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FDP wirft Grünen eine „Operation Abendsonne“ vor

Sonnenuntergänge pflegen in der Regel rot zu sein. Doch politisch hat die FDP die Grünen im Verdacht.
dpa/imageBROKER/Mark Spowart)Stuttgart. Die FDP wirft den Grünen vor, in einer „ Operation Abendsonne “ vor der Landtagswahl 2026 noch möglichst viele Parteimitgliedern verbeamten zu wollen. Die vergangene Woche abgeblasene Erhöhung der Altersgrenze für neue Beamte von 42 auf 45 Jahre sei als Höhepunkt eines Dreiakters geplant gewesen, ende jedoch nun als Rohrkrepierer, weil die CDU-Fraktion dem Vorhaben nicht zugestimmt hat, so die innenpolitische Sprecherin der Liberalen, Julia Goll, am Mittwoch im Landtag. Zuvor habe das Staatsministerium bereits eine eigene Beamtenlaufbahn für Geistes- und Sozialwissenschaftler geschaffen. Anschließend seien im Doppelhaushalt 2025/2026 zahlreiche Stellen umgewandelt und angehoben worden.
Grüne: FDP bringt mit der Debatte „unsere Beamten in Verruf“
Ulli Hockenberger (CDU) begründete das Nein seine Fraktion damit, dass der Beamtenstatus keine Schnellschüsse vertrage. Die Frage, ob die Altersgrenze angehoben werden solle, müsse man gründlich durchdenken. Wichtig sei, dass das Verhältnis zwischen den Zeiträumen der Berufstätigkeit und der Pension noch stimme. Er warnte vor den Folgen einer Aufblähung der Ministerialbürokratie: „Es gibt einen wechselseitigen Zusammenhang zwischen der Zahl der Gesetze und der Zahl der Beamten.“
Peter Seimer (Grüne) warf der FDP vor, mit der von ihr beantragten Debatte „unsere Beamten in Verruf“ zu bringen, Misstrauen zu säen und so der Gewalt gegen sie Vorschub zu leisten – einen Vorwurf, den Goll entschieden zurückwies. Für Seimer ist die FDP nicht glaubwürdig, denn ihre Ministerien hätten im Bund kurz vor dem Platzen der Ampel in großem Stil Verbeamtungen beantragt, während sich die grün- und SPD-geführten Häuser zurückgehalten hätten. Bei den nun gestoppten Plänen gehe es darum, Seiteneinsteiger zu gewinnen, etwa Menschen, die in der freien Wirtschaft arbeiten und sich vorstellen können, ein naturwissenschaftliches Fach zu unterrichten.
Sascha Binder (SPD) beklagte eine „sehr undifferenzierte Debatte“. Er riet der FDP, sich vor die Beschäftigten zu stellen. Gleichzeitig verwies er darauf, dass Grün-Schwarz nicht den Vorschlag der SPD aufgegriffen habe, die neuen Stellen und Hebungen im Doppelhaushalt nicht vor der Landtagswahl zu nutzen, um jeden bösen Anschein zu vermeiden. Die Grünen hätten die Moral in der Politik in der Vergangenheit stets sehr hochgehalten. Neun Monate vor einer Landtagswahl nun die Altersgrenze zu erhöhen, sei diskussionswürdig.
AfD-Fraktionschef Anton Baron warf Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Wortbruch vor. Am Anfang seiner Amtszeit habe er sich noch für die Streichung von Beamtenstellen und die Kürzung der Pensionen eingesetzt. Stattdessen sei die Zahl der Beamten in den Ministerien um 50 Prozent gestiegen.
Als er von „antidemokratischen und totalitären Tendenzen des Parteienstaats“ und „einer außerparlamentarischen Hexenjagd“ sprach, griff Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) ein: „Dieser Parteienstaat ist nicht totalitär, und die Parteien sind im Grundgesetz geschützt.“ Baron ließ sich davon nicht bremsen. „Irgendwo scheint es so, dass die ganzen Beamtenstellen für die Unterdrückung Andersdenkender gebraucht werden“, sagte er und bezeichnete das Landesamt für Verfassungsschutz als „Landesamt für Regierungsschutz“. Dort würden mit jedem Haushalt neuen Stellen geschaffen, „um dem Phantom der Gefahr von rechts hier auch noch Leben einzuhauchen“.
Staatsminister bedauert, dass die Altersgrenze nicht angehoben wird
Staatsminister Jörg Krauss (Grüne) verteidigte die Personaloffensive der Staatskanzlei und die geplante Anhebung des Höchstalters für Beamte. Dass diese nun nicht komme, „bedauere ich persönlich sehr“. Ziel der Landesregierung sei es, „die klügsten Köpfe zu gewinnen und auch zu halten“. Dabei hätte die Aussicht auf eine Verbeamtung helfen können. Zumal die meisten Länder höhere Altersgrenzen als Baden-Württemberg hätten. Der Bund verbeamte sogar bis zum 50. Lebensjahr.
„Mit der Möglichkeit einer Verbeamtung hatten wir schon immer ein starkes Instrument, das bei der Personalgewinnung oftmals den Ausschlag gab“, sagte Krauss, der einräumte, dass der Staat gerade im IT-Bereich mit der freien Wirtschaft oft nicht mithalten könne.
Krauss präsentierte Zahlen, die aus seiner Sicht belegen, dass sich der Stellenzuwachs im baden-württembergischen Staatsministerium in Grenzen hält. Die Zahl der Stellen sei seit 2011, dem Jahr, in dem Kretschmann Ministerpräsident wurde, von 337,5 auf 380,5, also um 12,7 Prozent gestiegen. Im selben Zeitraum sei das Personal in den Staatskanzleien von Nordrhein-Westfalen und Bayern um 30 beziehungsweise 45 Prozent gewachsen.
Die Idee, die Altersgrenze auf 45 Jahre anzuheben, kommt ursprünglich aus dem von Thomas Strobl (CDU) geleiteten Innenministerium. Dies bestätigte sein Sprecher Carsten Dehner auf Nachfrage. Allerdings habe der Minister den Vorschlag nicht genehmigt, bevor er dem Staatsministerium weitergeleitet wurde, welches im Rahmen seiner Personalstrategie über 80 Ideen sammelte. Für Strobl komme die an sich gute Idee zur Unzeit. So kurz vor einer Wahl müsse jeder böse Anschein vermieden werden. Deshalb habe sich das Kabinett vergangene Woche gegen eine entsprechende Änderung der Landeshaushaltsordnung – dort ist die Altersgrenze geregelt – entschieden.