Debatten im Landtag vom 11. und 12. Oktober 2017

Opposition kritisiert Doppelhaushalt der Regierung

Stuttgart. Knapp eine Woche nach der Einbringung des Doppelhaushalts 2018/19 in den Landtag haben am Mittwoch erstmals die Fraktionen über die Etatplanung der Landesregierung diskutiert. Während die Fraktionschefs Andreas Schwarz (Grüne) und Wolfgang Reinhart (CDU) die Vorlage von Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) positiv bewerteten, äußerten Jörg Meuthen (AfD), Andreas Stoch (SPD) und Hans-Ulrich Rülke (FDP) […]

Stuttgart. Knapp eine Woche nach der Einbringung des Doppelhaushalts 2018/19 in den Landtag haben am Mittwoch erstmals die Fraktionen über die Etatplanung der Landesregierung diskutiert. Während die Fraktionschefs Andreas Schwarz (Grüne) und Wolfgang Reinhart (CDU) die Vorlage von Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) positiv bewerteten, äußerten Jörg Meuthen (AfD), Andreas Stoch (SPD) und Hans-Ulrich Rülke (FDP) in der ersten Beratung scharfe Kritik am Staatshaushaltsplan. Alle wollten mehr, für eine gute Opposition sei dies zu wenig, reagierte Sitzmann auf Kritik und Vorwürfe der Opposition. Sie erwarte von AfD, SPD und FDP nun konkrete Vorschläge in den anstehenden Beratungen im Finanzausschuss sowie in der zweiten Lesung am 13., 14. und 15. Dezember im Landtag.
„Was wir versprochen haben, haben wir gehalten“, verteidigte die Ministerin den Haushaltsplan-Entwurf, den sie vor einer Woche vorgelegt hatte. Die Schuldentilgung könne umgesetzt werden. Zur Kritik an der weiteren Schaffung von Personalstellen sagte Sitzmann, die Zahl der Stellen würde „ungefähr gleich hoch“ bleiben, da auch Stellen wegfallen würden. Auch die Vorhaltungen, Grün-Schwarz vernachlässige finanziell die Kommunen, wies die Finanzministerin zurück. „Den Kommunen im Land geht es gut“, konstatierte sie und verwies auf ein „sattes Plus“ von 1,3 Milliarden Euro, mit dem Städte und Gemeinden nach der jüngsten Steuerschätzung rechnen könnten. Sitzmann erklärte, dass von jedem Euro, den das Land bekomme, 23 Cent an die Kommunen fließen.

Grüne: „Mit dem Haushalt setzen wir ein Signal“

Schwarz lobte den Doppelhaushalt mit einem Volumen von 48,47 Milliarden Euro in 2018 und 49,31 Milliarden Euro in 2019 als „innovativ, nachhaltig und generationengerecht“. Er lege das Fundament dafür, dass es den Menschen in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren „besser gehen wird“; der gesellschaftliche Zusammenhalt werde gestärkt und die ökologische Modernisierung vorangebracht. „Mit dem Haushalt setzen wir ein Signal.“ Als Trendwende bezeichnete Schwarz den Einstieg in die Tilgung von Kapitalmarktschulden; der Schuldenabbau beträgt fast 2,4 Milliarden Euro. 
Auch die Kommunen würden kräftig profitieren, durch den kommunalen Sanierungsfonds (381 Millionen Euro) oder die Fortsetzung des Gemeindeverkehrsfinanzierunggesetzes (160 Millionen Euro). Der Grünen-Fraktionschef sagte, intakte Natur und Umwelt stünden im Fokus seiner Partei. Weitere Schwerpunkte seien die Energiewende, Klimaschutz und Ressourcenschonung, aber auch die Digitalisierung, Mobilitätskonzepte, Wissenschaft und Forschung, Bildung und gesellschaftlicher Zusammenhalt.

