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Glosse

Winne, der Zugführer 

Wer anderen einen Tunnel gräbt, fährt selbst hinein. Eine Glosse von Michael Schwarz.
Vier Personen in einem Zugcockpit, zwei tragen orange Warnwesten.

Als Lokführer macht er sich gar nicht so schlecht. Doch Friedrich Dürrenmatt hätte Winfried Hermann eher als Zugführer gesehen.

dpa/imageBROKER/Arnulf Hettrich)

Jeder neigt ja dazu, seine Heimat für den Nabel der Welt zu halten. Deshalb sei Friedrich Dürrenmatt verziehen, der in der Erzählung „Der Tunnel“ im Jahr 1952 einen Schnellzug zwischen Bern und Zürich verschwinden lässt. Statt nach 510 Metern wieder aus dem Tunnel aufzutauchen, rast der Express zum Mittelpunkt der Erde, während der Lokführer längst abgesprungen ist. Bestimmt hätte der Schweizer Schriftsteller, würde er noch leben, seine Parabel umgeschrieben, schon allein, um sein deutsches Lesepublikum bei Laune zu halten, das ja ansonsten nichts zu lachen hat.

Bundesverkehrsminister als Student

In der Neuauflage würde der geschasste Bahnchef den Lokführer geben. Der Bundesverkehrsminister könnte in die Rolle des vierundzwanzigjährigen, übergewichtigen Studenten hineinwachsen, der erkennt, dass die Fahrt durch den an und für sich kurzen Tunnel schon relativ lange dauert.

Dem Schicksal abgetrotzt

Für den Zugführer wiederum wäre der baden-württembergische Verkehrsminister „Winne“ Hermann prädestiniert. Seit Jahrzehnten hält er der Bahn die Treue, während andere Tunnel graben. Tut er dies wirklich aus Pflichtgefühl und weil er schon „immer ohne Hoffnung gelebt“ hat? Da würde der Minister dem Schriftsteller widersprechen und auf die Dinge verweisen, die er dem Schicksal schon abgetrotzt hat: die Große Wendlinger Kurve, den digitalen Knoten, den Regionalhalt in Stuttgart-Vaihingen. Die Frage ist allerdings, ob er Dürrenmatt überzeugen könnte. Oder ob der nicht doch seinen Zug durch den Stuttgarter Tiefbahnhof sausen lassen würde – auf seiner Fahrt quer durch die Hölle bis ans Ende des Universums.

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