Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Vergabe von Planungsleistungen

„Die EU-Kommission sollte den Schwellenwert erhöhen“

Seit der EU-bedingten Änderung der Vergabeverordnung vor zwei Jahren müssen auch kleinere Planungsleistungen europaweit ausgeschrieben werden – mit spürbaren Folgen für Vergabestellen und Bieter. Doch gibt es einen Ausweg?

Europaweite Vergabeverfahren 
bedeuten für die Akteure einen 
erheblichen Mehraufwand.

IMAGO/Westend61)

Stuttgart . Mit der Streichung von Paragraf 3 Absatz 7 Satz 2 der Vergabeverordnung (VgV) müssen bei der Auftragswertberechnung Planungsleistungen anders als zuvor addiert und deshalb vermehrt europaweit ausgeschrieben werden. Die Folge: Anwendung der VgV, Veröffentlichung über das europäische Ausschreibungsportal TED sowie erhöhte Anforderungen an Transparenz und Dokumentation.

„Europaweite Verfahren bedeuten einen erheblichen Mehraufwand und längere Umsetzungszeiten insbesondere für kommunale Auftraggeber“, sagt Christian Manz, Vergaberechtsexperte beim Gemeindetag Baden-Württemberg. Er erinnert daran, dass die Änderung in der VgV infolge eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission erfolgte. Hintergrund war die Vermeidung einer Umgehung der Transparenzvorschriften, sodass eine Benachteiligung potenzieller Anbieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden soll. Doch die Praxis zeigt ein anderes Bild. „Trotz europaweiter Ausschreibungen nehmen kaum Anbieter aus dem Ausland teil – denn Planungsleistungen sind stark durch deutsches Planungsrecht und die komplexe Normung geprägt.“

Begrenzte personelle Kapazitäten und Fachkräftemangel

Derweil belastet die Zunahme europaweiter Verfahren die Vergabestellen. „Besonders kleinere und mittlere Kommunen stoßen angesichts begrenzter personeller Kapazitäten und des Fachkräftemangels an ihre Grenzen“, beobachtet Manz. Das treffe selbst große Städte. „Auch dort sind die Kapazitäten endlich.“

In den Kommunen werden mögliche Auswege diskutiert. Etwa das Vorgehen in Bayern. Dort hat das Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr in einem Schreiben vom 18. Dezember 2023 klargestellt, dass die Addition der Auftragswerte nicht zwingend ist, sondern davon abhängt, ob ein enger funktionaler Zusammenhang zwischen den einzelnen Planungsleistungen besteht. Eine Additionspflicht sei nur dann gegeben, wenn die Leistungen „lückenlos aufeinander abgestimmt und optimiert sein müssen, um eine Einheit ohne Schnittstellen zu bilden“. Keine Additionspflicht sieht das Ministerium dagegen, wenn die Leistungen zwar integriert werden sollen, aber nicht zwingend funktional zusammenhängen – etwa bei separater Gebäudeplanung, Statik oder technischer Gebäudeausrüstung.

Manz kann sich eine erweiterte Auslegung auch in Baden-Württemberg vorstellen. „Jede Möglichkeit, eine rechtssichere Vereinfachung zu erreichen, ist für unsere Kommunen hilfreich.“ Manz sieht aber auch Brüssel in der Pflicht: „Die EU-Kommission muss den Schwellenwert für Dienstleistungen erhöhen.“ Planungsleistungen werden derzeit als Dienstleistungen eingeordnet und fallen daher unter den Schwellenwert von 221 000 Euro. „Eine Alternative wäre die Einführung eines eigenen Schwellenwerts für freiberufliche Leistungen oder die Zuordnung zu den sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen, die einem höheren Schwellenwert von 750 000 Euro unterliegen“, sagt er. Auch im Zuge des geplanten Vergabe-Beschleunigungsgesetzes sieht er Chancen. „Der Bund sollte das Vergaberecht nachjustieren – etwa durch Klarstellungen zur gemeinsamen Planungs- und Bauleistungsvergabe, um so der Vergabepraxis die rechtssichere Umsetzung solcher Vergaben zu ermöglichen.“

Erleichterungen wie die 80-20-Klausel nutzen

Thomas Treitz, Vergaberechtsexperte bei der Architektenkammer Baden-Württemberg, hält den Mehraufwand durch EU-Ausschreibungen für die Planer eher für überschaubar. Er verweist auf Erleichterungen wie die 80-20-Klausel nach Paragraf 3 Absatz 9 der VgV. Damit können einzelne Lose national vergeben werden, wenn der Nettowert eines Loses unter 80 000 Euro liegt und die Summe dieser „Bagatelllose“ nicht mehr als 20 Prozent des Gesamtwerts aller Lose beträgt. „Zu wenige Auftraggeber nutzen diesen Spielraum“, sagt Treitz. Die Hürden für kleine Büros an EU-weiten Verfahren teilzunehmen, sieht er eher anderswo: „Kleine Büros scheitern nicht am Radius der Bekanntmachung, sondern eher an hohen Zugangshürden – etwa an überzogenen Anforderungen an Referenzen, an die Bürogröße, an aufwendigen Eignungsnachweisen, komplexen Angebotsunterlagen.“

Burgis Alternativkonzept

Der Rechtswissenschaftler Martin Burgi schlägt in einem Gutachten (2024) ein alternatives Beschaffungskonzept vor. Er regt an, Planungs- und Bauleistung bei der Auftragswertschätzung gemeinsam zu betrachten. Dadurch gilt der höhere Schwellenwert für Bauleistungen (5 538 000 Euro) statt der niedrigere für Dienstleistungen. Planungs- und Bauleistungen sind dann in Lose aufzuteilen und separat zu vergeben. Dieser Weg sei laut Burgi vergaberechtskonform und europarechtlich zulässig, sofern Fachlosbildung und mittelstandsfreundliche Vergabe berücksichtigt wird.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 199 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch