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Mehr Gestaltungsräume statt noch mehr Regeln

Seit dem Jahr 2015 leitet Björn Appelmann (rechts) die Stabsstelle Verwaltungs- und Managemententwicklung in der Stadt Karlsruhe.
Martin Wagenhan)Karlsruhe. Historisch betrachtet war in Deutschland die Entwicklung einer verlässlichen und durch nachvollziehbare Entscheidungen geprägten Verwaltung ein echter Gamechanger für Innovation, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein echter Wettbewerbsvorteil Deutschlands und ein Exportschlager, der international Nachahmer fand.
Und heute: Das System „Verwaltung“ kommt spürbar an seine Leistungsgrenzen. Abwarten und auf Besserung hoffen ist keine echte Option und verkennt den Ernst der Lage: Verwaltung und insbesondere die kommunale Verwaltung ist der Kontaktpunkt der Bürger zu ihrem Staat. Geht hier das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und Wirksamkeit verloren, steht der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat als Ganzes in Frage.
Es geht auch darum in welchem Staat wir übermorgen leben wollen
Es geht heute nicht bloß um etwas weniger Regeln und mehr Effizienz, es geht auch darum in welchem Staat wir übermorgen leben möchten. Wie könnte also ein zeitgemäßes Verständnis von Verwaltung aussehen, das hilft, den vielfältigen und komplexen Herausforderungen gerecht zu werden? In Karlsruhe haben wir uns hierzu schon vor über zehn Jahren auf den Weg gemacht. Zu Beginn stand die Frage, wie wir es in einer Großstadtverwaltung schaffen, komplexe Aufgaben qualitativ hochwertig und trotzdem zügig zu erledigen.
Bei komplexen Aufgaben kostet die starke Versäulung in Zuständigkeitsgebiete viel Zeit und führt nicht unbedingt zu den besten Ergebnissen. Zu lang sind die Abstimmungs- und Entscheidungswege. Stattdessen haben wir das fachübergreifende Zusammenspiel und die unterschiedlichen Expertisen aus der Verwaltung sowie Perspektiven der Bürgerschaft in den Mittelpunkt gestellt. Starke fachübergreifende Arbeitsteams auf Zeit und gelingende Beteiligung sind der Schlüssel. Die Verwaltung wird zum Möglichmacher.
Ein gutes Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure ist kein Selbstläufer. Grundlage sind ein gemeinsames Zielbild und Rollenklarheit, also wer was zu einem gemeinsamen Erfolg beitragen kann. Wie gehen wir dabei mit Fehlern und Rückschlägen um? Ist Raum für Ideen und Selbstkorrektur? Am Ende sind dies kulturelle Fragen einer Organisation.
Die Art und Weise der Führung, das Rahmensetzen und Freiraumgeben entscheiden, in welche Richtung eine Organisation und ihre Mitarbeiter sich entwickeln können. Raum für eigenverantwortliches Arbeiten, Methoden aus dem agilen Kontext, Technik und Tools auf Höhe der Zeit machen Entwicklung möglich.
Mit der Stabsstelle wurde eine Einheit beim Oberbürgermeister geschaffen, die von strategischen über arbeitskulturelle Fragen bis zu Fragen transdisziplinärer Zusammenarbeit aktiv wird. Nicht aus einer hierarchischen „Dienstherrenfunktion“ heraus, sondern als partnerschaftlicher Dienstleister und strategischer Berater, agiler Coach oder Prozesslotse. Wir sind überzeugt, nicht noch mehr Regeln, Druck und kleinteilige Vorgaben bringen uns voran, sondern das Schaffen von Gestaltungsräumen. Das Vertrauen in Expertise und Engagement der Mitarbeiter, bei gleichzeitiger Ziel- und Rollenklarheit bilden das Fundament.
Die Teams der Zukunftsthemen der Stadt werden begleitet
So begleiten wir die Teams der Zukunftsthemen unter anderem beim Aufbau einer transdisziplinären Arbeitsweise und arbeiten mit den Bürgerbüros an ihrem Leistungsversprechen Richtung Bürgerschaft, mit dem städtischen Forst an neuen Prioritäten in Anbetracht des Klimawandels oder mit dem Schul- und Sportamt an einem Zielbild mit Gestaltungsanspruch.
Solche Prozesse tragen durch Stärkenorientierung und Identifikation von Entwicklungspfaden dazu bei, unsere Organisation zukunftsfähig und resilient aufzustellen. Und fast wie von selbst klärt sich, was braucht es wirklich an Abläufen und Regeln und worauf können wir verzichten. So entwickelt sich Verwaltungsarbeit aus der Praxis heraus kontinuierlich weiter.
Gerade in Zeiten knapper Haushaltsmittel und Personalressourcen, helfen Ziel- und Rollenklarheit dabei, Prioritäten zu setzen und inhaltlich gut sortiert in politische Entscheidungsprozesse zu gehen.