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Hagen von Ortloff lebt für die Eisenbahn

Hagen von Ortloff, der die SWR-Sendung „Eisenbahnromantik“ erfunden hat.
Achim Zweygarth)Rommelshausen. Ein Ortsbesuch in einem unscheinbaren Reihenhaus im schönen Ort Blumberg im Remstal. Alles ist aufgeräumt, eine Biedermeier-Uhr steht auf dem Sims. Hagen von Ortloff (76) sitzt am gemütlichen Holztisch, so, wie man ihn in 40 Jahren im Fernsehen kannte. Stolz holt er ein Modell des „Big Boy“ aus dem Keller, der größten Dampfeisenbahn der Welt in den USA. „Die Fahrt damit hat man mir zum 70. Geburtstag geschenkt, das war einer der größten Tage meines Lebens.“
Der allergrößte Tag war übrigens der, als von Ortloff als Reporter einen Nachmittag mit dem Beach-Boys-Sänger Mike Love verbringen durfte: „Auf der Rückfahrt mit meinem Auto hatte ich das Gefühl, über dem Boden zu schweben.“ Über zwei Stunden lang reiht der 76-Jährige Anekdote an Anekdote, ohne dass es eine Sekunde langweilig würde. Tatsächlich hat Hagen von Ortloff schon im Alter von zwei Jahren eine Mini-Holzeisenbahn mit ins Bett genommen. Stolz zeigt er einen Nachbau des winzigen Zuges. Eine Erinnerung an die bewegte Kindheit: Die Eltern flohen 1953 aus Zwickau nach West-Berlin, der vierjährige Junge wuchs bei der Großmutter in Dresden auf.
Schon als kleiner Junge hat er eine Holzlok ins Bett genommen
Dort ist er viel Straßenbahn gefahren, erst 1960 kam er mit elf Jahren in den Westen, der Vater war drei Jahre zuvor gestorben. Er kam in den Ort Weinsberg bei Heilbronn. „Der Kulturschock hätte nicht größer sein können: Großstadt, Sozialismus, Schwäbisch.“ In der Schule tat er sich schwer, machte über Umwege die Fachhochschulreife und studierte Politikwissenschaft. Irgendwann vermittelt ihn ein Freund zum Süddeutschen Rundfunk (SDR) in Stuttgart, wo er für die Kindersendung „Durchblick“ ab 1977 moderierte. Seine Stimme und Ausstrahlung ließen ihn beim Fernsehen bleiben, für immer.
„Ich hatte immer den Anspruch, klar und verständlich zu sprechen“, sagt er und spricht auch genau so. 20 Jahre war er Sportreporter, interviewte Jürgen Klinsmann oder Franz Beckenbauer, und machte für die „Abendschau“ die bunten Themen.
„Mein Chefredakteur hat das gerne als ‚Hunzeldunzel‘ bezeichnet“, sagt von Ortloff und schenkt noch mal eine Runde Kaffee nach. Bekannt wurde er als „Wetterfrosch“ ab 1984, der spätere Nachtcafé-Moderator Wieland Backes berief ihn dazu.
Legendär wurde ein Auftritt mit einem Boomerang im Jahr 1989, während dieser flog, wollte er das Wetter ansagen – und wurde natürlich am Kopf getroffen. Das wurde sogar zu einem medialen Hit bei „TV Total“ von Stefan Raab. Doch seine Berufung fand Hagen von Ortloff ab 1991 mit der Sendung „Eisenbahnromantik“. Eine Mischung aus Nostalgie, aktuellen Bahnthemen und Reiselust. „Die schönste Strecke war die Bernina-Bahn in der Schweiz von St. Moritz über die Alpen nach Italien“, erinnert er sich. Nach der Wende rettete er viele Dampf-Schmalspurbahnen in Ostdeutschland vor der Einstellung. Oder von Ortloff setzte sich für die Schönbuchbahn von Böblingen nach Dettenhausen ein, als das noch als Spinnerei galt.
In Brasilien filmt von Ortloff einfach ohne Drehgenehmigung
Über die dritten Programme erreichte die Sendung Millionen: „Es ging immer um viel mehr als um alte Männer mit Dampfloks.“ Es gibt so viel zu erzählen in Blumberg auf der Holzbank: Als er einst in Peru den Machu Picchu bestieg, traf er oben in einer Gaststätte einen Fan, der fragte auf Sächsisch: „Ja, kommt das dann jetzt in der nächsten Eisenbahnromantik?“ Und in Brasilien filmte man einfach ohne Drehgenehmigung: Die traf nämlich erst am Tag der Abreise ein.
Dass der SWR die Sendung einstellen will, die ohne ihn weiterlief, kann er nicht verstehen. „Die Sendung ist Kult, sie zeigt die Notwendigkeit der Eisenbahn für das öffentliche Leben“, appelliert er an den Sender, der Geld sparen und ein jüngeres Publikum ansprechen will, so heißt es.
Hagen von Ortloff hat einen eigenen Youtube-Kanal , ein Protestsong wurde komponiert und für die SWR-Hitparade angemeldet, das Miniatur-Wunderland in Hamburg unterstützt eine Petition. Ob es hilft? Wir verlassen nach Stunden das Ortloff’sche Haus, in dessen Keller sich Erinnerungen, Videos und Bahnmodelle stapeln. Sein Vermächtnis bleibt, egal wie der Streit ausgeht.