Debatten im Landtag vom 30. September und 1. Oktober 2015

Streit um Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz

Stuttgart. Die Änderung des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) stößt bei der Opposition im Landtag auf Widerstand. Nicole Razavi (CDU) bezeichnete den Gesetzentwurf als „kommunalfeindlich“. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hingegen sprach davon, dass „das zentrale Instrument zur Förderung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur im Land“ nun modernisiert und „ökologisch, nachhaltig und kommunalfreundlich ausgestaltet“ werde. Die Fördersätze im LGVFG wurden bereits […]

Stuttgart. Die Änderung des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) stößt bei der Opposition im Landtag auf Widerstand. Nicole Razavi (CDU) bezeichnete den Gesetzentwurf als „kommunalfeindlich“. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hingegen sprach davon, dass „das zentrale Instrument zur Förderung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur im Land“ nun modernisiert und „ökologisch, nachhaltig und kommunalfreundlich ausgestaltet“ werde.
Die Fördersätze im LGVFG wurden bereits zum 1. Januar 2014 von 75 auf 50 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten als Festbetragsförderung gesenkt. Dadurch soll laut Verkehrsministerium die Planbarkeit verbessert, Kostensteigerungen eingedämmt und mehr Projekte gefördert werden können.
Mit der nun anstehenden Novellierung kommen neue Fördertatbestände hinzu. Dazu zählt die Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr, die Vernetzung verschiedener Verkehrsträger, Radabstellanlagen, Fußgängerinfrastruktur oder elektronische Fahrscheine in Bussen und Bahnen und Lärmschutzmaßnahmen.
Aus dem LGVFG werden Infrastrukturvorhaben mit zuwendungsfähigen Kosten von unter 50 Millionen Euro gefördert. Das Land erhält dazu vom Bund nach dem Entflechtungsgesetz bis zum Jahr 2019 Kompensationszahlungen von jährlich rund 165,5 Millionen Euro. Davon gehen 40 Prozent in den kommunalen Straßenbau, 60 Prozent in den öffentlichen Nahverkehr, Rad- und Fußverkehr.

Zustimmung von Grünen und SPD

Zustimmung zu dem Gesetz kam von SPD und Grünen. Wolfgang Raufelder (Grüne) sprach von neuen Mobilitätsvorstellungen, die nun gefördert würden. „Wir sind froh über das Gesetz und die neuen Fördermöglichkeiten", sagte er. Auch Hans-Martin Haller (SPD) sprach sich für das Gesetz aus. Es sei sinnvoll, die Förderquote zu senken und eine Festbetragsregelung einzuführen. Dies bedeute, dass das Land für das gleiche Geld, mehr Projekte fördern könne. Die Frage, ob Kommunen für oder gegen die Änderung seien, hinge vor allem auch davon ab, wie groß ihre Chancen derzeit auf Förderung seien, wer auf Platz eins stehe, sei selbstverständlich dagegen, wer deutlich weiter hinten stehe, sei froh, dass er Geld bekomme. Auch erinnerte er die CDU daran, dass sie selbst 2008 die Einführung von Festbeträgen gefordert habe.
„Ihre Politik überfordert die Kommunen“, sagte Razavi. Durch die Absenkung der Förderquoten verdoppele sich faktisch der Eigenanteil der Kommunen beim kommunalen Straßenbau und bei ÖPNV-Vorhaben. „Das bedeutet das Aus für viele verkehrlich wichtige Projekte im ÖPNV und Straßenbau in den Gemeinden und Städten“, sagte sie. Erschwerend komme noch die Festbetragsförderung hinzu. "Das ist völlig praxisfremd, weil das Risiko von Kostensteigerungen, selbst wenn sie sich im Rahmen des Üblichen bewegen, einseitig voll auf die Kommunen übertragen wird", so Razavi.

Haußmann: Größere Projekte werden weniger wahrscheinlich

Jochen Haußmann FDP) hatte zwar grundsätzlich nichts gegen neue Fördertatbestände. Doch wenn man dies wolle, müsse man dies auch mit entsprechenden finanziellen Mitteln unterlegen. Er geht davon aus, dass durch die Absenkung der Förderquote und die Festbetragsregelung  „größere Projekte weniger wahrscheinlich werden". Er halte die Änderung „nicht für zielführend“, so Haußmann.
Auch Razavi machte deutlich, dass – da die Fördersumme von 165 Millionen Euro nicht erhöht wurde – nun eine höhere Anzahl von Maßnahmen zueinander in Konkurrenz stünde. Allein die Herstellung der völligen Barrierefreiheit werde Millionen kosten, die über das LGVFG in der jetzigen Form gar nicht mehr zur Verfügung stünden. Auch der gegenwärtige Zustand der kommunalen Straßeninfrastruktur gebe keinen Anlass, die Förderung zurückzuschrauben.

Kritik von Verbänden

Kritik kommt auch vom Städtetag Baden-Württemberg und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Beide Verbände wenden sich gegen die Absenkung der Förderquote. Beide Verbände halten zusätzliche Fördertatbestände, wie etwa die Barrierefreiheit zwar für sinnvoll. Dazu seien aber auch entsprechende Mittelerhöhungen notwendig. „Solange das Land keine eigenen Mittel für den barrierefreien Ausbau zur Verfügung stellt, wird es bei einer bloßen politischen Absichtserklärung bleiben", sagt der VDV-Landesvorsitzende Wolfgang Arnold.
Und  Gudrun Heute-Bluhm, Hauptgeschäftsführerin des Städtetags verweist darauf, dass die Zahlungen nach dem Entflechtungsgesetz 2019 auslaufen. Damit fehle den Kommunen schon jetzt die notwendige Planungssicherheit für wichtige Projekte, die in den nächsten Jahren realisiert werden müssten. Der Städtetag fordert daher ein entschiedenes Eintreten beim Bund für die Fortsetzung der Gemeindeverkehrsfinanzierung. „Sofern aber eine Einigung zwischen Bund und Ländern nicht oder nur teilweise möglich ist, erwarten wir eine tragfähige Lösung auf Landesebene, um den Ausbau und Erhalt der kommunalen Verkehrsinfrastruktur über 2019 hinaus abzusichern", so Heute-Bluhm. Minster Hermann erklärte in der Landtagsdebatte, das er auf eine Nachfolgeregelung hoffe. Wenn es die gebe, könne man auch darüber nachdenken, ob mehr als bisher gemacht werden könne, so Hermann.
Angesichts der Kritik der Verbände an dem Gesetz hatten CDU und FDP im Landtag eine öffentliche Anhörung gefordert. Haller hingegen sah dafür keinen Grund: Die Kritik liege vor. Die Argumente seien bekannt.

Quelle/Autor: schl

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 167,00 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesermeinungen

Bitte loggen Sie sich ein, um zu kommentieren.

30. September und 1. Oktober 2015