CDU: Geld wird „klug und sicher“ für die Zukunft des Landes angelegt

Auch CDU-Fraktionschef Reinhart bewertete den Haushalt positiv; er mache das Land „stärker, sicherer, erfolgreicher, attraktiver und innovativer“. Das Geld werde nicht einfach ausgegeben, sondern „klug und sicher“ für die Zukunft des Landes angelegt. Deshalb habe der Etat die „richtige Balance, wegweisende Schwerpunkte und strategische Ziele“. Konkret sprach er die 1,65 Milliarden Euro für die Modernisierung von Brücken, Straßen, Hochschulen, Unikliniken, Gerichtsgebäuden und Polizeirevieren an. Zur Sanierung von Landesstraßen gebe es 2018 und 2019 jeweils weitere 100 Millionen Euro zusätzlich. Der Doppeletat sei ein Haushalt der „aktiven Generationen-Gerechtigkeit“, stellte Reinhart fest und verwies auf den Pensionsfonds, der bis 2019 auf 7,8 Milliarden Euro wachsen werde. Von 2020 an werde das Land für jede neue Beamtenstelle 1000 Euro monatlich zurücklegen. Zum ersten Mal seit 1969 zahle das Land effektiv Schulden (0,5 Milliarden Euro) zurück. „Wir machen den Landeshaushalt mit Blick auf die Schuldenbremse 2020 ehrlich und hinterlegen die ungedeckten Ausgaben der Zukunft mit echtem Geld, statt mit virtuellen Schulden“, sagte Reinhart. Mit fast 11,4 Milliarden Euro 2019 eile der Bildungsetat weiter von Rekord zu Rekord. Die konsequente Sicherheitspolitik dieser Koalition trag die „unverkennbare Handschrift der CDU“. 
Außerdem warnte Reinhart davor, die Länder in ihrer Eigenstaatlichkeit weiter auszuhöhlen. „Der Ausverkauf der föderalen Länderrechte darf nicht noch weitergehen. Wir wollen starke, eigenberechtigte und selbstbewusste Länder und keine Verwaltungsdepartements des Bundes.“ Föderalismus sei keine Folklore, sondern das Prinzip der Bundesrepublik schlechthin.

AfD kritisiert, zu geringe Schuldentilgung

Jörg Meuthen (AfD) attestierte Sitzmann ein „Phrasenfestival“ und Volksveräppelung. Trotz Rekordsteuereinnahme finde faktisch keine Schuldentilgung statt. Diese finde allenfalls im Schildkrötentempo statt. „Künftige Generationen bezahlen die Zeche“, konstatierte Meuthen die „verkorkste Haushaltspolitik“. Politik müsse das Morgen gestalten und nicht das Heute. Schlechte Zeiten würden kommen, prophezeite der AfD-Fraktionschef. Den anderen Fraktionen warf er eine „Selbstbereicherungs-Orgie“ für Abgeordnete und „dreiste Selbstbedienungsmentalität“ vor. Mit der AfD werde es eine weitere Steigerung der „üppigen Altersversorgung“ nicht geben. Die Bildungspläne der CDU seien mit dem Koalitionspartner Grüne nicht durchsetzbar. Er forderte die Stärkung des dreigliedrigen Schulsystems in Baden-Württemberg und sprach sich gegen die Gemeinschaftsschule aus. An den Gymnasien dürften keine Lehrer abgebaut werden. Meuten sprach auch von elitärer Bildungspolitik; wer Geld habe, entziehe seine Kinder dem staatlichen Schulsystem und schicke diese auf Privatschulen.
Meuthen sprach sich für eine bessere Förderung der Kommunen aus; der Staat schaffe Probleme und schiebe diese auf die Kommunen ab. So bringe zum Beispiel der Pakt für Integration den Kommunen lediglich einen finanziellen Ausgleich. Zum Wohnungsbau stellte er fest, Grunderwerb sei zunehmend unattraktiv und unerreichbar, durch Grunderwerbsteuer oder Überfrachtung der Landesbauordnung.

