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Manuel Hagel erklärt die AfD zum Hauptgegner

Manuel Hagel (m), Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg und Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg 2026, winkt beim CDU-Landesparteitag nach seiner Rede den Beifall klatschenden Delegierten zu. Kurz vor der heißen Phase des Landtagswahlkampfs bringt sich die baden-württembergische CDU in Stellung.
Bernd Weißbrod)Heidelberg. Das weitläufige Congresscentrum HCC in Heidelberg ist erst einmal abgeriegelt – einige wenige der sogenannten Klimakleber haben das Parkhaus blockiert, die Polizei trennt sie von den Parteitagsgästen. Doch das bleibt eine Randnotiz, in der Halle ist die Stimmung ausgelassen. Der als Nachfolger von Gesundheitsministerin Nina Warken im Sommer schnell berufene Generalsekretär Tobias Voigt freut sich, dass das studentisch und linksliberal geprägte Heidelberg mit Eckart Würzner einen CDU-Oberbürgermeister hat. Der beklagt „steigende Sozialkosten von 80 Millionen Euro“, das bekannte Klagelied der Kommunalen, der Gemeindetagspräsident Steffen Jäger nickt zustimmend.
Schließlich steigt Manuel Hagel in die Bütt, der sich nach zwei Jahren erneut als Landesvorsitzender bewirbt. 2023 musste er den Parteivorsitz in einem stillen Machtkampf Innenminister Thomas Strobl abringen, seither hat er die Partei ganz auf sich, auf den Wahlkampf und auf seine „Agenda der Zuversicht“ ausgerichtet, wie er sein Wahlprogramm nennt.
Hagel hat die Partei ganz auf sich ausgerichtet
Widerspruch gibt es quasi keinen mehr, aus dem Wahlprogramm wurden im Vorfeld bis tief in die Nacht die meisten Ecken und Kanten gründlich ausgebügelt. Selbst Kritiker wie der Aalener Abgeordnete Winfried Mack stehen brav auf der Bühne und klatschen. Die Fraktion der Strobl-Kritiker hat ihr Feindbild verloren, so viel Harmonie war selten.
Hagel wählt ein wenig Parteiflolklore, um die Stimmung anzuheizen. „Wie kann es sein, dass eine Arbeitsministerin den Arbeitgebern den Kampf ansagt?“, ruft er unter Beifall in den Saal. Sen Credo: „Wir brauchen keine Kampfbegriffe aus der sozialistischen Mottenkiste, um sich billigen Beifall auf Juso-Parteitagen abzuholen.“ Das wärmt die Parteiseele und kostet nichts.
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Der junge Parteichef aus Ehingen setzt dagegen das Motto „Freiheit und Verantwortung“, will einen Aufbruch im Land. „Die Menschen haben das Gefühl, dass der Staat nicht mehr funktioniert“, bemängelt er, zeichnet ein Bild von Arbeitslosen, entlassenen Bandarbeitern, leeren Kiosken vor Fabriktoren. Um das zu ändern, benötige man „Mut, wieder etwas zu versuchen, und nicht erst fünf Gutachten einholen“, so seine beklatschte Parole.
Klare Abgrenzung zur AfD, aber weniger scharfe Rhetorik
Kein Gerangel um Zuständigkeiten, Bund, Land oder EU, sagt der CDU-Chef: „Die Bürger schauen das mit großen Augen an wie einen Unfall. Die CDU-geführte Landesregierung wird für alles zuständig sein!“, verspricht er. Es sind viele Allgemeinplätze, konkrete landespolitische Aussagen soll es am Samstag geben. Die Parteitagsregie hat das bewusst aufgeteilt.
Nur in einem Punkt positioniert Hagel sich wie schon bei vergangenen Parteitagsreden eindeutig: „Die AfD ist unser Gegner, es geht um wir oder die!“ Es sind zwar Sätze, die man von ihm kennt: Die AfD wolle alles zerstören, was die CDU liebe. Er nennt sie allerdings nicht mehr „Vaterlandsverräter“, wie etwa auf dem vorletzten Parteitag, sondern „Kostümkonservative“, und allenfalls noch putinhörig.
Hagel will „goldene Brücken“ für die AfD-Wähler bauen
Eine leichte Abrüstung in der Rhetorik, denn Hagel will „goldene Brücken für die Wähler zurück in die Mitte“ bauen. Auch das ein bekanntes Bild, hinzu kommt das Versprechen: Keine Kooperation, keine Kollaboration mit der AfD. Auch hier freundlicher Applaus, obwohl so mancher im Landesverband das möglicherweise insgeheim anders sieht. Und Hagel weiß, dass das in Ostdeutschland deutlich schwieriger ist als im Südwesten.
