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Wer hat welchen Durchblick im Land?

Bundesminister Cem Özdemir (Grüne) ist zwar zur Zeit nicht im Südwesten, aber jedenfalls nicht der einzige prominente Brillenträger in der baden-württembergischen Politik.
IMAGO/Metodi Popow)Stuttgart/Berlin. Wer keine trägt, dem fällt sie bei anderen meist auch nicht auf. Oft ist da nur ein leises Gefühl, eine Veränderung verpasst zu haben – war das Gegenüber etwa beim Friseur? Aber nein, da befindet sich eine neue Brille im Gesicht! Ob die „Wo hab‘ ich sie noch gleich?“-Lesehilfenträger oder die dauerhaft Bebrillten – laut einer Allensbach-Studie zum Sehverhalten der Deutschen tragen etwa 39 Millionen Mens chen in Deutschland eine Brille.
Von der Sehhilfe zum Politikum
Dass das Thema auch in der Landespolitik relevant ist, zeigte beispielsweise das Rätseln um die verschiedenen Brillenbügel von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor einigen Jahren und dann spätestens die Diskussion um das plötzliche Auftauchen eines Gestells im Gesicht von CDU-Landeschef Manuel Hagel im vergangenen Jahr.
Ihm wurde unterstellt, mit dem Accessoire älter und seriöser wirken zu wollen, Spekulationen solcher Art wies Hagel von sich. Ein KI-Tool des Dating-Portals „Bild-Dating“, das die Attraktivität von Landtagsmitgliedern bewertet hat, wählte Hagel jedenfalls auf Platz 2 der Männer im Südwesten. Ob sich mit dem neuen Look Wahlen gewinnen lassen, zeigt sich dann womöglich bei der Landtagswahl im kommenden Jahr. Wobei der Spitzenkandidat der Grünen Cem Özdemir ja auch seit Jahren nur noch mit Brille fotografiert wird – ein unfairer Vorteil kann so jedenfalls nicht entstehen.
Außerdem gibt es ja noch andere prominente Brillenträger in der Landespolitik. Innenminister Thomas Strobl (CDU) zum Beispiel trägt sein rundes Modell seit etwa einem Jahr deutlich häufiger, Justizministerin Marion Gentges ist zuverlässig mindestens seit 2019 mit ein und demselben Modell zu sehen.

Neben den Treuen gibt es die Trendsetter, auch wenn der Chef des Optiker-Riesen Fielmann vergangenes Jahr in einem Interview sagte, dass Deutschland „eines der unmodischsten Länder in Europa“ sei. Doch der Südwesten hält dagegen! Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) zum Beispiel muss irgendwann im letzten Herbst auf ein topmodernes grün-braun changierendes Gestell im Retro-Look umgestiegen sein. Apropos Farbe: Die passt bei mindestens einer von Kretschmanns Brillen zur Partei.
Ende März erschien die Brillenstudie 2024/2025 des Instituts für Demoskopie Allensbach. Die Ergebnisse? Brillen sind weiterhin präsent auf Deutschlands Nasen. Während aber 2019 noch insgesamt 67 Prozent der Menschen in Deutschland eine Brille trugen, sank dieser Wert 2024 erstmals seit anderthalb Jahrzehnten zumindest ein wenig auf 64 Prozent. Haben die Menschen in diesem Land über die Pandemie womöglich mehr ins Grüne statt ins Blaulicht der Bildschirme geschaut und ihre Augen geschont? Die Zahl täuscht ein wenig, denn nur der Anteil der gelegentlichen Brillenträger ist zurückgegangen, derjenige der stetig Brille Tragenden blieb gleich.
Besonders in der Altersgruppe über 60 tragen weiterhin annähernd 90 Prozent der Menschen in irgendeiner Form eine Brille. Und apropos blaues Licht und Bildschirme: 20 Prozent der Befragten gaben an, eine spezielle Bildschirmbrille zu nutzen, das sind sechs Prozent mehr als noch im Jahr 2019.
Außerdem setzen 22 Prozent jedes Mal und 31 Prozent gelegentlich eine Brille auf, um in ihr Smartphone oder Tablet zu schauen. „Menschen entscheiden heute bewusster, wann und wie sie ihre Sehhilfe einsetzen. Das betrifft vor allem deren Funktion im Alltag“, sagte Studienleiter Michael Sommer.
Besser sehen oder besser aussehen?
In Auftrag gegeben wurde die Erhebung übrigens vom Kuratorium Gutes Sehen (KGS) – einer Initiative, die sich selbst Aufklärungsarbeit rund um „Gutes Sehen und Aussehen mit Brille und Kontaktlinsen“ auf die Fahnen schreibt. Wer seine Sehhilfe nicht nur zum Durch-, sondern auch zum Aussehen bewusster einsetzen möchte, für den stellt das KGS online sogar Gesichtsform-Tests und Step-by-Step-Guides für die Wahl des richtigen Brillengestells zur Verfügung – ob das aber auch gegen Kommentare von Kollegen oder Politikern gegen naseweise Journalisten hilft, bleibt unklar.