SPD fordert Investitionspaket in Höhe von 500 Euro

Die günstige Finanzsituation des Landes habe „gar nichts“ mit den Leistungen der Landesregierung zu tun, stellte Andreas Stoch (SPD) fest. Er kritisierte, erst durch den Kunstgriff, den Begriff der „implizierten Verschuldung“ inflationär für fast jede zusätzliche Ausgabe zu verwenden, drücke sich Grün-Schwarz vor der Verpflichtung, die Schulden des Landes (46,3 Milliarden Euro) zu senken. Irreführend seien auch die Ansagen von Schwarz und Reinhart, weitere Schulden von 1,5 Milliarden Euro durch das Streichen von Haushaltsresten zu tilgen. Hier gehe es um Schulden, „die es gar nicht gibt“. Er schlug vor, statt 0,5 Milliarden nun eine Milliarde Euro Kreditmarktschulden zu tilgen. Einsparungen nehme die Landesregierung nur bei der Mittelkürzung für die Kommunen und Landkreise vor sowie durch die Einführung von Studiengebühren für ausländische Studenten aus Nicht-EU-Ländern. „Der Vorwegabzug wurde wieder kräftig erhöht, die Kommunen verlieren richtig viel Geld“, rechnete er vor.
Er verlangte ein Investitionspaket in Höhe von 500 Mio. Euro für Schulen, 130 Millionen Euro für Krankenhäuser, 270 Millionen Euro für Wohnungsbauförderung und 100 Millionen Euro für den Nahverkehr sowie den Einstieg in die Gebührenfreiheit bei Kindertagesstätten, der alle jungen Familien entlaste. Stoch sagte, die Gemeinden hätten durch diesen kommunalfeindlichen Kurs das Vertrauen in diese Landesregierung verloren. Er kritisierte auch, dass Baden-Württemberg weniger für Bildung ausgibt, als dies im OECD-Durchschnitt der Fall ist. „Trotz voller Kassen haben Sie nicht nur keinen gemeinsamen Plan für die Zukunft unseres Landes, schlimmer noch, Sie verschließen die Augen vor den Sorgen und Nöten der Menschen und Kommunen“, kritisierte Stoch.

FDP fordert Schuldentilgung

Hans-Ulrich Rülke (FDP) attestierte der Finanzministerin eine „gewisse Selbstgefälligkeit“ und warf ihr „keine zukunftsfähige Haushaltspolitik“ vor. Er rechnete vor, dass der Landeshaushalt von 1996 bis 2011 nur von 31,8 auf 35,1 Milliarden Euro (10,3 Prozent) gestiegen sei, von 2011 bis 2019 aber von 35,1 auf 51,1 Milliarden Euro (45,6 Prozent) in der halben Zeit gestiegen sei. Gleichzeitig hätten sich die Steuereinnahmen von 23 auf 36,5 Milliarden Euro erhöht. „Sie blasen das Geld zum Fenster hinaus“, warf der Liberale der Regierung vor. Wann, wenn nicht jetzt, könne man wirksam Schulden tilgen? Nach alter Landeshaushaltsordnung müssten 4,22 Milliarden Euro Schulden getilgt werden. Rülke bemängelte, dass der Haushaltsplan-Entwurf „an vielen Stellen vorläufig ist“.
Mehrstellen im Regierungsapparat seien „Steuerverschwendung“ konstatierte er und bemängelte, dass „der letzte NABU-Mitarbeiter belohnt“ werde, weil er im Wahlkampf Handzettel verteilt habe. Das Märchen von implizierter Verschuldung sein klein solides Haushalten. Grün-Schwarz stelle sich als „Kommunalversteher“ dar, nehme den Kommunen aber 836 Millionen Euro weg und rühme sich dann, 136 Millionen Euro zurückzugeben.
Außerdem kritisierte der FDP-Fraktionschef, dass viele Ankündigungen von Sitzmann überhaupt nicht im Haushaltplan stünden. Im Bildungsbereich seien grundfalsche Weichenstellungen erfolgte, die völlig überstürzte Schulstrukturreform habe Unruhe geschaffen und zu Leistungsverlusten geführt. Trotz sinkender Nachfrage gehe die Privilegierung der Gemeinschaftsschule mit 1250 Stellen weiter, obwohl immer weniger leistungsstarke Schüler diese Schulart besuchen würden. Rülke kritisierte auch die Ausländer-Maut an Hochschulen; bei den Flüchtlingen forderten die Grünen den Familien-Nachzug, mit der Hochschulmaut schicken sie ausländische Studenten zu ihren Familien zurück. Obwohl 600 000 Wohnungen fehlen, gebe es kein Programm dafür. „Es fehlt nicht an Geld, sondern an Kompetenz“, lautete das Fazit des Liberalen.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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