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Abschied nach zehn Jahren: LEA Ellwangen schließt zum Jahresende

Berthold Weiß, Leiter der Landeserstaufnahmestelle (LEA) Ellwangen bei der Abschiedsfeier am 7. November 2025: Er dankte allen Mitarbeitern, ehren- und hauptamtlichen Helfern für ihre Unterstützung in den letzten zehn Jahren.
Patrick Wittmann)Ellwangen . Mit einer Abschiedsfeier am Freitag, 7. November 2025, läutete das Regierungspräsidium Stuttgart das Ende der Landeserstaufnahmestelle (LEA) auf dem Gelände der ehemaligen Reinhardt-Kaserne Ellwangen ein. Die Einrichtung im Ostalbkreis war seit April 2015 in Betrieb und schließt nun zum Jahresende. In zehn Jahren bot die LEA über 65.000 Geflüchteten eine erste Unterkunft und Unterstützung beim Start in Deutschland.
Regierungspräsidentin Susanne Bay dankte Beschäftigten, Haupt- und Ehrenamtlichen, der Stadt Ellwangen und dem Ostalbkreis für ihren Einsatz: „Allen Beteiligten möchte ich für ihr Engagement und ihre Leistungen danken, die in über zehn Jahren in der LEA Ellwangen erbracht wurden. Besonders hervorheben möchte ich die besondere Haltung, die in der LEA von allen gelebt wurde und im Leitbild des Gewaltschutzkonzeptes festgehalten ist“. In der LEA seien laut Bay Grund- und Menschenrechte geachtet und Gewaltfreiheit sowie Chancengleichheit für Frauen und Männer gefördert worden. Das konsequent umgesetzte Gewaltschutzkonzept habe der Einrichtung einen „hervorragenden Ruf“ in der Flüchtlingsaufnahme eingebracht.
Corona-Pandemie und Ukrainekrieg stellten LEA vor Herausforderungen
Die LEA war Teil der Reaktion auf die hohen Zugangszahlen im Jahr 2015, als das Land kein ausreichend ausgebautes System an Erstaufnahmeeinrichtungen hatte. Bereits wenige Monate nach Inbetriebnahme war die maximale Belegungsgrenze erreicht; in der Spitze wurden im Spätsommer 2015 wöchentlich rund 1000 Menschen aufgenommen, sodass die Einrichtung zeitweise über 4000 Menschen beherbergte.
Laut Bay stellte 2020 die Corona-Pandemie die Einrichtung vor erhebliche organisatorische Herausforderungen, inklusive mehrwöchiger Quarantäne und umfassender Umstellungen im LEA-Alltag.
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 nahm die LEA zusätzlich über 5000 ukrainische Geflüchtete auf und organisierte die „Verteilung“ auf die Kommunen.
„Unterstützung von Landkreis, Stadt und den vielen Ehrenamtlichen war essenziell“
Ursprünglich war die Landeserstaufnahmeeinrichtung Ellwangen für fünf Jahre vorgesehen – tatsächlich bot sie über ein Jahrzehnt lang Geflüchteten aus aller Welt eine erste Unterkunft in Deutschland. Möglich wurde dies durch die enge Zusammenarbeit mit der Stadt Ellwangen und dem Ostalbkreis.
Regierungspräsidentin Susanne Bay bezeichnete die „Unterstützung von Landkreis, Stadt und den vielen Ehrenamtlichen“ als essenziell für den langjährigen Betrieb der Einrichtung. Berthold Weiß, Leiter der Landeserstaufnahmestelle Ellwangen, würdigte insbesondere die Rolle des damaligen Landrats Klaus Pavel und der Kreisverwaltung in der Anfangszeit der Flüchtlingskrise, im Sommer 2015. Zugleich betonte er das Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger: „Ohne den Ostalbkreis – insbesondere aber auch viele aus der Bürgerschaft der Stadt Ellwangen, wäre es wirklich schwer geworden, die LEA zu dem Erfolg zu machen, der sie letztlich war.“
Auswirkungen der LEA-Schließung auf Kreis und Kommunen
Mit der Schließung der Landeserstaufnahmeeinrichtung zum Jahresende endet auch das sogenannte LEA-Privileg . Bisher war der Ostalbkreis – wie alle Stadt- und Landkreise mit einer Erstaufnahmeeinrichtung – von der landesweiten Zuweisungsquote für Geflüchtete befreit. Das bedeutet, dass Städte und Kommunen im Kreis bislang weniger Flüchtlinge zur vorläufigen Unterbringung aufnehmen mussten als andere Kommunen im Land. „Nach dem Aus der LEA ist der Ostalbkreis wieder verpflichtet, geflüchtete Menschen aufzunehmen“, erläuterte LEA-Leiter Berthold Weiß.
