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Reform des EU-Vergaberechts

EU-Parlamentarier wollen einfachere Regeln

Die Diskussion um die Reform des EU-Vergaberechts nimmt Fahrt auf. Mit großer Mehrheit stimmten die Abgeordneten in der Plenarwoche des EU-Parlaments dafür, dass die Regelungen weniger kompliziert aber zugleich rechtssicherer werden sollen. Zudem sollen keine zusätzlichen Vergabekriterien eingeführt werden, um weiteren Bürokratieaufwuchs zu vermeiden.
Vier EU-Flaggen wehen vor einem modernen Gebäude.

Die EU-Kommission plant, im Laufe des nächsten Jahres die aktuelle EU-Vergaberichtlinie zu überarbeiten.

dpa/Maksim Zabarovskii)

Stuttgart . Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz hat einen Initiativbericht zur geplanten Reform des EU-Vergaberechts vorgelegt. Diesen hat das Parlament am 9. September mehrheitlich angenommen. Die Abgeordneten fordern darin die EU-Kommission auf, das Vergaberecht zu vereinfachen und zu modernisieren. Ziel ist es, Kommunen und KMU zu entlasten.

Politische Ziele sollten nicht über das Vergaberecht umgesetzt werden

„Neue Vorschriften müssen auf ihre Auswirkungen auf kleine Unternehmen überprüft werden wenn sie kleinen Unternehmen die Teilnahme an Ausschreibungen erschweren, müssen sie geändert werden“, sagte Berichterstatter Piotr Müller von der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR, IMCO). Er warnte auch davor, das Vergaberecht zur Umsetzung politischer Ziele zu nutzen.

Das wird die EU-Kommission nicht gerne hören. Sie will öffentliche Auftraggeber verpflichten, neben dem Preis auch soziale, ökologische und innovationsfördernde Kriterien zu berücksichtigen. Laut Mehrheit im Parlament soll es jedoch keine verbindlichen Vorgaben dafür geben. Der Initiativbericht erkennt zwar die Bedeutung strategischer, ökologischer und sozialer Vergabekriterien an, setzt aber die Priorität auf Vereinfachung und Praxistauglichkeit.

Auch die baden-württembergischen Kommunalen Landesverbände lehnen die Einführung zusätzlicher verpflichtender Kriterien ab und wehren sich, die Vergabe weiter zu verkomplizieren. In einem Positionspapier stellen sie klar, dass die Kommunen bereits eine „nachhaltige und klimafreundliche Beschaffung auf Grundlage von EU-Vorgaben wie der EU-Ökodesign-Verordnung sowie der umfangreichen nationalen Umweltgesetzgebung“ betreiben. Diese stellten bei jedem Beschaffungsprozess die Grundlage für die Leistungsbeschreibung dar. Sie warnen vor einer bürokratischen Mehrbelastung für die Kommunen, sollte die EU-Kommission verpflichtende ESG-Kriterien einführen.

Angesichts gestiegener Kosten wird im Initiativbericht auch eine Erhöhung der EU-Schwellenwerte für europaweite Vergaben gefordert. Das würde den Kommunen entgegenkommen. „Damit können vermehrt einfachere und schnellere Vergaben nach nationalen Regelungen durchgeführt werden“, sagt Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU).

Doch die Hürden dafür sind hoch. Die EU-Schwellenwerte basieren auf Abkommen mit der Welthandelsorganisation (WTO). Sie werden in Genf in Sonderziehungsrechten (SDR) festgelegt und alle zwei Jahre durch die EU-Kommission angepasst – nicht politisch, sondern durch ein mathematisches Verfahren, das Wechselkursschwankungen berücksichtigt.

Geringe Chancen für höhere EU-Schwellenwerte

Experten schätzen die Aussicht auf höhere Schwellenwerte jedoch als gering ein: Dies müsste auf WTO-Ebene initiiert werden, was angesichts des aktuellen Zustands der WTO langwierig und schwierig wäre. Selbst wenn so etwas angestoßen würde, würde es wohl mindestens zehn Jahre dauern, bis es umgesetzt wäre.

Für inakzeptabel hält die Bauindustrie die vom EU-Parlament vorgeschlagene generelle Pflicht, Aufträge in Lose zu unterteilen. Nur bei klar nachweisbaren technologischen oder wirtschaftlichen Gründen soll es dafür Ausnahmen geben. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hält dagegen: „Gerade bei komplexen Vorhaben kann eine koordinierte Gesamtvergabe Effizienz, Qualität und Termintreue deutlich verbessern.“ Die Pläne des EU-Parlaments würden dies jedoch einschränken.

Ermessensspielraum bei Losaufteilung für Auftraggeber

Dem Bauverband zufolge habe der EU-Gesetzgeber in der aktuellen EU-Vergaberichtlinie (2014/24/EU) „einen ausgezeichneten Kompromiss“ gefunden: „Die öffentlichen Auftraggeber können Größe und Gegenstand der Lose eines Auftrags frei bestimmen. Sie sind in diesem Kontext zwar zur Prüfung verpflichtet, ob eine Losaufteilung sinnvoll sein könnte, sie können aber nach eigenem Ermessen autonom über die Größe der Lose entscheiden, ohne einer administrativen oder gerichtlichen Kontrolle zu unterstehen.“

Die Architekten fordern dagegen eine „verbindliche losweise Vergabe“. Die Bundesarchitektenkammer (BAK) argumentiert, dass gerade für kleine Büros damit die Chance auf Aufträge gewahrt bliebe.

BAK-Präsidentin Andrea Gebhard fordert von der EU-Kommission „realistische Zugänge für kleine und sehr kleine Büros“. Dazu sei auch eine „klare Vereinfachung der Eignungs- und Nachweispflichten“ nötig. Sie plädiert für „Qualität vor Preis.“ Architektur sei kein Massenprodukt, so Gebhard. Vergaben müssten „Planungsqualität und gesellschaftlichen Mehrwert sichern – nicht die billigste Lösung“.

Reform soll 2026 kommen

Die EU-Kommission plant, im Laufe des nächsten Jahres die aktuelle EU-Vergaberichtlinie (2014/24/EU) zu überarbeiten; eine entsprechende Gesetzesinitiative wird für das dritte Quartal 2026 erwartet. Das EU-Parlament hat im Vorfeld einen eigenen Initiativbericht erarbeitet, um bereits vor dem Beginn des Gesetzgebungsprozesses eine erste unverbindliche Positionsbestimmung vorzunehmen. Dieser wurde am 9. September vom EU-Parlament angenommen. Im vierten Quartal 2025 plant die Kommission, eine öffentliche Konsultation zur anstehenden Reform abzuhalten.

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