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Expertenbeitrag: Holzbau

Wettbewerb um die beste Lösung statt um den Preis

Die öffentliche Hand hat die Vorzüge des Holzbaus für ihre Bauprojekte erkannt. Im Vergabeverfahren müssen öffentliche Auftraggeber allerdings die Besonderheiten der Bauweise von Beginn an berücksichtigen. Dazu gehört eine gewerkeübergreifende Betrachtung des Vorhabens.

Holzbauprojekte erfordern häufig eine gewerkeübergreifende Betrachtung, was bei der Leistungsbeschreibung berücksichtigt werden muss.

IMAGO/Westend61/Christian Vorhofer)

Stuttgart . Beim Holzbau steht der Aspekt des ressourcenschonenden Bauens mit nachwachsenden Rohstoffen im Vordergrund. Doch auch der hohe Vorfertigungsgrad mit effizienten Bauabläufen und der Möglichkeit des „seriellen Bauens“ machen diese Form des Bauens für Landkreise und Kommunen attraktiv. Dabei können auch Großprojekte in Holz-(Hybrid-) bauweise umgesetzt werden, wie das „Bildungshaus Neckarpark“ der Stadt Stuttgart mit einem Projektvolumen von über 90 Millionen Euro beweist.

Besonderheiten des Holzbaus frühzeitig einbeziehen

Während Kommunen und Landkreise mit Bauprojekten in „klassischer“ Form recht routiniert umgehen, betreten sie bei Holzbau-Projekten häufig Neuland. Um die Besonderheiten sowie mögliche Projektrisiken zu erkennen, empfiehlt sich eine frühzeitige Markterkundung. In Gesprächen mit erfahrenen Bauunternehmen kann etwa eruiert werden, ob das Bauvolumen und die vorgesehene Nutzung sich für eine Holz- oder Holz-Hybrid-Bauweise eignen. Auch spezifische Rahmenbedingungen, die eine besonders wirtschaftliche Umsetzung ermöglichen, lassen sich am besten mit erfahrenen Experten bereits vor dem eigentlichen Projektstart identifizieren.

Im Vergabeverfahren müssen öffentliche Auftraggeber die Besonderheiten des Holzbaus von Beginn an berücksichtigen. Dies umfasst schon die grundlegende Vergabe- und Realisierungskonzeption. Die öffentliche Hand setzt ihre Bauvorhaben klassischerweise in „Einzelgewerken“ um. Ein Holzbau-Projekt erfordert hingegen häufig eine gewerkeübergreifende Betrachtung. Dies ermöglicht Spielräume in der Leistungsbeschreibung, um marktverengende „Zwangspunkte“ zu vermeiden. Nur so können Holzbauunternehmen ihre individuellen Fertigungsprozesse auf das jeweilige Bauprojekt übertragen.

Durch eine eher funktional gehaltene Leistungsbeschreibung kann das Know-how der ausführenden Unternehmen sehr früh in den Planungsprozess einfließen. Die funktionale Leistungsbeschreibung ermöglicht eine konstruktionsneutrale Beschreibung der Bauaufgabe und verknüpft dabei Planungs- und Bauleistungen in einem einheitlichen Vergabeverfahren. An die Stelle eines Wettbewerbs um den niedrigsten Preis tritt ein Wettbewerb um die beste Lösung. Hierbei lässt sich sogar ein Planungswettbewerb mit unterschiedlichen architektonischen Entwürfen in das Vergabeverfahren integrieren. Neben dem Preis werden die architektonische Gestaltung, die bautechnische Qualität, die Bauzeit sowie Nachhaltigkeitsaspekte zur Auswahl des besten Angebots herangezogen.

Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb

Die gesamthafte Vergabe von Planungs- und Bauleistungen (Totalunternehmer-Vergabe) erfolgt in der Regel im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb und mündet in einem Vertrag über Planung und schlüsselfertige Errichtung des Gebäudes zum vorab vereinbarten Festpreis. Da derartige Ausschreibungsvarianten vom „Schema F“ abweichen, bedürfen sie einer fundierten vergaberechtlichen Begründung und fachmännischen Begleitung.

Unabhängig davon, ob die Bauleistungen auf Basis einer rein funktionalen Leistungsbeschreibung mit integriertem Planungswettbewerb ausgeschrieben oder zunächst erste Grundrisse und gestalterische Details ausgearbeitet werden sollen, wird der Auftraggeber planerische Unterstützung hinzuziehen. Bei dieser Auswahl sollten einschlägige Holzbau-Erfahrungen insbesondere bei Architekten und Statikern berücksichtigt werden. Die beiden Stellschrauben sind dabei die Eignungsanforderungen sowie die Zuschlagskriterien: Werden bestimmte Mindestanforderung an Referenzen definiert, wird die Erfahrung der Büros sichergestellt. Im Rahmen der Zuschlagsentscheidung kann zudem die konzeptionelle Herangehensweise an die Aufgabenstellung betrachtet werden, sodass auch hier die „Holzbau“-Kompetenz bewertet werden kann.

Alexander Dörr

Alexander Dörr ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Menold Bezler.

Funktionale Leistungsbeschreibung

Während das klassische Leistungsverzeichnis die Umsetzung der Bauaufgabe „bis zur letzten Schraube“ detailliert vorgibt, gibt eine funktionale Leistungsbeschreibung die Bauaufgabe abstrakt vor, überlässt jedoch die konkrete technische Realisierung den Bietern. Die funktionale Leistungsbeschreibung gibt nur Rahmenbedingungen und Zielvorgaben für die Angebotsabgabe vor. Hierdurch können ausführende Firmen ihr technisches Know-how ins Projekt einbringen.

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