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Arbeitszeit

Expertenbeitrag: Betrug bei Zeiteintragungen ist kein Kavaliersdelikt

Arbeitszeitbetrug kann zur Abmahnung oder gar Kündigung führen. Schwierig ist für Arbeitgeber aber oft der Nachweis, vor allem im Fall von Home-Office. Was alles zu beachten ist, erklärt Tim Gühring. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Stuttgart.
Ein Mann im Anzug lächelt vor unscharfem Hintergrund.

Tim Gühring ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Menold Bezler in Stuttgart.

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Stuttgart.  Eine zehnminütige Kaffeepause im Café gegenüber dem Arbeitsplatz oder Raucherpausen vor dem Betrieb – ohne „Ausstempeln“ – kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Arbeitszeitbetrug ist schwierig nachzuweisen, besonders bei Tätigkeiten im Homeoffice, da dort oft private Angelegenheiten nebenher erledigt werden. Gelingt dem Arbeitgeber der Nachweis, drohen aber erhebliche Konsequenzen.

Arbeitszeitbetrug ist vorsätzliche Täuschung über die erfasste Arbeitszeit . Es geht um Erschleichung von unberechtigtem Lohn. Dazu gehört etwa, dass jemand absichtlich falsche Angaben zu Beginn, Ende oder Pausen macht oder von Kollegen falsch stempeln lässt. Entsprechendes gilt, wenn man nicht erbrachte Überstunden schreibt oder Privates während der Arbeitszeit erledigt.

Sogar eine fristlose Kündigung ist häufig gerechtfertigt

Die Arbeitsgerichte bewerten vorsätzliche Täuschungen über die erfasste Arbeitszeit oft als wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinn von Paragraf 626 BGB. Gemäß Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können bereits kurze Täuschungen einen schweren, irreparablen Vertrauensbruch begründen. Auch eine lange Betriebszugehörigkeit oder fehlende Abmahnungen schließen eine Kündigung nicht per se aus. Die strafrechtliche Würdigung (Betrug, Paragraf 263 StGB) ist nicht entscheidend. Je nach Gewicht des Vorfalls sollte aber zu milderen Maßnahmen wie einer Abmahnung gegriffen werden, etwa bei einer ungestempelten Raucherpause.

Ab wann ist ein Verstoß zu viel? Das ist stark einzelfallabhängig. Ob Arbeitnehmer ausstempeln müssen, richtet sich nach den betrieblichen Regelungen. Die Schwere eines Verstoßes bewertet die Rechtsprechung vor allem anhand von Dauer und Häufigkeit. Der Gang zur Kaffeemaschine oder Toilette gilt in der Regel als sozialadäquat. Raucherpausen und private Gespräche sind hingegen formal keine Arbeitszeit, auch wenn sie dem Betriebsklima dienen.

Eine feste Bagatellgrenze gibt es nicht. In einem bemerkenswerten Fall bestätigte das LAG Hamm den Arbeitgebern das Recht zur fristlosen Kündigung, weil eine Mitarbeiterin zehn Minuten lang bei einem Café saß, ohne sich ordnungsgemäß auszuloggen — und dann versuchte, den Vorfall zu verschleiern (Az. 13 Sa 1007/22). Im Homeoffice gelten grundsätzlich dieselben Regeln, aber in dieser Situation ist für den Arbeitgeber praktisch kaum überprüfbar, ob und in welchem Umfang ein Arbeitnehmer Arbeits- oder Privattätigkeiten erbracht hat. Dazu gehören etwa Wäsche machen, Mittagessen kochen, Paketannahme. Zuletzt ging ein Fall durch die Medien, in dem ein Softwareentwickler mit Hilfe von KI mehrere Jahre bis zu sieben Jobs gleichzeitig bei großen IT-Unternehmen im Silicon Valley gehabt haben soll.

Eine schlechte Leistung ist nicht gleich Arbeitszeitbetrug

Langsames Arbeiten oder Leistungszurückhaltung („quiet quitting“) gilt nicht automatisch als Arbeitszeitbetrug. Vor einer Kündigung verlangen Gerichte regelmäßig eine erfolglose Abmahnung. Zudem gilt ein subjektiver Leistungsmaßstab.

Ähnlich verhält es sich beim privaten Surfen am Arbeitsplatz: Entscheidend sind Frequenz und Dauer. In exzessiven Fällen, in denen ein Arbeitnehmer viel Zeit auf beliebigen Websites verbrachte, hielt das BAG sogar eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung für möglich (Az. 2 AZR 581/04).

Erhebt ein Arbeitgeber rechtswidrig Daten, werden diese im arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozess nicht automatisch als Beweise ausgeschlossen. Das BAG hat klargestellt, dass eine widerrechtliche Überwachung nicht zwangsläufig zur Unverwertbarkeit führt (Az. 2 AZR 296/22). Trotzdem sollten Arbeitgeber bei Ermittlungen das Datenschutzrecht wahren — sonst drohen erhebliche Bußgelder seitens der Datenschutzbehörden.

Mitunter mussten Arbeitnehmer sogar die Kosten einer beauftragten Detektei übernehmen – vorausgesetzt, der Arbeitgeber hatte einen konkreten Verdacht auf eine erhebliche Pflichtverletzung, der sich später bestätigte. (BAG, Az. 8 AZR 276/20; LAG Köln, Az. 7 Sa 635/23).

Fazit: Arbeitgebern sind klare Regeln und die Sensibilisierung der Belegschaft zu empfehlen. Bei Verstößen sollten sie konsequent, aber verhältnismäßig reagieren.

Tim Gühring ist Rechtsanwalt in Stuttgart.

Arbeitszeiterfassung

Arbeitgeber müssen seit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom September 2022 die gesamte tägliche Arbeitszeit erfassen: also Beginn, Ende und Dauer. Diese Pflicht umfasst auch Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit. Pausenzeiten sollten ebenfalls dokumentiert werden. Der Arbeitgeber ist für die korrekte Umsetzung verantwortlich. Er kann diese Aufgabe allerdings an die Arbeitnehmer delegieren. Die Aufzeichnung hat digital oder handschriftlich zu erfolgen. Sie muss nachvollziehbar sein und für Behörden auf Anfrage verfügbar sein. (sta)

Arbeitszeitbetrug kann zur Abmahnung oder gar Kündigung führen. Schwierig ist für Arbeitgeber aber oft der Nachweis, vor allem im Fall von Home-Office.
IMAGO/Zoonar.com/Anastasiia Torianyk)

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