Debatten im Landtag vom 26. September 2012

Heftige Debatte über Polizeieinsatz bei Kurdenfest in Mannheim

Stuttgart. Die Krawalle am Rand eines kurdischen Kulturfests in Mannheim haben zu einer heftigen Debatte im Landtag geführt. Die CDU hatte die Debatte an diesem Mittwoch beantragt. Die Regierungsfraktionen warfen den Christdemokraten vor, die Vorfälle von Mannheim, bei denen 80 Polizisten verletzt wurden, für eigene politisch Zwecke zu instrumentalisieren. CDU-Innenextperte Thomas Blenke wehrte sich gegen […]

Stuttgart. Die Krawalle am Rand eines kurdischen Kulturfests in Mannheim haben zu einer heftigen Debatte im Landtag geführt. Die CDU hatte die Debatte an diesem Mittwoch beantragt. Die Regierungsfraktionen warfen den Christdemokraten vor, die Vorfälle von Mannheim, bei denen 80 Polizisten verletzt wurden, für eigene politisch Zwecke zu instrumentalisieren. CDU-Innenextperte Thomas Blenke wehrte sich gegen die Vorwürfe. Es sei Aufgabe der Opposition, in so einer Situation Fragen zu stellen und die Debatte in die Öffentlichkeit zu holen. Das Thema war zuvor bereits nicht öffentlich im Innenausschuss vor einer Woche diskutiert worden.
Blenke stellte die Frage, ob die Veranstaltung am 8. September mit rund 40 000 Teilnehmern vielleicht unterschätzt wurde. Innenminister Reinhold Gall (SPD) wies das zurück – die Krawalle seien nicht vorhersehbar gewesen. Bei der Planung seien im Vorfeld Erkenntnisse von Landes- und Bundeskriminalamt und des Verfassungsschutzes herangezogen worden. Auch sei die Medienberichterstattung mit zur Gefährdungsbewergung herangezogen worden ebenso wie man sich die Entwicklungen ähnlicher Kurdenfeste in anderen Großstädten angesehen habe. Der Veranstalter hatte aufgrund von Auflagen – die bei Veranstaltungen grundsätzlich üblich sind – 300 Ordner im und vor dem Gelände im Einsatz. Die Polizei war zunächst mit 800 Einsatzkräften vor Ort.
Nach dem das Fest über Stunden friedlich verlief, habe der Einsatzleiter nach und nach 500 Polizisten abgezogen. Eskaliert ist das bis dahin friedliche Fest, als Ordner des Veranstalters einem 14jährigen mit der Fahne der verbotenen kurdischen Partei PKK den Eintritt verweigerten. Sie riefen die Polizei zu Hilfe, weil sie allein mit der Situation nicht zurecht kamen. Die Polizeibeamten seien dann sofort und unerwartet etwa 150 gewaltbereiten Besuchern konfrontiert worden. Dabei wurden 80 Beamte verletzt. Schließlich habe die Polizei etwa 500 gewaltbereiten Besuchern gegenüber gestanden. Bereits abgezogene Polizisten wurden zurückgerufen. Einsatzkräfte aus Nachbarländern zusätzlich angefordert, schilderte Gall die Vorkommnisse.

