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Wahlprogramm

Grüne halten Änderungsanträge unter Verschluss

Mitte Dezember wollen die Grünen die Weichen in die nächste Legislaturperiode stellen. Allerdings ist ein Teil der Basis höchst unzufrieden mit dem Wahlprogramm. Vor allem im heiklen Bildungskapitel sind die Änderungswünsche so zahlreich, dass sie unter Verschluss gehalten werden.
Lachende Frau mit grünem Oberteil und Halskette vor dunklem Hintergrund.

Theresa Schopper ist die erste grüne Kultusministerin in Baden-Württemberg.

dpa/Bernd Weissbrod)

Stuttgart. Es geht um ein Herzstück grüner Programmatik . Vor 15 Jahren, zum Start in die Ära von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, wollte die Partei den „Sortierwahn“ an Baden-Württembergs Schulen beenden, weil das System für Eltern, Lehrkräfte und SchülerInnen viel Stress und Druck bedeute. Dem „frühen Aufteilen“ sollte ein Ende bereitet und die Grundschulempfehlung abgeschafft werden, die „vor allem Kinder aus sozial schwachen und benachteiligten Elternhäusern zu Bildungsverlierern macht“.

Im Spätherbst 2025 hätten sich Bildungsexperten in den Kreisverbänden solche oder ähnliche Sätze zur Zukunft des Schulsystems im Südwesten wieder gewünscht. Indessen hat der Landesvorstand Ende Oktober einen Programmentwurf vorgelegt, der im Netz und in der realen Welt als zu weitgespült, zu beliebig, zu wenig strukturiert, insgesamt viel zu weit weg von grünen Überzeugungen eingeordnet wird. Der Start ins Bildungskapitel steht für die kritisierte angeschlagene Tonlage: „Das Wertvollste, was wir haben, sind unsere Kinder und Jugendlichen. Jedes Kind verdient die besten Chancen. Ob Hauptschule oder Hochschule – entscheidend ist die Möglichkeit, etwas erreichen zu können.“

Nicht nur diese, auch andere Passagen lesen sich nach Unterstützung durch Künstliche Intelligenz. Die ist tatsächlich, wie die Landesgeschäftsstelle auf Anfrage einräumt, „bei einem Zwischenschritt zur Strukturierung der vorher in den Facharbeitsgruppen erarbeiteten Textbausteine zum Einsatz gekommen“. Auch das hat Fachleute an der Basis auf den Plan gerufen. Thomas Poreski, Bildungsexperte in der Landtagsfraktion, freut sich über die „Schwarmintelligenz“ und die mehr als 160 Änderungsanträge, die dem Entwurf programmatische Würze geben wollen.

Basis macht sich für Gemeinschaftsschule stark

So wird verlangt, Gemeinschaftsschulen – 2011 das Herzstück grüner Bildungsreformen – durch ein „möglichst flächendeckendes Angebot“ von Oberstufen den Weg zum Abitur zu öffnen. Zudem wird an die Hamburger Reformerfolge erinnert und daran, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) zum Trip in die Hansestadt aufgefordert, um Ideen auch für den Südwesten zu sammeln. Hamburg habe große Fortschritte erzielt durch Veränderungen, monieren Kritiker, „für die wir Grüne auch in BaWü seit Jahren eintreten“. Und weiter: „Die Drei-/Vier-/Vielgliedrigkeit unseres Schulsystems ist nicht zukunftsfähig.“

Gefordert wird unter anderem ein kostenfreies Mittagessen, das Aufzeigen von Wegen zur Gebührenfreiheit von Kitas, mehr Inklusion oder mehr „alltagsorientierte Sprachbildung, weil sie für den schulischen Erfolg entscheidend ist“. Selbst in der grundsätzlichen Bewertung der Situation sind Vorstand und Teile der Basis uneins. Denn während im Entwurf beklagt wird, dass „unser Land nicht dort ist, wo es hingehört – an der Leistungsspitze“, heißt es in einem der Änderungsanträge mit Blick auf die aktuellsten Vergleiche mit anderen Bundesländern: „Baden-Württemberg hat in den letzten Leistungsstudien, trotz großer Herausforderungen, den Anschluss an die Spitze wieder gefunden – und das ist unser Anspruch, nicht nur bundesweit, sondern auch im globalen Wettbewerb.“

Seit 1979 waren alle Änderungsanträge öffentlich einsehbar

Grundsatzdebatten, die sich aus solchen Differenzen zwangsläufig ergeben, wollte die Landesspitze verhindern, vor allem über die Struktur des Schulsystems als solche. Ursprünglich sollte es deshalb so wenige Änderungsanträge geben wie möglich. Weil daraus nichts wurde, gehen die Verantwortlichen jetzt einen anderen Weg und brechen mit einer bisher immer gepflegten Tradition: Seit der Parteigründung 1979 waren Anträge und Änderungsanträge vor Parteitagen stets öffentlich einsehbar, so dass Interessierte, Verbände oder die GEW schon im Vorfeld transparente Diskussionen führen können.

Diesmal ist online eine Schranke hochgezogen worden, um diesen freien Zugang zu verhindern. Erklärt wird das von einem Parteisprecher mit „dem großen Interesse“. Deshalb werde der Entwurf des Wahlprogramms erst offiziell öffentlich, wenn geklärt sei, welche Änderungsanträge eingearbeitet werden und welche nicht. Zahlreiche Basisvertreter verlangen dennoch oder gerade deshalb eine breite Debatte auf der Landesdelegiertenkonferenz in Ludwigsburg. Zeitmangel besteht jedenfalls nicht: Sie dauert vom 12. bis zum 14. Dezember, also von Freitag bis Sonntag.

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