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Porträt Christina Stumpp (CDU)

Die schwäbische Macherin im Adenauerhaus

Die Chemie scheint in der Bundes-CDU unter Friedrich Merz zu stimmen. Und das hat auch mit einer Schwäbin zu tun: Vize-Generälin Christina Stumpp ist eine, die einfach mal macht. Eine Reportage von Michael Schwarz.
Eine Frau mit Brille sitzt lächelnd an einem Tisch mit Mikrofon.

Die Waiblinger Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp ist seit 2022 stellvertretende Generalsekretärin der Bundes-CDU.

dpa/dts-agentur)

Berlin. Berlin, Konrad-Adenauer-Haus, abends um kurz nach acht. Der Kanzler hat gesprochen, die Bundestagspräsidentin, jetzt ist der Fraktionsvorsitzende dran. Die Sitznachbarin ist in ihr Handy versunken. Sie scheint sich für einen Seidenrock zu interessieren, kann sich aber nicht entscheiden. Da kann Jens Spahn noch so schöne Geschichten erzählen, etwa die, wie er in seiner Studentenzeit bis zum frühen Morgen kellnerte, weil münsterländische Hochzeiten eben so lange dauerten und was das mit dem Arbeitszeitrecht zu tun hat, das die Union liberalisieren will. Die Nachbarin findet Peek & Cloppenburg spannender.

Manchmal hat man den Eindruck, als müsse sie sich noch kneifen

Im Grunde genommen ist es aber auch egal, ob jedes Wort der Parteiprominenz bei jeder der mehr als 200 Zuhörerinnen ankommt. Entscheidend ist, dass die Mischung stimmt, damit die Kreis- und Gemeinderätinnen in ihre Heimat zurückkehren mit dem Gefühl, dass es sich lohnt, für die Union Kommunalpolitik zu machen und dies allen erzählen, die dafür ebenfalls in Frage kommen. Da gibt es noch einiges zu tun, sind doch lediglich 30 Prozent der CDU-Kommunalpolitiker weiblich.

Diejenige, die zu der zweitägigen Veranstaltung eingeladen hat, die vergangene Woche schon zum dritten Mal in der Hauptstadt stattfand, ist selber ein Musterbeispiel dafür, dass es Frauen in der CDU weit bringen können – und nicht nur in der SPD, bei den Grünen oder den Linken. Christina Stumpp, 37 Jahre alt, vertritt seit 2021 den Wahlkreis Waiblingen im Bundestag und ist seit 2022 stellvertretende Generalsekretärin der Bundes-CDU.

Und manchmal hat man den Eindruck, als müsse sie sich noch kneifen. Dass ausgerechnet sie, die im mittleren Dienst des Landes Baden-Württemberg begann, die auf dem Rathaus und im Finanzamt arbeitete und auch in den Ministerien in Stuttgart zunächst die Sachbearbeitung übernahm, eine derart steile politische Karriere machen sollte, ist schon ein Ding. Zumal sie auf einem Bauernhof bei Backnang aufwuchs und früh auf dem Traktor saß. Da träumt man nicht unbedingt von Parteien und Parlamenten.

Sie hat einen Job, den es so nur in der CDU gibt und den sie Friedrich Merz verdankt. Und der sie direkt in die dünne Luft der Spitzenpolitik beförderte. Merz wollte, nachdem er 2022 beim dritten Anlauf endlich den Parteivorsitz eroberte, beweisen, dass er die Frauen und den Südwesten nicht vergessen hat. Deshalb schuf er das Amt der stellvertretenden Generalsekretärin, das es zuvor noch nicht gab, und berief eine Frau, die zuvor kaum einer kannte.

