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Bachelorarbeiten aus den Verwaltungshochschulen

Gemeinderäte während Corona: Ein Eilentscheid ist nur in Ausnahmefällen möglich

Auch wenn Corona die Arbeit eines Gemeinderats erschwert: Nicht alle Möglichkeiten der Beschlussfassung können zum Einsatz kommen. Robin Lutz hat in seiner Bachelorarbeit erforscht, welche Instrumente der Beschlussfassung während einer Pandemie geeignet sind.

Die Corona-Pandemie hat die Arbeit der Gemeinderäte nicht einfacher gemacht - im Gegenteil. Beschlüsse zu fassen wurde zur Herausforderung.

dpa/Zoonar/Matej Kastelic)

KEHL. Die Corona-Pandemie beeinflusst seit März 2020 das Leben in Deutschland. Dies hat auch Auswirkungen auf die Sitzungen kommunaler Gremien. Mit der Präsenzsitzung, der Offenlage, dem Umlaufverfahren, dem Eilentscheidungsrecht des Bürgermeisters und der Videokonferenz gibt die Gemeindeordnung (kurz: GemO) den Gemeinderäten in Baden-Württemberg fünf Möglichkeiten vor, um Beschlüsse zu fassen. Die Bachelorarbeit überprüft und bewertet diese Möglichkeiten, mit Ausnahme der Offenlage, auf ihre Anwendbarkeit und Eignung während der Corona-Pandemie und ähnlichen Krisensituationen hin.

Durch die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen und Hygieneregelungen während der Hochphasen der Pandemie war insbesondere das Durchführen von Präsenzsitzungen erschwert. Viele Gemeinden haben zeitweise auf Sitzungen verzichtet, die Zahl der anwesenden Ratsmitglieder verringert oder Sitzungen in Hallen verlegt. Die Durchführung einer Sitzung unter diesen geänderten Rahmenbedingungen ist, sofern die Öffentlichkeit teilnehmen kann, rechtssicher möglich, und auch einzelne ausgefallene Sitzungen, wie zu Beginn der Pandemie, sind rechtlich unproblematisch. Lediglich eine Reduzierung der Ratsmitglieder ist nicht möglich, da dies einen unzulässigen Eingriff in deren Recht auf Sitzungsteilnahme darstellt.

Eilentscheid während Corona nur in Ausnahmefällen

Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Präsenzsitzung unter allen Umständen durchgeführt werden kann. Sie darf nur einberufen werden, wenn die Ratsmitglieder aufgrund der äußeren Umstände in ihrer Entscheidungsfindung und der Wahrnehmung ihrer Rechte nicht gehemmt werden. Daher ist es geboten, regelmäßig neu zu bewerten, ob und wie eine Sitzung in Präsenz coronakonform durchgeführt
werden kann.

Anders der Eilentscheid: Dieser kann nicht als Instrument zur Lösung der Schwierigkeiten in Bezug auf die Durchführung von Sitzungen während Corona verwendet werden. Durch langjährige Verwaltungspraxis und Rechtsprechung wurden die Grenzen dieses Instruments deutlich definiert. Die Corona-Pandemie kann diese Grenzen nicht erweitern.

Hier kann auch eine Vorberatung durch den Gemeinderat, wie es zu Beginn der Pandemie und vor Einführung der digitalen Sitzung nach § 37a GemO teilweise praktiziert wurde, nicht abhelfen. Die Vorberatung hilft zwar dabei, dass der Gemeinderat die Eilentscheidung mitträgt. Sie erweitert jedoch nicht den zulässigen Anwendungsbereich, sodass der Eilentscheid auch während der Corona-Pandemie nur in Ausnahmefällen genutzt werden kann.

Umlaufverfahren, wenn Eilentscheidung nicht möglich ist

Auch die Voraussetzungen für das Umlaufverfahren sind allein durch die Pandemie nicht erfüllt. Dieses Verfahren ist deshalb aber für Fälle geeignet, in denen eine Eilentscheidung nicht möglich ist, gleichzeitig aber eine Sitzung aus Gründen der Kontaktreduzierung zumindest kurzgehalten werden soll. Einfache, schnell erfassbare Themen können so aus dem „normalen“ Sitzungsablauf herausgehalten und dennoch
durch einen Ratsbeschluss getragen werden.

Rechtliche Unsicherheiten bei Videokonferenzen

Die digitale Sitzung nach § 37a GemO wurde vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie eingeführt. Auch wenn dieses Instrument einige Schwächen, insbesondere im Bereich der nonverbalen Kommunikation, aufweist und eine zielführende Anwendung abhängig von externen Faktoren, wie der Qualität der Internetverbindung, ist, hat sich die Videokonferenz als Alternative bewährt. Kritisch gesehen werden kann die Übertragung der Sitzung in einen öffentlichen Raum, die dem Ziel der Kontaktreduzierung zuwiderläuft. Es bestehen außerdem nach wie vor rechtliche Unsicherheiten bei der Prüfung der Voraussetzungen. Außerhalb von Hochphasen der Pandemie empfiehlt sich daher eine zurückhaltende Anwendung.

Abhängig vom Pandemiegeschehen können die Instrumente der Beschlussfassung also mal mehr, mal weniger geeignet sein. Das Idealbild bleibt zwar die Präsenzsitzung, die in manchen Fällen allerdings durch Umlaufbeschlüsse verkürzt oder, wenn möglich, durch eine Videokonferenz ersetzt werden sollte. Lediglich der Eilentscheid kann als Mittel zur Beschlussfassung während der Corona-Pandemie
nicht überzeugen.

Autor Robin Lutz wohnt im Landkreis Calw und hat im Februar 2022 seinen Abschluss an der Hochschule Kehl im Studiengang Public Management abgeschlossen. Seit März 2022 ist er bei der Gemeinde Pfalzgrafenweiler tätig.

„Für das Thema meiner Bachelorarbeit habe ich mich aufgrund der Aktualität der Frage entschieden. Durch die Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen wurde die klassische Gemeinderatssitzung in Präsenz im Ratssaal massiv erschwert und zeitweise fast unmöglich, Sitzungen als Videokonferenz waren zu Beginn der Pandemie aber noch nicht möglich“, erklärt er. „Viele Gemeinden wurden deshalb kreativ, haben Sitzungen im Freien oder mit einem verkleinerten Gremium, gegebenenfalls unter Zuschaltung der übrigen Mitglieder, abgehalten. Ich wollte mit meiner Arbeit herausfinden, welche Möglichkeiten die Gemeindeordnung den Gemeinderäten während der Corona-Pandemie bietet und ob die angewendeten alternativen Sitzungsmodelle auch rechtssichere Beschlüsse ermöglichen.“

E-Mail für Rückfragen: robin-lutz@t-online.de


Quelle/Autor: Robin Lutz

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