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80 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg

Verlust der Heimat führte zu tiefsitzenden Traumata

Sie flohen aus Ostpreußen, Pommern oder dem Sudetenland gen Westen. Millionen Deutsche mussten im Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen. 80 Jahre nach Kriegsende erinnert der Landtag an die Vertriebenen.

Die Unterbringung, Versorgung und Integration der Heimatvertriebenen war eine der größten Herausforderungen der Nachkriegszeit.

imago/United Archives International)

Stuttgart. Mehr als 14 Millionen Deutsche waren ab Ende 1944 auf der Flucht. Viele erlebten auf dem langen Weg aus Osteuropa nach Deutschland Schreckliches: Erfrierungstod, Vergewaltigung, Hunger, totale Erschöpfung.

„Schon vor dem Kriegsende waren Menschen aus den deutschen Ostgebieten vor der Sowjetarmee auch nach Südwestdeutschland geflüchtet. Die Massentransporte der Heimatvertriebenen kamen aber seit Herbst 1945 an“, schreibt Reinhold Weber von der Landeszentrale für politische Bildung.

„Auf der Potsdamer Konferenz hatten sich die drei großen Siegermächte auf eine vertragliche Regelung zur ordnungsgemäßen Überführung deutscher Bevölkerungsteile geeinigt, wie die Vertreibung amtlich hieß. Sie lösten damit eine Welle zwangsweiser Migration in bislang unbekanntem Ausmaß aus, die die Aufnahmeländer völlig unvorbereitet traf“, heißt es dort weiter.

Doch wie erlebten die Vertriebenen, die ihre Heimat in Ost-und Mitteleuropa ab 1944 verlassen mussten, Flucht und Vertreibung? Welche Bedeutung hat die Heimat der Vorfahren und deren Erlebnisse für die Enkelgeneration? Und welche Lehren kann man aus diesen Erfahrungen ziehen?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine Veranstaltung des baden-württembergischen Landtags am 3. Juni zum Thema „80 Jahre nach Flucht und Vertreibung Wie aus Vertreibung Versöhnung wurde“ anlässlich des Endes des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945.

Hartmut Liebscher, Landesvorsitzender vom Bund der Vertriebenen (BdV), wird an diesem Tag für den Landesverband sprechen. Er selbst zählt sich zu der „Bekennergeneration“, also den Angehörigen und Nachfahren derer, die die Vertreibung erleben mussten.

„Wir fühlen uns im Verband als Anwalt und Brückenbauer“

„Meine Mutter musste als Kind aus Pommern fliehen“, erzählt Liebscher. Es geht ihm vor allem darum, die Erinnerung an die Heimat zu bewahren. „Andererseits fühlen wir uns im Verband als Anwalt und Brückenbauer der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler“, betont Liebscher. Schließlich habe das Thema Vertreibung durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ein neues Gewicht bekommen, sagt Liebscher, weil viele Ukrainer aus ihren Städten und Dörfern fliehen mussten. „Andererseits gibt es in der Ukraine noch eine kleine Zahl von Deutschen, die Bessarabier. Mit denen stehen wir in Kontakt und haben auch schon Hilfslieferungen nach Bessarabien gestartet“, so der BdV-Landesvorsitzende.

Zu den Referenten der Veranstaltung zählt auch Bernd Fabritius, Bundesvorsitzender der Heimatvertriebenen. Der Bundesverband hat das Jahr 2025 unter das Leitwort „80 Jahre: Erinnern – Bewahren – Gestalten“ gestellt. Damit wolle man einen Teil zur Erinnerung an das Ende des von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieges beitragen, „denn damit endeten auch das Menschheitsverbrechen des Holocaust und die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten“, betont Fabritius.

Eine der größten humanitären Katastrophen des 20. Jahrhunderts

Die Vertreibung gehöre „zu den größten humanitären Katastrophen des 20. Jahrhunderts“, sagt Fabritius. Für viele Betroffene seien Flucht, Vertreibung und die damit verbundenen Gewalterfahrungen zur Ursache tiefsitzender Traumata geworden. „Der Verlust der Heimat bedeutete nicht nur einen physischen und materiellen Verlust von Orten und Besitztümern. Er bedeutete ebenso einen emotionalen Verlust von Identität, Erinnerung und sozialem Gefüge“, betont der Bundesvorsitzende.

Die Unterbringung, Versorgung und Integration der Vertriebenen war eine der größten Herausforderungen der Nachkriegszeit. Im amerikanisch besetzten Württemberg-Baden kamen über eine halbe Million Flüchtlinge an, rund 321 000 waren es in Nordwürttemberg und 183 000 in Nordbaden.

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