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Geografie

So segelte der Entdecker Heinrich Zimmermann aus Wiesloch um die Welt

Er segelte mit James Cook um die Welt: Heinrich Zimmermann aus Wiesloch. Sein Buch über die Reise dürfte der britischen Admiralität nicht gefallen haben, Kurfürst Carl Theodor aber berief den Weltenfahrer auf einen ehrenhaften Posten.

Der englische Maler William Hodges reiste mit James Cook zum Pazifischen Ozean und malte dieses Bild aus Tahiti.

imago images/AGB Photo)

Wiesloch. Abgeschabte Beinknochen, die rechte Hand und ein Stück vom Kopf – das war alles, was den Engländern von ihrem größten Entdecker blieb. Im Februar 1779 wurde James Cook bei einem Streit mit Indigenen erstochen. Der aus der Pfalz stammende Matrose Heinrich Zimmermann gehörte zu den Augenzeugen der Ereignisse. Sein Reisebericht ist eine spannende Quelle, die in einem Punkt von offiziellen britischen Darstellungen abweicht.

Als Zimmermann 1741 in Wiesloch geboren wird, redet dort noch niemand von Pazifik und Palmenstränden. Der Heranwachsende absolviert eine Lehre zum Gürtler, also Metallbildner, kommt aber nirgendwo unter. Über Frankreich gelangt der wandernde Geselle schließlich nach London, wo er in einer Zuckersiederei arbeitet. Doch der Migrant denkt über einen weiteren Jobwechsel nach. „Ich wollte“, schreibt er, „nach dem mir angebohrnen frischen Pfälzermuthe auch noch versuchen, wie es auf der See hergehe.“

Seine handwerklichen Fähigkeiten an Bord waren gefragt

Unter welchen Umständen er bei Cook anheuert, ist nicht überliefert. Offenbar sind seine handwerklichen Fähigkeiten an Bord gefragt. 1776 heißt es „Leinen los!“ Da die Briten ihre Handelsrouten vor den konkurrierenden Kolonialmächten geheim halten wollen, wird einfachen Besatzungsmitgliedern verboten, sich unterwegs Notizen zu machen. Trotzdem beginnt Zimmermann ein minutiös geführtes Tagebuch.

Über die Kanaren und das Kap der Guten Hoffnung segelt die Crew in den Pazifik. Zu den Stationen, die den Matrosen besonders beeindrucken, gehört Tahiti. Obwohl ihm die akademische Ausbildung fehlt, entwickelt er ein ethnologisches Gespür für Sitten und Kleidungsgewohnheiten fremder Gesellschaften. Unterschiede in den Körperbemalungen der verschiedenen polynesischen Völker fallen ihm sofort ins Auge.

Wie andere Europäer beobachtet auch der Deutsche die erotische Unverklemmtheit vieler Indigener, doch das Klischee von der sexuellen Freizügigkeit bestätigt sich ihm nicht überall. Auf Tongatapu erlebt er eine Hinrichtung wegen Ehebruchs. Vor allem darf sich Zimmermann rühmen, 1778 bei der Entdeckung Hawaiis dabei gewesen zu sein. Danach nimmt die Expedition Kurs auf Alaska, wo die eigentliche Mission der Reise wartet: die Suche nach der legendären Nordwestpassage zwischen Pazifik und Nordatlantik.

Doch Packeis zwingt Cook zur Umkehr. Zähneknirschend steuert er wieder Hawaii an, um hier zu überwintern. Dass sich die Stimmung des Kommandeurs verdüstert hat, entgeht auch dem deutschen Matrosen nicht.

Cook wollte den König als Geisel nehmen und stirbt

Als Hawaiianer ein Beiboot klauen, eskaliert die Lage. Cook will den König als Geisel nehmen. Eindringlich schildert Zimmermann, was in dem dabei entstehenden Handgemenge passiert: Der große Seefahrer verliert die Nerven. „Er schoß von seiner bei sich gehabten Flinte unter sie los. Einer, der gleich hinter Herrn Cook stand, stieß ihm einen eisernen Dolch zur rechten Schulter hinein, und vornen auf der linken Seite zum Herzen hinaus. Herr Cook fiel todt zur Erde.“ Die Leiche des Kapitäns wird von den Insulanern zerstückelt und ausgekocht.

Die britische Geschichtsschreibung betont meist das besonnene Verhalten von Kapitän Charles Clerke, dem nun das Kommando zufiel. Er soll auf brutale Strafaktionen verzichtet haben. Folgt man Zimmermann, reagierten die Engländer aber nicht maßvoll.

“Wir giengen gleich wieder an das Land, setzten die Hütten in Brand und schossen nieder, was uns vorkam“, schreibt er. „2 bis 300 Einwohner“ seien getötet worden. Damit hätte ein Massaker stattgefunden. Gut möglich, dass die britische Admiralität ein solches verschweigen wollte, um den Ruf des Nationalhelden nicht posthum zu beschädigen. Forschende streiten, was stimmt, doch ein Motiv, warum Zimmermann gelogen haben könnte, ist nicht ersichtlich.

In Deutschland wird das Buch Zimmermanns ‚von Wissloch in der Pfalz, Reise um die Welt, mit Capitain Cook‘, das 1781 erscheint, zum Bestseller. Auch Kurfürst Carl Theodor hörte von den Abenteuern seines Untertanen. Der pfälzische Landesherr, der seine Residenz von Mannheim nach München verlagert hatte, ehrte den Matrosen durch die Ernennung zum „Kurfürstlichen Leibschiffmeister“ am Starnberger See. Dort starb der Weltenfahrer 1805.

Der Entdecker James Cook und die Deutschen

Heinrich Zimmermann war nicht der erste Deutsche, der unter James Cook in See stach. Bereits an seiner zweiten Reise (1772-75) nahmen der preußische Botaniker Johann Reinhold Forster und sein Sohn Georg teil. Besonders für letzteren wurde die Expedition zu einem prägenden Erlebnis, das er in Buchform verarbeitete. Forsters „Voyage around the World“ erschien zunächst in englischer Sprache und gilt als Meilenstein der modernen Reiseliteratur.

Heinrich Zimmermann. Gemälde: Johann Georg Edlinger

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