Der Anfang war steinig. Im März 2023, ein halbes Jahr nach ihrer Wahl, merkte Cicero in einem Porträt leicht maliziös an, dass sie den Weg in die Talkshows noch nicht gefunden habe. „Für zu leicht befunden“, konstatiere man in der Hauptstadt, lästerte das Nachrichtenmagazin. Da ist man in der Parteizentrale vermutlich anderer Meinung. Tatsache ist jedoch, dass Stumpp an ihrer Bekanntheit noch arbeiten kann.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sie in der Partei ohne Einfluss wäre. Das zeigt sich schon darin, dass sich für dieses Format mit dem etwas gewöhnungsbedürftigen Namen „Women@CDU #Kommunal“ die gesamte Parteispitze Zeit nimmt. Und dass der Kanzler sie herzlich umarmt, während sie etwas später dem Fraktionsvorsitzenden, der zuletzt so oft mit dem Rücken zur Wand stand, den Rücken tätschelt.

Das legt aber auch eine Episode im neuen Buch des stellvertretenden Welt-Chefredakteurs und Hauptstadt-Journalisten Robin Alexander nahe. Demnach hatte Stumpp entscheidend Anteil daran, dass Friedrich Merz im Januar eine 180-Grad-Wende in Sachen AfD vollzog.

Hatte er im November 2024 noch ausgeschlossen, gemeinsam mit den Rechtspopulisten eine Mehrheit für seine Migrationspolitik zu suchen, tat er Ende Januar genau das Gegenteil. Die Rechtsaußen-Fraktion konnte ihr Glück kaum fassen, und auch die erstaunliche Wiedergeburt der Linken ist ohne diese denkwürdige Parlamentswoche nur schwer zu erklären. Christina Stumpp sieht das freilich anders. Die Zustimmungswerte der Union, die Allensbach noch am 20. Dezember bei 36 Prozent sah, seien schon vor der besagten Parlamentswoche gesunken. Und Merz habe sich schon vor einer von Robin Alexander beschriebenen Telefonkonferenz der Union entschieden, seinen Fünf-Punkte-Plan durchzuziehen, was sie nach wie vor richtig findet.

Was sie jedoch nicht bestreitet, ist, dass sie in dieser Runde, die kurz nach dem Attentat von Aschaffenburg stattfand, berichtete, dass sich die Erzieherinnen in der Kita ihrer einjährigen Tochter fragten, ob sie überhaupt noch Ausflüge mit den Kindern machen könnten. Merz habe sich, so Robin Alexander, dafür sehr empfänglich gezeigt und gesagt, dies sei der „Gamechanger“ im Wahlkampf. Er gehe jetzt „all in“.

Es ist diese Emotionalität, diese Direktheit, die Christina Stumpp auszeichnet. Und auch die Bereitschaft, etwas zu riskieren. „Liebe Christina, danke, dass es dich gibt“, sagt Generalsekretär Carsten Linnemann an diesem Abend im Adenauerhaus. Ihre Devise sei „einfach mal machen“. Und Linnemann lobt, dass sich seine Stellvertreterin nicht verbal verbiege, sondern „frank und frei sagt, was die Menschen denken“.

Dass sie dies zumeist im Hintergrund tut, scheint sie nicht zu stören. Dem Koalitionsausschuss, der vergangene Woche das Bürgergeld kippte, könne sie schon allein deshalb nicht angehören, weil die anderen beiden Parteien – die SPD und die CSU – keinen stellvertretenden Generalsekretär hätten, erklärt sie. Was sie denkt, bringe sie in der unionsinternen Vorbesprechung ein.

Im Übrigen seien die Kommunen ihr Ding und die 75.000 Frauen und Männer, die bundesweit für die CDU/CSU Kommunalpolitik machen, ihre Adressaten, betont die Waiblingerin, die selber der Regionalversammlung in Stuttgart angehört. In Nordrhein-Westfalen hat sie zuletzt im Kommunalwahlkampf 2600 Kilometer an sechs Tagen abgerissen. Genau dafür hat Merz sie berufen – mindestens noch bis 2026.

Die Frage, ob sie ins Kabinett geht, habe sich gar nicht gestellt. Nachdem Carsten Linnemann entschieden hatte, dass er Generalsekretär bleibt – er wäre gerne Wirtschafts- und Arbeitsminister geworden, was jedoch die Koalitionsarithmetik verhinderte –, sei klar gewesen, dass auch sie im Konrad-Adenauer-Haus bleibt.

