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Corona-Soforthilfen: Weitere Schlappe für das Land

In der juristischen Auseinandersetzung um die Rückzahlung von Corona-Soforthilfen haben das Land und die L-Bank auch vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg Niederlagen erlitten. Der 14. Senat entschied in sechs Musterverfahren in fünf Fällen zugunsten der betroffenen Unternehmen.
Person mit Maske serviert Essen in einem Restaurant.

Die Gastronomie war von Corona-Lockdowns stark betroffen. Viele Betriebe nahmen 
Soforthilfen in Anspruch und kämpfen nun gegen Rückzahlungen.

dpa/Marijan Murat)

Mannheim. Nach den mündlichen Verhandlungen hatten sich die Richter des 14. Senats des VGH noch sehr bedeckt gehalten, wie sie die Auseinandersetzung zwischen dem Land und der L-Bank auf der einen Seite und mehreren Unternehmen und Freiberuflern auf der anderen Seite um die Rückzahlung von Corona-Soforthilfen rechtlich beurteilen. Doch der am Donnerstag schriftlich mitgeteilte Urteilstenor fällt eindeutig aus: Die höchsten Verwaltungsrichter im Land bestätigten die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in Freiburg, Stuttgart und Karlsruhe.

Inhaltlich ging es in allen sechs Musterverfahren um die Frage, für welchen Zweck die Corona-Soforthilfe im Frühjahr 2020 gewährt wurde. Während die L-Bank davon ausgeht, dass damit nur Liquiditätsengpässe abgedeckt werden durften, berufen sich die Unternehmen darauf, dass in den Anträgen und Ausfüllhilfen von Liquiditätsengpässen oder Umsatzeinbrüchen die Rede gewesen sei.

Erste Vorschriften des Landes waren zu unklar formuliert

Dies gilt aber nur für die Soforthilfen, die nach Vorschriften des Landes aus dem März beantragt wurden. Im Bund-Länder-Programm, das die erste Soforthilfe ab Mitte April ablöste, war dagegen klar formuliert, dass ein Liquiditätsengpass vorliegen muss, um die Hilfe zu beantragen, also die laufenden Ausgaben die Einnahmen übersteigen müssen.

Entsprechend zweigeteilt, fiel das Urteil des VGH aus. In den vier Fällen, in denen die Unternehmen die Hilfen nach den Richtlinien aus dem März 2020 beantragt hatten, war die Rückzahlungsforderung der L-Bank rechtswidrig. Denn es sei in den Bewilligungsbescheiden nicht klar erkennbar gewesen, dass die Empfänger anschließend eine Gegenüberstellung ihrer Einnahmen und Ausgaben über einen Zeitraum von drei Monaten vornehmen müssten.

Keine Stellungnahmen von L-Bank und Wirtschaftsministerium

Die vier Kläger in diesen Verfahren, ein Friseur aus Heidenheim, ein Hotel-Restaurant aus Lauchheim, ein IT-Berater aus Steißlingen am Bodensee und ein Kosmetikhersteller aus Karlsruhe, können nun ihre Corona-Soforthilfen behalten.

In den beiden Fällen, denen die neuere Bund-Länder-Richtlinie zugrunde lag, gewann die L-Bank zumindest in einem Fall. Eine Fahrschule war bereits vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe mit ihrer Klage gegen die Rückzahlung gescheitert, nun bestätigte der VGH dieses Urteil. In der Richtlinie vom April sei der Zweck der Soforthilfe ausreichend genau bestimmt gewesen. Und der geforderte Liquiditätsengpass habe nicht vorgelegen, wie sich im Rückforderungsverfahren ergeben habe.

Erfolg hatte dagegen nun ein Winzer, der vor dem Verwaltungsgericht Freiburg noch mit seiner Klage gegen die Rückforderung der L-Bank gescheitert war. Denn die obersten Verwaltungsrichter des Landes ließen zu, dass der Betroffene dort noch Unterlagen vorlegte, die seinen Liquiditätsengpass im Frühjahr 2020 belegen konnten. Damit wichen die Mannheimer Richter auch von einer bisher gängigen Rechtsprechung ab, wonach solche Nachweise nachträglich nicht mehr berücksichtigt werden können. Der VGH habe damit ein Zeichen gesetzt, dass auch in Berufungsverfahren eine Beweisführung möglich ist, erklärte Marc Malleis von der Kanzlei Stoll & Sauer, der als Anwalt zwei der sechs Kläger vor dem VGH vertreten hatte.

Scharfe Kritik der Landtagsopposition an der Landesregierung

Nach der Rechtsmeinung des 14. Senats sind die Corona-Soforthilfeverfahren damit abgeschlossen. Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Allerdings könnten die Kläger noch beim Bundesverwaltungsgericht eine Nichtzulassungsbeschwerde einreichen. Ob die L-Bank diesen Schritt geht, ist derzeit offen. „Stellungnahmen oder Bewertungen sowie eine Einschätzung zu etwaigen Konsequenzen der heutigen VGH-Entscheidungen können derzeit nicht abgegeben werden“, erklärte ein Sprecher der Förderbank schriftlich auf Anfrage. Und im Wirtschaftsministerium verweist man auf die L-Bank als Beklagte.

Deutliche Kritik kam von der Landtagsopposition. „Mit der Entscheidung des Gerichts erhält die Landesregierung die Quittung für ihr Missmanagement bei der Rückzahlung von Corona-Hilfen“, sagte Boris Weirauch (SPD). Und sein FDP-Kollege Erik Schweickert nannte das Urteil ein „Armutszeugnis für das Wirtschaftsministerium.“

Schriftliches Urteil soll im November veröffentlicht werden

Die Entscheidung in den Musterprozessen ist gefallen, doch die ausführliche schriftliche Urteilsbegründung wird noch einige Wochen auf sich warten lassen. Die hat der Verwaltungsgerichtshof für Mitte November angekündigt. Bei den Verwaltungsgerichten sind derzeit noch rund 1400 Klagen und bei der L-Bank rund 5500 Widerspruchsverfahren zu Corona-Soforthilfen anhängig.

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