Kaum ein Wort zu den Grünen – oder gar über Cem Özdemir, der überhaupt nicht vorkommt. Als wollte man den medial omnipräsenten Spitzenkandidaten durch Nichterwähnung marginalisieren. Hagel greift nur die Bundespartei der Grünen an, weil sie Winfried Kretschmann nicht verabschieden wolle auf einem Parteitag.
Nur Generalsekretär Tobias Voigt greift die Grünen ein wenig an
Den Wadenbeißer gibt – moderat – Generalsekretär Tobias Voigt, der dem grünen Verkehrsminister Winfried Hermann vorwirft, im Landtag gesagt zu haben, das Problem von Porsche sei, dass die Autos in Zuffenhausen produziert werden. Da wurde der einstige „Autoschreck“ von der CDU schon härter angegriffen.
Aber dass sind nur Spurenelemente der Anti-Grünen-Rhetorik, wie sie etwa der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder auffährt, der am Samstag erwartet wird als Redner. Es soll keine verbrannte Erde zurückbleiben, man könnte ja nach dem 9. März wieder aufeinander angewiesen sein als Koalitionspartner. Vielleicht auch eine geschickte Taktik – die Grünen zu ignorieren und einen Zweikampf um Platz 1 mit der AfD aufzurufen.
Es geht um die Mobilisierung der eigenen Anhänger
Hagel hat die Botschaft einer „Deutschlandkoalition“ aus CDU, SPD und FDP in den vergangenen Wochen bewusst gesetzt, auch schon um taktische Vorteile zu haben bei Verhandlungen. Aber die Mehrheit dafür wackelt, Schwarz-Grün ist immer noch die wahrscheinlichere Variante.
Es geht angesichts der festgefahrenen Umfragewerte vor allem drum, die eigenen Anhänger oder Sympathisanten zu motivieren. Und verloren gegangene Wähler von der AfD zurückzuholen. Aber Hagel setzt auf Aufbruch und Optimismus.
Der CDU-Fraktionschef erinnert an seine Griechenlandreise, wo er den Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis getroffen hat. „Die Konservativen wurden abgewählt, kamen mit einer Reformagenda zurück, und jetzt sind die Populisten ganz klein“, sagt der 37-Jährige. Genau so stellt er sich das auch vor: „Wir müssen bei unseren Themen bleiben: Wirtschaft, Bildung, Sicherheit.“ Alles könne man ändern, das die Botschaft, es soll Spaß machen, die Aufgaben anzupacken. Ein paar Anleihen aus Boris Palmers neustes Buch mit Lisa Federle zum Bürokratieabbau, und er rekurriert auf Palmers neuste Kritik, wonach der Landesdatenschutzbeauftragte untersagt habe, Jubilaren im Amtsblatt zu gratulieren (was dieser bestreitet).
Am Ende minutenlange Standing Ovations
Auch wenn weite Versatzstücke der Rede schon vielfach gehalten wurden, und mancher politische Beobachter die Floskeln vom „Land der Fleißigen“ nicht mehr hören können – im Saal kommt die Rede an, alle erheben sich, minutenlanger Applaus. Minister, Parteivorstände, alle strömen sie auf die Bühne, Hagel reckt die Arme zur Siegerpose oder faltet dankbar die Hände.
Sein Diktum „Das Erbe von Winfried Kretschmann ist bei uns in guten Händen“ greift er noch auf: „Winfried, du kannst beruhigt sein.“ Schließlich ist das „Erbe von Winfried Kretschmann“ das, worum es geht – Hagel und Özdemir ringen um die Mitte.
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Kaum ein Wort zu Cem Özdemir
Der Ex-Agrarminister und Ex-Grünenchef rückt im Wahlkampf so massiv in die Mitte und räumt Grünen-Positionen, dass sich die beiden Kandidaten oft kaum unterscheiden. Kurios genug, dass die Debatte über Wolf und Biber im Jagdgesetz aktuell die schärfste Kontroverse zwischen beiden zu sein scheint.
Die Partei ist erst mal zufrieden, am Samstag wird Hagel erneut über Details sprechen: Wirtschaft, Bildung, Sicherheit, wie geht das in Baden-Württemberg? Wird er dein Eindruck zerstreuen, er sei eher der Mann der großen Visionen und Reden, weniger der konkreten Details? Erst mal strömt die CDU-Familie zur Parteitagsparty, um sich auf Tag 2 einzustimmen.