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Wettbewerb in der Abfallwirtschaft

Hoher Preisdruck macht kleinen Entsorgern zu schaffen

Auf dem Markt der Abfallentsorgung herrscht in Deutschland und Baden-Württemberg ein intensiver Preiswettbewerb. Große Konzerne dominieren zunehmend den Markt. Kleine inhabergeführte Familienbetriebe verschwinden zunehmend. Ein Unternehmer aus Wendlingen bei Esslingen kämpft für faire Ausschreibungen.
Person in orange Arbeitskleidung zieht Müllcontainer über Straße.

Bei der Vergabe von 
Aufträgen für die Müllabfuhr sehen sich Mittelständler gegenüber großen Konzernen im Nachteil.

Imago/stock&people)

Wendlingen. „Den Betrieb hat mein Großvater nach dem Krieg aufgebaut“, erzählt Philipp Heilemann. Der Geschäftsführer eines Entsorgungsbetriebs in Wendlingen ist mit seinen rund hundert Mitarbeitern hauptsächlich in den Landkreisen Esslingen und Göppingen aktiv. Hinzu kommen Gewerbekunden in Stuttgart, Böblingen, Reutlingen und Tübingen.

Doch gerade kleinere Anbieter wie Heilemann geraten zunehmend unter Druck. „Die Misere begann mit den europaweiten Ausschreibungen“, sagt der Unternehmer. „Davon sind mittelständische Betriebe massiv belastet. Am Ende gewinnt meist der Billigste, nicht der Preiswerteste.“ Die Folge: Traditionsreiche Familienunternehmen verschwinden.

Bei nicht geleerten Mülleimern drohen Strafen

In der Tat haben große Entsorgungskonzerne wie Remondis, Veolia oder Alba in den letzten Jahren ihre Marktposition durch Übernahmen und Zusammenschlüsse weiter ausgebaut. Skalenvorteile machen es ihnen leicht, bei Ausschreibungen erfolgreich zu sein. Heilemann versucht seit Jahren, bei den ausschreibenden Stellen Gehör für die Nöte der kleinen Anbieter zu finden.

„Die merken inzwischen selbst, dass die Zahl der Wettbewerber abgenommen hat. Der Wettbewerb ist zwar intensiv, aber weniger vielfältig.“ Die Folgen sind aus Sicht von Philipp Heilemann längst augenfällig: Verspätete Müllabfuhr, fehlendes Personal, mangelhafte Leistungen.

Großunternehmen setzen Personal aus Osteuropa ein

Heilemann beobachtet, dass Wettbewerber mittlerweile von weit herkommen. „Die bringen ihre Fahrzeuge her, mieten einen Schotterplatz an und fahren dann hier. Die Beschäftigten kommen häufig aus Osteuropa und werden in einem Wohncontainer untergebracht“, erzählt er.

„Wir haben überall Schlechtleistungen. Deshalb enthalten Ausschreibungen inzwischen Strafkataloge – für jeden nicht geleerten Mülleimer drohen Sanktionen“, sagt der Familienunternehmer.

Mittlerweile wünscht sich der Unternehmer Qualitätsausschreibungen. Paragraf 127 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) regelt, dass der Zuschlag an das wirtschaftlichste Angebot gehen muss. „Ich interpretiere das so, dass man nicht den Billigsten nimmt, sondern das beste Preis-Leistungs-Verhältnis“, sagt er. „Das sichert mir dann auch über Paragraf 58 der Vergabeverordnung (VgV) gewisse Qualitätskriterien zu.“

Mittelständler wünscht sich mehr Qualitätskriterien

Heilemann wünscht sich Qualitätsausschreibungen und eine stärkere Gewichtung von Kriterien wie der technischen Leistungsfähigkeit, Servicekonzepten, Ersatzfahrzeuge und Ersatzpersonal, die Qualifikation des eingesetzten Personals, Innovationen, fairen Arbeitsbedingungen bis hin zu Umweltstandards. Es gebe Gestaltungsmöglichkeiten, die eine ausschreibende Stelle hat. „Man kann Lose so zuschneiden, dass es für Unternehmen, die im Landkreis ansässig sind, attraktiv wird, dass man den Standortvorteil ausspielen kann“, meint Heilemann.

Der Unternehmer beschäftigt in seinem Betrieb fünf schwerbehinderte Menschen. „Solche Faktoren müssten berücksichtigt werden“, fordert er für die Ausschreibungen von Entsorgungsleistungen. Dagegen würden große Anbieter mittlerweile Personal aus Osteuropa rekrutieren, in Containern unterbringen. „Das ist weder sozial noch nachhaltig.“

Das Wendlinger Familienunternehmen unterhält auch einen eigenen Werkstattbetrieb, wo die Fahrzeuge gewartet werden, hat sogar eine eigene Waschstraße für die Lastwagen. Das kostet alles Geld. „Unser Verwaltungsanteil ist wesentlich höher als der großer Anbieter“, betont er. Viele Betriebe hätten wegen des Preisdrucks inzwischen aufgegeben. Zum Leidwesen der ausschreibenden Stellen sei der Anbietermarkt geschrumpft.

Machtkonzentration in der Entsorgungsbranche

Auch Katja Deschner, Vorsitzende der Landesgruppe Baden-Württemberg der Sparte Abfallwirtschaft im Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und zugleich Vorständin des kommunalen Entsorgers AVR Kommunal AöR in Sinsheim im Rhein-Neckar-Kreis, beobachtet eine Marktkonzentration in der Entsorgungsbranche. „Man hört, dass sich der Markt ausgedünnt hat. Dass der Wettbewerb abgenommen habe, liegt aber nicht an den Ausschreibungsmodalitäten“, betont Deschner. Das liege auch daran, dass es bei mittelständischen Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen zu Unternehmensverkäufen und -übernahmen gekommen sei: fehlende Nachfolge, keine Lust mehr, was auch immer. Dadurch sei der Markt der Anbieter kleiner geworden.

Die kommunalen Unternehmen nehmen an diesem Wettbewerb selbst nicht teil. „Wir schreiben die Dienstleistungen entweder selbst aus oder erbringen sie in Eigenregie“, erläutert Deschner. Öffentliche Ausschreibungen für Entsorgungsdienstleistungen orientierten sich ihrer Ansicht nach nie ausschließlich am Preis. „Es gibt sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien. Ich gehe davon aus, dass alle Ausschreibungen beides berücksichtigen.“

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