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Gegen Vergaberecht verstoßen

Gemeindeprüfer decken Missstände in Rottweil auf

Die Gemeindeprüfungsanstalt hat die Bauausgaben der Stadt Rottweil unter die Lupe genommen – und Mängel festgestellt. So stießen die Prüfer auf dokumentarische Lücken in Bauakten und Verstöße gegen das Vergaberecht. Die Stadtverwaltung reagiert und will die Mängel abstellen.

Mittelalterliche Türme, Fachwerkhäuser und das berühmte Schwarze Tor: Die Stadt Rottweil mit knapp 25 000 Einwohnern kämpft wie viele Kommunen im Land mit aufwendigen Vergabeverfahren.

IMAGO/imageBROKER/Manuel Kamuf)

Stuttgart . Oberbürgermeister Christian Ruf (CDU) musste vor dem Gemeinderat einräumen: „Die Stadtverwaltung wurde geprüft. Und die Prüfer sind tatsächlich auch fündig geworden.“ So hatte die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (GPA) etwa eine „nicht immer vollständige“ und „unübersichtliche“ Führung der Bauakten festgestellt. Dabei stieß sie auf unterschiedliche Ablagestrukturen – eine Mischung aus Papier-, digitalen und Hybridakten. Auf diese Weise seien Projektunterlagen häufig unvollständig und nicht mehr prüffähig gewesen.

Die Stadt räumt die Mängel ein und verweist auf technische Einschränkungen des eingesetzten Dokumentenmanagementsystems , das nicht für Baupläne nutzbar sei. Deshalb seien die Akten an unterschiedlichen Orten digital oder in Papierform abgelegt worden. Man wolle daher auf ein anderes Programm umstellen.

Die Zuverlässigkeit von Bietern wurde nicht überprüft

Überdies beanstandeten die Prüfer, dass Auskünfte aus dem Gewerbezentralregister vor Vergaben nicht regelmäßig eingeholt worden seien. Grundsätzlich sind öffentliche Auftraggeber bei Auftragswerten ab einer Höhe von 30 000 Euro ohne Umsatzsteuer verpflichtet, die Zuverlässigkeit von Bietern vor Zuschlagserteilung zu prüfen – etwa im Hinblick auf strafrechtliche Verurteilungen oder Bußgeldentscheidungen. Seit Juni 2022 ist diese Praxis durch die Abfrage des Wettbewerbsregisters ersetzt worden. Jetzt werden solche Abfragen von der Zentralen Vergabestelle der Stadt durchgeführt.

Zu Kritik führte auch die Vergabedokumentation. Ausschreibungen und Vergabeverfahren waren nicht durchgängig nachvollziehbar dokumentiert. Insbesondere bei elektronischen Verfahren fehlten wesentliche Unterlagen. Bei der Vergabedokumentation gelobte man Besserung: Die Verwaltung verspricht, künftig alle Dokumentationen nach Dienstanweisung zu erstellen.

Für Stundenlohnarbeiten fehlen schriftliche Vereinbarungen

Die Prüfer beanstandeten zudem, dass Leistungen bei zahlreichen Bauprojekten auf Stundenlohnbasis abgerechnet worden seien, ohne dass zuvor schriftliche Vereinbarungen getroffen worden seien. Es hätten zwar Positionen im Titel „Stundenlohnarbeiten“ vorgelegen, die aber „nur den Charakter von Bedarfspositionen oder von Preislisten“ gehabt hätten, „denen im Gegensatz zu den Leistungspositionen noch keine konkreten Bauleistungen zugrunde gelegen haben.“ Die Gemeindeprüfungsanstalt führt an, dass auf diese Weise keine wirksame Kostenkontrolle möglich sei. Auch hier zeigt sich die Stadtverwaltung einsichtig: „Wir werden künftig separate Stundenlohnvereinbarungen abschließen.“ Des Weiteren deckten die Prüfer vergaberechtliche Verstöße bei Anschlussaufträgen auf. So seien Bauleistungen freihändig vergeben worden, obwohl die Voraussetzungen für solche Verfahren nicht erfüllt waren. Auch ein Nebenangebot wurde beauftragt, ohne dass Wirtschaftlichkeit oder technische Umsetzung ausreichend geprüft wurden.

Die Stadt Rottweil will beanstandete Mängel abstellen

Ein weiterer Kritikpunkt: Ingenieurverträge, die über dem EU-Schwellenwert lagen, wurden nicht EU-weit ausgeschrieben. Um beurteilen zu können, ob der EU-Schwellenwert erreicht oder überschritten ist, muss rechtzeitig vor der Einleitung des Vergabeverfahrens eine Schätzung des Auftragswerts nach Paragraf 3 Vergabeverordnung vorgenommen werden. Um die Einhaltung der Schwellenwerte bei EU-Vergaben künftig sicherzustellen, hat die Stadt eine neue Regelung eingeführt. „Erst wenn die Summe aller relevanten Kosten dokumentiert wurde, soll in Rücksprache mit dem Rechnungsprüfungsamt die regelkonforme Form der Vergabe festgelegt werden.“

GPA-Präsidentin Berndt-Eberle: Wir stellen regelmäßig wiederkehrende Problemfelder fest

Die Gemeindeprüfungsanstalt stellt bei ihren Prüfungen in baden-württembergischen Kommunen regelmäßig wiederkehrende Problemfelder fest. Das bestätigt Monika Berndt-Eberle, Präsidentin der Behörde in Karlsruhe. Ein zentrales Thema ist etwa die Dokumentation von Vergabeverfahren: Die Bewertung der Angebote müsse stets transparent und nachvollziehbar erfolgen, betont Berndt-Eberle. Auch die Führung der Bauakten bereitet den Prüfern häufig Schwierigkeiten. Unterlagen seien oft unübersichtlich oder nicht auffindbar, was die Prüfung erheblich erschwere, erklärt die GPA-Chefin. Zudem werde regelmäßig versäumt, Auskünfte aus dem Wettbewerbsregister gemäß Paragraf 6 Absatz 1 Satz 1 des Wettbewerbsregistergesetzes einzuholen.

„Die Stadt Rottweil schaut nun nach vorn und wird die Mängel abstellen“, sagte ein Sprecher der Stadt und macht deutlich: „Das Vergaberecht in seiner Komplexität bindet erheblich Personal. Gerade kleinere Kommunen mit dünner Personaldecke stoßen hier an Grenzen.“ Vergleichbare Mängel dürfte es nach Ansicht des Sprechers in vielen weiteren Kommunen in Baden-Württemberg geben. „Im Sinne der Entbürokratisierung wären hier Erleichterungen und Vereinfachungen wünschenswert.“

Stadt zieht Konsequenzen

Die Stadtverwaltung zieht aus der Prüfung klare Konsequenzen: Sie will die internen Abläufe bei der Vergabe und Dokumentation von Bauleistungen reformieren. Zudem sollen technische Systeme modernisiert und die Aktenführung vereinheitlicht werden. Die Einhaltung des Vergaberechts wird künftig stärker kontrolliert – auch durch das Rechnungsprüfungsamt. Bei Planungsleistungen wird künftig frühzeitig geprüft, ob eine EU-weite Ausschreibung notwendig ist.

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