Debatten im Landtag vom 26. Februar 2014

Rechnungshofchef legt Finger in die Wunde

Stuttgart. Max Munding hatte am Mittwoch leichtes Spiel. In seiner zweiten Runde vor dem Landtag fühlten sich er und sein Rechnungshof mit wieder „mit unseren Vorschlägen fraktionsübergreifend bei Ihnen gut aufgehoben“. Dies hielt den Präsidenten der Prüfungsbehörde bei der Behandlung der „Denkschrift 2013 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Baden-Württemberg“ freilich erneut nicht davon ab, […]

Stuttgart. Max Munding hatte am Mittwoch leichtes Spiel. In seiner zweiten Runde vor dem Landtag fühlten sich er und sein Rechnungshof mit wieder „mit unseren Vorschlägen fraktionsübergreifend bei Ihnen gut aufgehoben“. Dies hielt den Präsidenten der Prüfungsbehörde bei der Behandlung der „Denkschrift 2013 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Baden-Württemberg“ freilich erneut nicht davon ab, den Abgeordneten, vor allem denen der Regierungsfraktionen, sowie der Landesregierung die Leviten zu lesen. Mit weit über 40 Prozent Anteil am Landesetat seien die Personalkosten die Achillesferse des Haushalts, stellte Munding fest und mahnte erneut zum Stellenanbau: „Ein bloßes ‚Weiter so’ ist bei diesen Personalausgaben trotzdem nicht möglich.“
Munding urteilte, einen Anteil von 10 Prozent bei den Personalausgaben wie beim Bund oder von 25 Prozent wie bei den Kommunen sei von den Ländern nicht zu erreichen. Darin unterscheide sich das Land grundlegend von anderen Gebietskörperschaften. Die Kernaufgaben des Landes seien nun einmal personengebunden, von der Schule über die Wissenschaft hin zur Polizei oder zur Justiz. „Eine menschenleere Fabrik ist machbar, ein Klassenzimmer ohne Lehrer nicht“, verdeutlichte er. Deshalb kommt Grün-Rot aus Sicht des Rechnungshofes bei der Haushaltskonsolidierung „am Markstein Personalausgaben“ nicht vorbei.

Von 2008 bis heute sind 5500 Stellen hinzugekommen

Munding kritisierte, dass trotz aller Einspardiskussionen Baden-Württemberg über die Jahre hinweg „immer noch einen kontinuierlichen Stellenaufbau“, aber noch keinen Stellenabbau habe. Von 2008 bis heute seien 5500 Stellen hinzugekommen – 2800 im Kernhaushalt und 2700 in den Landesbetrieben. Auch die Zahl der kw-Stellen gehe hoch, und zwar von 11 000 auf 17 000. Würde ein Teil der kw-Stellen nicht fristgerecht abgebaut oder verlängert, erfordere dies neue zusätzliche Ausgaben. „Deshalb hält der Ministerpräsident zu Recht am Ziel des Abbaus von 11 600 Lehrerstellen fest“, lobt Munding den Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne). Er reklamierte ferner, keinen Gesetzentwurf ohne Angaben zu den Kosten und den Folgen zu verabschieden. Dabei spielte er explizit auf das neue Personalvertretungsgesetz an.
Bei der Aufgabenkritik nannte Munding als Beispiel das Polizeiorchester, das im Bereich der polizeifremden Aufgaben auf den Prüfstand gehört hätte. Auch der gesamte Bereich der Förderpolitik gehört für ihn dazu. Gerade bei den Förderprogrammen im Umfang von 980 Millionen Euro, die das Land selbst gestalten und beeinflussen kann, ist aus Sicht des Rechnungshofes eine gesetzliche Befristung notwendig. „Sie wäre auch ein Signal, dass Förderprogramme im Normalfall keine Dauereinrichtungen sein oder werden sollten", erklärte Munding. Überrascht zeigte er sich über die Haltung der  Landesregierung, die solche Befristungen jedoch nicht einführen will und kein Förderprogramm für verzichtbar und reduzierbar hält.

Kritik an Schaffung eines eigenen Rechenzentrums der Steuerverwaltung 

Munding sprach sich auch erneut für die IT-Bündelung aus, mit der jährlich 40 Millionen Euro gespart werden könnten. Da sich inzwischen die Ressort-Interessen wieder formieren und die Suche nach einem CIO auf sich warten lässt, rücke dieses Ziel in weite Ferne. „Einen Stillstand oder ein Rollback können wir uns nicht leisten“, urteilte der Präsident, der auch mit Sorge betrachtet, dass neben dem IT-Landesbetrieb „ohne Not“ ein eigenes Rechenzentrum der Steuerverwaltung installiert werden soll.
Die Behörde thematisierte auch die implizite Verschuldung im Landeshaushalt, wobei Munding an die Pensionsverpflichtungen, die notwendige Versorgung und die Rücklagenbildung im Auge hat. Auch den Sanierungsstau bei den Universitäten sowie die Brücken und Straßen nannte er als Beispiele. Munding richtete auch den Blick auf 2020, wenn drei Dinge zusammenkommen: Die Vorgabe der Nettonullverschuldung für die Länder, die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs und das Auslaufen der Bundesergänzungszuweisungen. Daraus ergeben sich aus seiner Sicht noch schwierigere Verhandlungspositionen für die drei Geberländer, also auch für Baden-Württemberg. Nennenswert entlasten könnte den Länderhaushalt dagegen die neun Milliarden Euro, die der Bund für Aufgaben wie Kita, Schule, Hochschule, Bildung und Forschung den Ländern zur Verfügung stellen wolle.
Bei den Abgeordneten aller Fraktionen erntete Munding Lob und Anerkennung. Reinhard Löffler (CDU) nutzte dessen Ausführungen zu einem Seitenhieb gegen Grün-Rot: „Für das Notwendige fehlt dieser Regierung die Traute und für das vielstimmige Wunschkonzert ideologischer Fantasien spielt Geld keine Rolle.“ Löffler griff den fehlenden Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD)’ an, der die Debatte „schwänze“ und ihr lieber „einen Spatenstich in der Ortenau“ vorziehe. Bei der Regierung treffe die Forderung, das Verschuldensverbot endlich in der Verfassung zu verankern, auf taube Ohren. Stattdessen erlaube sich das Land, bis 2019 8 Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen. Vor allem im Staatsministerium sitze das Geld locker. Er kritisierte auch, dass es bei Grün-Rot in zweieinhalb Jahren Regierungszeit mehr Sprungbeförderungen gab als in 58 Jahren CDU-geführter Regierung.
Muhterem Aras (Grüne) wies die Kritik zurück. Den Sanierungsstau habe die CDU verursacht. Grün-Rot werde die Nettonullverschuldung erreichen. Auch Klaus Maier (SPD) sieht keinen Grund zur Panik. Er forderte die Opposition auf, Sparvorschläge zu machen und nicht weiter „im Bremserhäuschen“ zu sitzen. Zudem forderte er Staatssekretär Ingo Rust (SPD) auf, in Sachen IT „aufs Gas zu drücken“. Hans-Ulrich Rülke (FDP) erneuerte seinen Vorwurf, Grün-Rot wolle keine Nettonullverschuldung, sondern stattdessen eine „Kriegskasse“ anlegen, um Geld für den Landtags-Wahlkampf zu bunkern. Staatssekretär Rust bedankte sich beim Rechnungshof für die „konstruktiven Vorschläge.“

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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26. Februar 2014