Debatten im Landtag vom 17. und 18. Juli 2019

Regierung und Opposition loben ehrenamtliches Engagement

Stuttgart. Die Landesregierung und die im Landtag vertretenen Fraktionen bewerten das Ehrenamt im Südwesten positiv und wollen dessen Zukunft stärken. „Baden-Württemberg ist das Land der Hilfsbereitschaft“, sagte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) am Mittwoch in der Debatte über die Große Anfrage von Grünen und CDU zur „Zukunft des Ehrenamts in Baden-Württemberg“. Zusammenhalt, Helfen und Unterstützen sei […]

Stuttgart. Die Landesregierung und die im Landtag vertretenen Fraktionen bewerten das Ehrenamt im Südwesten positiv und wollen dessen Zukunft stärken. „Baden-Württemberg ist das Land der Hilfsbereitschaft“, sagte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) am Mittwoch in der Debatte über die Große Anfrage von Grünen und CDU zur „Zukunft des Ehrenamts in Baden-Württemberg“. Zusammenhalt, Helfen und Unterstützen sei die Grundlage des Zusammenlebens.
Der Minister erwähnte exemplarisch die dritte Para-Meisterschaft der Leichtathleten am vergangenen Wochenende in Singen (Hohentwiel) als Beispiel für das „Zusammenwirken der unterschiedlichen Ebenen“. Hunderte Ehrenamtliche sei dort tätig gewesen und hätten gemeinsam mit Hauptamtlichen für den Erfolg gesorgt. Dies sei ein „Leistungsbeweis unserer Strategie“, konstatierte Lucha.
Lucha kündigte an, er und Staatssekretärin Bärbl Mielich (Grüne) würden künftig eine Ehrenamts-Tour zu mindestens 20 kommunalen Aktionen jährlich unternehmen, um die Aktionen im Land anzuerkennen. Auch die Strategie Quartier 2020 „Gemeinsam. Gestalten“ sei ein Erfolgsschlager. Diese unterstützt Gemeinden, Städte, Landkreise und zivilgesellschaftliche Akteure bei der alters- und generationengerechten Quartiersentwicklung. Ziel ist es, lebendige Quartiere zu gestalten.
Das Ehrenamt habe viele Gesichter, sagte Stefanie Seemann (Grüne). Auf vielen Tätigkeitsfeldern würden sich Menschen freiwillig und unbezahlt füreinander engagieren und somit das Zusammenleben fördern. Diese Mitmachgesellschaft sorge für Zusammenhalt und Miteinander in der Gesellschaft. Das Ehrenamt zu unterstützen sei „eine Herzensangelegenheit“. Seemann erklärte, die Landesregierung wolle vorhandene Strukturen stabilisieren, Gruppen miteinander vernetzen und durch Projekte weitere Impulse setzen. Die Förderprogramme im Land seien breit aufgestellt, die von Grünen und CDU getragene Regierung fördere das Ehrenamt und dessen Strukturen. Sie wies darauf hin, dass Freigrenzen für Zuwendungen erhöht und bürokratische Erleichterung geschaffen wurden.

Mehr als fünf Millionen Menschen ehrenamtlich tätig

Klaus Burger (CDU) wies darauf hin, dass sich mehr als fünf Millionen Menschen im Südwesten vielfältig ehrenamtlich engagieren. Dies sei mehr als ein Hobby, oft sehr arbeitsreich und mit Entbehrungen verbunden. Die Quote im ländlichen Raum sei mit 62,5 % höher als im Landesdurchschnitt (48,2 %). Solch freiwilliges Engagement sei „ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie“. Das Land habe Rahmenbedingungen ausgearbeitet und die Anerkennungsstrukturen gestärkt. Künftig müsste die Digitalisierung im Ehrenamt stärker genutzt und noch bessere Infrastrukturen geschaffen werden.
Auch Klaus Dürr (AfD) lobte das enorm hohe Engagement im Ehrenamt. Dieses sei im Sport sogar um das Zehnfache höher als im „Blaulicht-Bereich“. Er forderte das Innenministerium aus, die Rettungsdienste wie die Bergwacht im Schwarzwald und die DLRG am Bodensee stärker zu fördern. Außerdem kritisierte er die Regierungsfraktionen, den freiwilligen Polizeidienst „verhungern“ zu lassen. Dürr schlug zudem vor, ehrenamtlich Tätigen weiter Vergünstigungen zu ermöglichen, etwa freien Eintritt in mit öffentlichen Mitteln geförderten Einrichtungen.
Sabine Wölfle (SPD) vermutete hinter der Initiative von Grünen und CDU, „Eigenlob zu verbreiten“. Das hohe Engagement im Ehrenamt sei „schon lange so und nicht erst, seitdem Grüne und CDU regieren“. Gleichwohl würde ohne Ehrenamt, das „Rückgrat unserer Gesellschaft“, gar nichts laufen. Auch deshalb seien zwischen 2012 und 2014 klare Handlungsempfehlungen entstanden, die nun mit Leben gefüllt werden. Da Ehrenamt eben Ehrenamt sei, müsste auch künftig die Grenze zu bezahlten Tätigkeiten eingehalten werden: „Gegen eine höhere Übungsleiterpauschale spricht sicher nichts, wohl aber gegen Vergütungsformen und -höhen, die eigentlich einem ordentlichen Arbeitsverhältnis vorbehalten sind.“ Wölfle konstatierte, dass Rettungsdienste ohne die vom FSJ und BFD kommenden Auszubildenden nicht mehr handlungsfähig wären. Sie forderte auch, das Bildungszeitgesetz nicht zu schwächen; bezahlte Freistellungen im Bereich des Ehrenamts dürften nicht gestrichen werden.

Goll zu den Grünen: „Sie wollen Ehrenamt nur, wo es Ihnen passt“

Seine Anerkennung für das Ehrenamt verband Ulrich Goll (FDP) mit Kritik. Den Grünen warf der Liberale ein „gestörtes Verhältnis“ zum Ehrenamt vor: „Sie wollen Ehrenamt nur, wo es Ihnen passt.“  Dabei nahm er Bezug zur Grünen-Kommunalpolitikerin Ulrike Sturm, die für den Backnanger Gemeinderat, den Kreistag und die Regionalversammlung kandiert hatte und in alle drei Gremien gewählt wurde, aber ihr Kreistagsmandat nicht annehmen möchte. Als Negativbeispiel erwähnte der frühere Justizminister auch die Rückverstaatlichung der Bewährungshilfe gegen den ausdrücklichen Willen der Betroffenen; 600 Ehrenamtliche seien dort erfolgreich tätig gewesen. Auch der freiwillige Polizeidienst könne sehr nützlich sein. „Die Grünen wollen ihn abschaffen. Sie haben kein Verhältnis zur Polizei“, urteilte Goll. Auch Resozialisierung würde ohne Ehrenamt nicht funktionieren.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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17. und 18. Juli 2019