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Ich sehe wohl nicht richtig

Rona Eccard schreibt im dreiwöchigen Wechsel diese Kolumne und beschäftigt sich diese Woche mit ihrem wichtigsten Accessoire.
Rona Eccard)Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist – immerhin trage ich (besonders auf Fotos) wirklich ganz kleine Gestelle im Gesicht: Ich sehe schlecht und brauche deshalb eine Brille. Als Teenager in den 2010ern war das die Höchststrafe. Schließlich waren wir alle geprägt von irgendwelchen RomComs und dem elendigen Topos der unansehnlichen Brillenschlange, die ihr Nasenfahrrad (schlimmes Wort!) im Rahmen eines Umstylings oder angesichts eines hübschen Kerls ablegt und plötzlich das schönste Mädchen der Welt ist. Ergo: Brille gar nicht gut.
Jetzt stellen Sie sich meine Verwirrung – und die aller Menschen, in deren Pass beim Geburtsjahr eine „19“ steht – vor, als Popstar Billie Eilish sich immer häufiger mit Brille zeigte. Sogar auf dem roten Teppich! Und nicht einmal eines der durchaus artsy oder avantgardistisch und damit cool anmutenden Modelle, wie sie etwa Dolce & Gabbana seit einigen Jahren auch in der High-Fashion-Welt etabliert hat. Sondern sie trägt winzige, oft rechteckige Brillen, die im besten Fall an Cillian Murphy als Scarecrow erinnern, meistens aber mehr an eine mittelalte, verschrobene Sekretärin.
Billie ist damit nicht allein, bei Instagram und TikTok geht nicht nur der „office siren“-Look mit den 2000er-Brillen durch die Decke, auch Horngestelle & Co erleben durch Online-Communities wie rund um das „dark academia aesthetic“ oder BookTok ein Revival. Passend zum jeweiligen Trend soll die entsprechende Brille eine Aura von Gelehrtheit oder Belesenheit verleihen.
Modetrends rund um Sehhilfen sind nicht neu: Im 19. Jahrhundert trugen Fashionistas die Lorgnettes als frühe Form der heutigen Brille – gerne auch mal mit ungeschliffenen Gläsern. Aber müssen wir in diesem Jahrhundert damit weitermachen?
Andererseits sollte ich vielleicht froh sein, dass ich meine Sehschwäche durch wechselnde Brillengestelle als Mode-Macke abtun kann und ganz nebenbei auf gesellschaftlich akzeptierte Art und Weise den Luxus erfahre, meine Umgebung und den Computerbildschirm tatsächlich sehen zu können.