Mehrzahl der Festbesucher war friedlich

Der Innenminister machte aber auch klar, dass die gewaltbereiten Besucher lediglich ein Sechzehntel der Festbesucher ausgemacht hätten. Die Mehrzahl sei friedlich gewesen. Er wies auch darauf hin, dass die türkischen Gemeinschaften sehr besonnen reagiert hätten und eine bereits geplante Veranstaltung abgesagt hätten, um nicht unnötig Öl ins Feuer zu gießen.
Im Vorfeld der Veranstaltung hatte es beriets Vorkommnisse bei einem Zug von 100 bis 150 Jugendlichen und jungen Erwachsenen kurdischer Abstammung von Straßburg nach Mannheim gegeben. Dieser war von der Versammlungsbehörde in Kehl genehmigt worden. In Mannheim wurde er aufgrund von Vorkommnissen wie Beschädigungen und Landfriedensbruch aufgelöst. Neun Personen wurden festgenommen.
Gall hat diese Informationen bereits im Innenausschuss des Landtags an die Abgeordneten weitergegeben. Der Grünen-Politiker Uli Sckerl sagte deshalb am Mittwoch, dort habe Innenminister Gall bereits ausführlich berichtet und erklärt, dass die Vorgänge untersucht würden und in absehbarer Zeit ein Bericht an den Ausschuss gehen werde. „Deswegen muss man nach dem Motiv Ihrer Debatte schon fragen“, sagte Sckerl in Richtung des CDU-Politikers Blenke. Auch der SPD-Innenexperte Nikolaos Sakellariou meinte: „Es ist bedauerlich, dass auf dem Rücken der verletzten Kollegen Politik gemacht wird.“ Es herrsche doch Einigkeit darüber, dass solche Gewaltausbrüche zu verurteilen seien.

Goll: Bericht ist nachvollziehbar

Ulrich Goll (FDP) nannte den Bericht des Innenministers „in den Details erschreckend“ aber „nachvollziehbar“. Er habe das Handeln der Polizei weitgehend schlüssig dargestellt. Er machte deutlich, dass der Landtag klarstellen müsse, dass die Polizei "Unterstützung von uns hat". Sonst werde bald niemand mehr bereit sein, diese Tätigkeit auszuüben. Die eigentliche Frage müsse lauten: Wie halten wir es mit dem Gewaltmonopol der Polizei? Goll wies darauf hin, dass seit Jahren über Gewalt gegen Polizisten geklagt werde.
Hingegen fragte Blenke, ob 800 Polizeibeamte für 40 000 Festivalbesucher ausreichend gewesen seien. „Es gab plötzlich brutalste Gewalt von Menschenmassen. Die Polizeibeamten wurden mit kilogrammschweren Betonblöcken beworfen.“ Bereits bei einem Marsch einiger hundert Jugendlicher in den Tagen zuvor von Straßburg nach Mannheim habe es Gewalttaten gegeben. Es sei daher zu fragen, welche Erkenntnisse der Polizeiführer, die Stadt Mannheim und der Verfassungsschutz vor dem Kurdenfestival gehabt hätten. „In der Summe geht es um die Frage: Wie kann die Landesregierung sicherstellen, dass so etwas nicht noch einmal passiert?“

Streit über Titel der Debatte

Bereits die Überschrift der Landtagsdebatte – „Kurdenkrawalle in Mannheim – Polizei als Freiwild?“ sorgte am Mittwoch für heftige Diskussionen. Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann beanstandete den Titel. Er diskreditiere die gesamte Volksgruppe der Kurden, weil er allen Kurden ein hohes Gewaltpotenzial unterstelle. Grünen-Politiker Sckerl attackierte die CDU mit den Worten: „Wir befinden uns im Landtag und nicht in den Redaktionsstuben eines Revolverblattes.“ Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) appellierte an die Verantwortung der Abgeordneten: „Wenn die Debatte eine Tendenz erkennen ließe, dass es hier darum gehe, Kurden pauschal vorzuverurteilen, würde ich eingreifen und den Verlauf dieser Debatte auch so nicht zulassen.“
Unterdessen gingen bei der Mannheimer Polizei erste Hinweise zu den Ausschreitungen über ein kürzlich geschaltete Telefon ein. Unter der Nummer 0621-104343 nimmt die Polizei weiterhin Zeugenaussagen und Hinweise zu Straftaten anonym entgegen. Das Angebot richte sich an Zeugen, die Angst haben, bedroht zu werden. Derzeit wertet eine 18-köpfige Ermittlungsgruppe die Filmaufnahmen von den Krawallen aus. Gall kündigte an, dass der Landtag über die Ergebnisse informiert wird. Zugleich stellte er klar, man die Personen identifizieren wolle und Straftäter dingfest machen werde. „Wer in unserem Land die Polizei angreift, muss mit entsprechenden Strafen rechnen", stellte Gall klar.

Quelle/Autor: schl/sta

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26. September 2012