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Essay von Ministerpräsident Winfried Kretschmann

Made in Germany – auch für unseren Staat

Ministerpräsident Kretschmann ist überzeugt, dass es höchste Zeit für Veränderungen ist. Er sagt: Unser Staat braucht ein neues „Made in Germany“ – aber nicht als Etikett, sondern als Haltung: offen für Neues, lösungsorientiert und verlässlich.

Ministerpräsident Kretschmann ist überzeugt, dass es höchste Zeit für Veränderungen ist.

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Deutschland ist ein starkes Land, Baden-Württemberg das Land der Tüftler. Wir wollten Dinge nicht nur gut machen, sondern besser. „Made in Germany“ – das steht weltweit für Qualität. Aber: Die Welt ist dynamischer geworden, global vernetzt und unberechenbarer. Neue Technologien schaffen neue Möglichkeiten und neue Herausforderungen.

Unser deutscher Perfektionismus steht uns heute oft im Weg. Jeder Schritt muss doppelt und dreifach abgesichert sein – dadurch verheddert sich die Verwaltung häufig in Details und übersieht das Wesentliche. Dabei verlangt der internationale Wettbewerb von uns, schneller, flexibler und innovativer zu werden. Es ist also höchste Zeit für Veränderung.

Erstens: Wir müssen unser System vereinfachen, entschlacken und auf das Wesentliche fokussieren. Mehr Regeln bedeuten nicht mehr Sicherheit. Der Staat muss Lösungen bieten statt Vorschriften, die bis ins kleinste Detail gehen. Wir müssen den handelnden Personen mehr vertrauen als den Regeln.

Der Rechtsstaat ist der Garant unserer Freiheit und unseres Wohlstands. Aber wir müssen ihn an die künftigen Herausforderungen anpassen. Das bedeutet: weniger Anspruchshaltung gegenüber dem Staat und mehr Verantwortung für Gesellschaft und Individuen.

Zweitens: Die Verwaltung muss ins digitale Zeitalter überführt werden. Unsere Art zu regieren und zu verwalten muss schneller und effizienter werden. Statt die Menschen von Behörde zu Behörde zu schicken, müssen Informationen einfach, effizient und sicher digital übermittelt werden. Wir müssen Prozesse automatisieren. Formalismus und Absicherungsmentalität müssen Vertrauen und Ergebnisorientierung weichen.

Digitalisierung ist der Schlüssel zu schnelleren Verfahren. Die Wirtschaft bietet längst einfache digitale Produkte und Dienstleistungen an, der Staat ist noch nicht im Digitalzeitalter angekommen. Aber Start-ups entwickeln Software-Lösungen für den öffentlichen Sektor, die sogenannte „GovTech“.

Baden-Württemberg gehört mit dem InnoLab_bw zu den Treibern dieser Entwicklung und hat früh Start-ups wie die KI-Analyse-Infrastruktur Codefy und das Planungstool Vialytics gefördert. Wir müssen hier noch mutiger werden.

Warum nicht mit Musterprozessen oder Testregionen arbeiten, in denen wir Lösungen erproben und weiterentwickeln? Dabei muss Scheitern erlaubt sein.

Drittens: Wir brauchen eine grundlegende Staatsreform. Es liegen fundierte Vorschläge vor. Die Bundesregierung will die großen und schwierigen Themen anpacken. Der Aufbau des Ministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung ist ein erster wichtiger Schritt und auch die Länder haben sich auf eine tiefgreifende Reform verständigt. Es herrscht viel Aufbruch und Konsens. Das Grundgesetz weist uns den Weg. Artikel 109, Absatz 1 lautet: „Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig.“

Faktisch sind sie das nicht. Häufig beschließt der Bund Maßnahmen und Programme, stellt aber den Ländern und vor allem den Kommunen nicht die nötigen Mittel zur Verfügung. Selbst die Kommunen in Baden-Württemberg schaffen es kaum, den ganzen Ansprüchen nachzukommen und die nötigen Investitionen zu schultern. Die Staatsreform muss deshalb das Verhältnis von Bund, Ländern und Kommunen wieder klar und gut regeln. Das meint sowohl eine eindeutige Zuordnung der Zuständigkeiten als auch eine auskömmliche Finanzierung. Das bedeutet aber auch, dass der Staat sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren muss.

Die Bundesregierung und die Länder werden bis Ende des Jahres eine Modernisierungsagenda entwerfen. Doch das ist nur der Anfang. Essenziell ist, diese umzusetzen. Dabei müssen wir uns fragen: Wie schaffen wir Bürgernähe und gewährleisten zugleich einheitliche Verfahren? Wofür sind Länder oder Kommunen zuständig, wofür der Bund? Wie formulieren wir Gesetze so, dass am Ende auch das Ziel erreicht wird – und gleichzeitig der Aufwand zur Umsetzung vertretbar bleibt?

Daran müssen sich alle politischen Akteure messen lassen. Baden-Württemberg kann hier vorangehen. Als Land, das Tradition mit Innovation verbindet und den Wandel aktiv gestaltet. Unser Staat braucht ein neues „Made in Germany“ – aber nicht als Etikett, sondern als Haltung: offen für Neues, lösungsorientiert und verlässlich.

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