Die Tochter geht in die Kita des Bundestags, der Sohn lebt daheim

„Wir haben noch viel vor, wir möchten die CDU als moderne Volkspartei der Zukunft ausrichten“, sagt sie und verweist auf die fünf Landtagswahlen und zwei große Kommunalwahlen in Hessen und Niedersachsen, die 2026 anstehen. Sie kann sich wahrlich über Arbeit nicht beklagen. Zumal sie sich ja noch um ihre inzwischen anderthalbjährige Tochter kümmern muss, die in die Bundestags-Kita geht. Der fünfjährige Sohn ist bei ihrem Mann, einem Rechtsanwalt, in Waiblingen, wo sich auch der Lebensmittelpunkt der Familie befindet.

„Ich habe das Ziel, dass berufstätige Eltern wie ich gar nicht mehr gefragt werden“, antwortet sie auf die Frage, wie man so eine Vielfachbelastung schultert. Sie hat drei Büros, eines in der Parteizentrale, das andere im Bundestag, das dritte im Wahlkreis. Dass sie auf dem Bauernhof, auf dem sie groß wurde, immer angepackt habe, sei eine gute Vorbereitung gewesen, um in die Politik zu gehen. Weil sie die Menschen und ihre Sorgen verstehe – etwa in Sachen überbordender Bürokratie. „Das ist die beste Schule, wenn Sie in einem Familienunternehmen groß werden. Man ist 24/7 im Einsatz.“

Für Merz ist sie schon allein deshalb die Idealbesetzung, weil sie nichts, aber auch gar nichts auf ihn kommen lässt. Und weil sie ihm – anders als Jens Spahn und vielleicht eines Tages Carsten Linnemann ~ nicht gefährlich werden dürfte. Ihr genügt die Bühne, die sie hat und auf der sie Sätze sagt wie: „Heute ist ein guter Tag für Deutschland. Das Bürgergeld ist Geschichte.“ Und: „Wir haben endlich wieder einen Kanzler, den Deutschland verdient.“

Diese Form von Bescheidenheit, die darin besteht, ihren ganzen Charme und ihr rhetorisches Talent in den Dienst ihrer Partei zu stellen, unterscheidet sie auch von Julia Klöckner, die an diesem Abend im Adenauerhaus über Frauen in Führungspositionen spricht. Die Bundestagspräsidentin übt schon mal Kritik am Umgang der CDU mit ihren Frauen, denen man es schwer mache, in die Parlamente zu kommen, indem man ihnen sichere Wahlkreise verwehre. Und dass Frauen oft auf ihr Äußeres reduziert würden.

Wobei im Adenauerhaus niemand in Sack und Asche geht. Klöckner und Stumpp wetteifern an diesem Abend um das schönste Rosa. Dabei macht die Handtasche der Präsidentin den Unterschied, Ton in Ton mit ihrem Kleid, wozu sich weitere Muster in anderen Farbtönen gesellen. Und die es, kleiner Hinweis an die zerstreute Sitznachbarin, bei Peek & Cloppenburg bestimmt nicht gibt.

Studium in Ludwigsburg

Christina Stumpp startete im mittleren Dienst ins Berufsleben. Nach einem Jahr im Waiblinger Rathaus wechselte sie in den gehobenen Dienst und an die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg und machte ihren Bachelor of Laws. Ihre nächste Etappe war das Finanzamt Waiblingen. Von dort ging sie zum Finanz- und Wirtschaftsministerium, zum Innen- und zum Kultusministerium. Sie war persönliche Referentin von Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU), bevor sie in den Bundestag wechselte.

Über 200 Kommunalpolitikerinnen nehmen an dem zweitägigen Treffen im Berliner
Konrad-Adenauer-Haus teil. Sie bekommen jede Menge Parteiprominenz vor die Linse.
Michael Schwarz)

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