangenen zehn Jahren musste sie eine Viertel Milliarde Euro für den Betrieb zuschießen. Doch ein letzter finanzieller Kraftakt steht noch bevor: Mannheim investiert 205 Millionen Euro in den Klinikneubau „Neue Mitte“. Dafür nimmt es Kredite auf, die den Schuldenstand des Kernhaushalts um 40 Prozent steigen lassen. Das ist mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe abgestimmt. „Damit haben wir die finanzielle Leistungsgrenze der Stadt erreicht“, betonte Specht.

Die Stadt stellt zudem Grundstücke für Forschungsgebäude zur Verfügung und verzichtet an dieser Stelle auf Wohnungsbau. Für das erwartete Klinik-Defizit bis 2037 in Höhe von 500 Millionen Euro wird künftig das Land aufkommen. Die Stadt Mannheim behält 10,1 Prozent am Uniklinikum, damit das geplante Klinikprojekt in der Nähe des Neckarufers förderfähig bleibt. Formal bleiben deshalb beide Häuser eigenständig.

Das Verbundmodell ermögliche eine enge Vernetzung von Mutter- und Tochterunternehmen sowie eine klare Führung durch das Universitätsklinikum Heidelberg, „ohne dass sich die jeweiligen Rechtsformen der Klinika ändern und ohne dass ein einheitliches Krankenhaus im Sinne des Krankenhausfinanzierungsrechts entsteht“, hob Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne), nach dem Beschluss des Landeskabinetts hervor. Die Ministerin geht davon aus, dass beide Kliniken bis 2037 schwarze Zahlen schreiben werden.

Zu den Topkliniken in Berlin und München weiter aufschließen

In den nächsten zehn Jahren sollen voraussichtlich über eine Milliarde Euro Landesmittel nach Mannheim fließen. Mit dem Verbund will das Land nicht nur ein Krankenhaus retten, sondern auch den Medizinstandort Baden-Württemberg stärken. Der Zusammenschluss soll national und international eine Spitzenstellung als Gesundheits- und Medizinstandort innerhalb des Innovationscampus „Health and Life Science Alliance“ erreichen. Der Gesundheitssektor sei als Ergänzung zu den anderen starken Branchen des Landes und im Strukturwandel enorm wichtig. „Die Verbundlösung ist eine große Chance für das Land, zu den Topkliniken in Berlin und München weiter aufzuschließen“, betonte Olschowski.

Die Medizinischen Fakultäten sollen am 1. Januar 2027 fusionieren. Damit entsteht eine der größten Medizinfakultäten Deutschlands. Heidelbergs OB Eckart Würzner (parteilos) spricht vom „Harvard am Neckar“. Vom Verbund verspricht sich das Land auch Synergieeffekte in Lehre und Versorgung. Doppelstrukturen bei Technik, IT und Verwaltung sollen abgebaut werden. Wie sich das konkret auf die Zahl der Betten und Arbeitsplätze auswirkt, wird derzeit geprüft. Eine neue Führungsstruktur soll beide Kliniken eng verzahnen: Geplant ist ein sechsköpfiger Verbundvorstand, der von einem Vorstandsvorsitzenden geleitet wird. Dieser übernimmt die Gesamtverantwortung und wird sich vor allem um die medizinisch-strategische Ausrichtung kümmern.

Zusätzlich ist ein Vorstand Medizin vorgesehen, der den operativen Klinikbetrieb beider Universitätskliniken verantworten soll.

Das Bundeskartellamt legte im vergangenen Jahr ein Veto ein

Seit Sommer 2020 arbeitet man daran, die beiden Häuser enger zusammenzuführen. Ursprünglich war in der Rhein-Neckar-Region eine Fusion der Kliniken geplant, die dann aber wieder verworfen wurde. Die Pläne für den Verbund scheiterten zunächst an den Bedenken des Bundeskartellamts im vergangenen Jahr.

Erst das neue Krankenhausgesetz, das im Dezember 2024 verabschiedet wurde, gab dem Land die rechtliche Grundlage, sich über die Entscheidung des Kartellamts hinwegzusetzen .

Zwei Großkliniken

Die Uniklinik Mannheim ist als städtischer Maximalversorger eine Besonderheit. Die Medizinische Fakultät ist bereits seit 1964 in Mannheim ansässig und Teil der Uni Heidelberg. Erst 2001 trägt das Haus offiziell den Namen „Universitätsklinikum“, viele in der Bevölkerung bezeichnen es daher noch als „Städtisches Krankenhaus“. Am Uniklinikum Mannheim arbeiten rund 4300 Beschäftigte. Jährlich werden dort etwa 45 000 Patienten stationär sowie über 170 000 ambulant behandelt. Die Uniklinik Heidelberg ist mit 10 700 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber der Region. Sie versorgt jedes Jahr rund 86 000 Menschen stationär und über eine Million ambulant.

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