Kurzfristig werde sich dieser Wechsel wegen der derzeit niedrigeren Zugangszahlen noch nicht so stark bemerkbar machen. Mittel- und langfristig dürfte die Situation jedoch zur größeren Herausforderung für Stadt und Kreis werden, so Weiß. Der Ostalbkreis nimmt bereits heute freiwillig Geflüchtete in vorläufiger Unterbringung auf – künftig dürfte dieser Anteil deutlich steigen.
Regierungspräsidium will sich nicht aus der Migrationsarbeit zurückziehen
Regierungspräsidentin Bay betonte, dass sich das Regierungspräsidium trotz der Schließung der Ellwanger LEA nicht aus der Migrationsarbeit zurückziehe. Im Regierungsbezirk bestehen Erstaufnahmen in Giengen, Kornwestheim und Sindelfingen mit über 1000 Plätzen. „Daher hoffe ich sehr, dass wir die vielen Erfahrungen aus Ellwangen – auch aus der schwierigen Zeit der Überbelegung – möglichst bald in eine Folgeeinrichtung im Stuttgarter Regierungsbezirk einbringen können“, so Bay.
Zukunft des Ellwanger Kasernengeländes noch ungewiss
Die Stadt Ellwangen plant nach dem Auszug der LEA aus den sieben ehemaligen Kompaniegebäuden Ende Dezember auf dem Gelände der ehemaligen Reinhardt-Kaserne mit der Entwicklung des neuen Stadtteils Ellwangen Süd beginnen. Auf dem Areal „Hungerberg“ soll Wohnraum für bis zu 1800 Menschen entstehen.
Ende Oktober meldeten jedoch das Bundesverteidigungsministerium und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) eigenes Interesse an der Fläche an. Das Gelände wurde als Teil einer strategischen Liegenschaftsreserve eingestuft. Mit einem Moratorium vom 28. Oktober setzte das Ministerium die zivile Umnutzung militärischer Liegenschaften bundesweit aus.
Demnach bliebe das Gelände also weiterhin in Besitz der BImA und ein Verkauf an die Stadt Ellwangen, der laut Stadtverwaltung kurz bevorgestanden habe , würde nicht erfolgen. Das bedeutet für Ellwangen erhebliche Planungsunsicherheit, besonders unter der Voraussetzung, dass man mit dem Konversionsprozess schon weit vorangeschritten war und man sich laut Oberbürgermeister Michael Dambacher bereits auf der Zielgeraden der Planung und Entwicklung von Ellwangen Süd befunden habe.
Nach Angaben des Hauptgeschäftsführers des Landkreistags Baden-Württemberg, Alexis von Komorowski, habe die Bundeswehr aber bereits Gesprächsbereitschaft signalisiert. In fortgeschrittenen Fällen sollen nun einzelfallbezogene Lösungen geprüft werden. Ziel sei es, kommunale Interessen und militärische Erfordernisse in Einklang zu bringen.
Im Fall Ellwangen soll dies nach Angaben der Stadtverwaltung bereits im Dezember bei einer ersten Begehung geprüft werden. Eine Entscheidung über die künftige Nutzung werde voraussichtlich 2026 erwartet.
Zahlen, Daten, Fakten
Die Landeserstaufnahmestelle (LEA) Ellwangen wurde im April 2015 auf dem Gelände der ehemaligen Reinhardt-Kaserne eröffnet. In der Einrichtung hatten über 65.000 Geflüchtete ihren ersten Aufenthalt in Deutschland, darunter rund 5000 Geflüchtete aus der Ukraine. Die stärksten Herkunftsländer sind in Ellwangen, Syrien, Türkei, Nigeria, Kamerun und Afghanistan. Die LEA Ellwangen wird zum 31. Dezember 2025 geschlossen.