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Spurensuche

Jürgen Klopp, der Schwarzwald und die große weite Welt

Jürgen Klopp ist unter den Verrückten, die ihr Leben zu 100 Prozent dem Fußball verschrieben haben, „the Normal One“. Das kommt nicht von ungefähr. Eine sehr persönliche Spurensuche.

Fußballprominenz aus Glatten im Landkreis Freudenstadt: Jürgen Klopp.

dpa/Markus Ulmer (2); FRM; Jan Woitas; Peter Byrne, Hintergrund: Getty Images Signature/ilbusca)

Glatten. Vielleicht war ich schon viel früher dort, als ich immer dachte, und habe es nicht gemerkt. Möglicherweise bereits mit 15 Jahren, als ich meine erste große Radtour unternahm – an Ostern von Böblingen nach Straßburg. Als es in Freudenstadt zu schneien begann und wir am zweiten Tag auf die Bahn auswichen. Und auf der Rückfahrt einen Laib Brot mit einem Glas Nutella verputzten, obwohl wir kein Messer hatten – wir zerrissen das Brot einfach.

Eines Tages stand am Ortseingang, wo die Straße ansteigt, ein Schild

Kurz vor Freudenstadt könnten wir durch Glatten geradelt sein, eine kleine Gemeinde mit 2500 Einwohnern im malerischen Glatttal. Gut möglich, dass mir damals schon jener Junge begegnete, dessen strahlendes Lächeln heute alle Welt kennt.

Jahrzehnte sollte es dauern, bis ich begriff, dass Jürgen Klopp aus diesem kleinen Ort stammt, den ich immer wieder durchquerte, ohne sonderlich davon Notiz zu nehmen. Denn kaum war man drin, fuhr man auch wieder raus. Okay, da war dieser gepflegte Rasenplatz an der Glatt. Doch dann nahm ich im Wesentlichen nur noch eine große Kreuzung wahr und die Tankstelle am Ortsausgang.

Und dann stand eines Tages am Ortseingang, dort wo die Straße ansteigt, ein Schild. Glatten freue sich mit dem Meistertrainer aus Dortmund. 2011 war das. Später wechselte „Kloppo“ nach Liverpool, tat jenen Ausspruch, der ihn wohl am besten charakterisiert („I am the Normal One“) und gewann die Champions League. Doch das Schild am Ortseingang verschwand.

Irgendwann habe ich mich gefragt: Mögen die Glattener ihren Jürgen nicht mehr? Oder hängt man die Prominenz nicht an die große Glocke? Vielleicht auch, weil man die Presse nicht ständig dahaben will?

Ein, zwei Anrufe später haben sich die Zweifel, ob die Glattener ihren Jürgen noch mögen, erledigt. Eher spricht einiges für These zwei. Etwa dass Rajko Pajdic, der Vorsitzende des SV Glatten, findet, dass alles schon geschrieben sei. Klopp treffe, wenn er mal da sei, seine alten Klassenkameraden. Oder er besuche den Friedhof, wo seine Eltern liegen: Der Vater starb im Jahr 2000, die Mutter 2021.

Im Oktober 2024 hat Klopp, schon weg aus Liverpool, aber noch nicht bei Red Bull, wo er seit Januar als „Global Head of Soccer“ tätig ist, den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg erhalten – angesteckt von Ministerpräsident Winfried Kretschmann persönlich für sein soziales Engagement.

Klopp sagte damals, dies sei ein „spezieller Tag“. Und dass er stolz sei, Schwabe zu sein. „Hier wurde ich geprägt, an allen anderen Orten habe ich mich weiterentwickelt“, ergänzte er, „diese Prägung hat mich nie verlassen.“ Damals war er letztmals zu Hause. Seine ältere Schwester, die immer noch in Glatten wohnt, findet es schade, dass er oft bei Familienfeiern fehle: „Es gibt ja nicht nur Fußball im Leben.“ Andererseits sei er nicht der Typ, um mit 57 Jahren zu Hause herumzusitzen, auch wenn er sich das finanziell vermutlich leisten könne. Stattdessen tourt er nun für Red Bull durch die Welt, ist heute in Mexiko und morgen in Brasilien.

Bürgermeister Tore-Derek Pfeifer (parteilos) ist stolz auf den berühmtesten Sohn der Gemeinde. „Seine beeindruckende Persönlichkeit, seine hohe Auffassungsgabe und sein außergewöhnliches Talent habe ich immer bewundert“, sagt er. Und dass Klopp ihn bei einem Imagevideo über Glatten unterstützt habe. „Es brauchte nur eine einzige Aufnahme“, erinnert Pfeifer sich. „Sie war so perfekt, dass ich ihm beim Abschied scherzhaft sagte, wie froh ich sei, dass er niemals gegen mich als Bürgermeister kandidieren wird.“

Wer auf die Homepage der Firma Fischer aus dem nahen Waldachtal geht, die unter anderem Dübel herstellt, findet ähnliche Zeugnisse von Kloppos schauspielerischem Talent. Dort kann man ihm beim Schrauben und Bohren zuschauen. Und beim Loben und Preisen – schließlich ist er seit 2023 Markenbotschafter des Familienunternehmens.

1985 traf er mit seiner A-Jugend Uwe Seeler

Es ist dasselbe Unternehmen, für das sein Vater Norbert 35 Jahre im Außendienst war. Der war einst als Feintäschner in den Schwarzwald gezogen und hatte dort seine Frau kennengelernt.

1979, als ich den Schwarzwald durchradelte, war Klopp elf Jahre alt. Das älteste Bild, das man im Internet findet, zeigt ihn 1985 bei einem Turnier in Hamburg. Da spielte er bereits für den TuS Ergenzingen, zu dessen Training ihn der Vater immer mit Auto kutschierte – 28 Kilometern einfache Fahrt. Klopp trägt einen Schnurrbart – wie auch auf dem anderen Bild, das die A-Jugend-Mannschaft mit Uwe Seeler zeigt. Klopp, der heute 1,91 Meter misst, ist schon da einen Kopf größer als der HSV-Altstar.

2011, als der BVB den Pokal holte, stieg auf dem Rasenplatz des SV Glatten, wo Jürgen Klopp das Fußballspielen gelernt hat, eine große Party. Sein ehemaliger Jugendtrainer vom TuS Ergenzingen war da, Kloppo gab Interviews, trug sich im goldenen Buch der Gemeinde ein, gab allen Jugendspielern seines ersten Fußballvereins die Hand. Und hatte einen riesigen Blumenstrauß dabei. Für seine Mutter Liesbeth.

Ein Weltmeister und zwei Ex-Bundestrainer aus dem Land

Nicht nur Jürgen Klopp hat es aus einem kleinen Dorf in die große Welt geschafft. Die Wurzeln zahlreicher Fußballer aus dem Südwesten liegen auf dem Land. Hansi Flick, Ex-Bundestrainer und derzeit bei FC Barcelona unter Vertrag, stammt aus Mückenloch, einem Stadtteil von Neckargemünd bei Heidelberg. Ein weiterer Ex-Bundestrainer, Jogi Löw, wurde in Schönau im Schwarzwald geboren. Und der Weltmeister von 1990, Jürgen Klinsmann, wuchs im Filstal auf.

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