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Bundestag vereinfacht Bebauung von alten Bahn-Flächen

Der Bundestag hat eine Gesetzesänderung beschlossen, die den Ausbau des bisherigen Stuttgarter Rangierbahnhofs zu einem Wohnviertel wieder ermöglichen soll.
Arnulf Hettrich)Berlin/Stuttgart. Stillgelegte Bahn-Grundstücke sollen künftig wieder leichter bebaut werden können. Dieses Ziel verfolgt eine Gesetzesänderung, die der Bundestag in der Nacht zum Freitag verabschiedet hat. Darin wird klargestellt, dass der Erhalt einer solchen Betriebsanlage nicht von „überragendem öffentlichem Interesse“ ist, wenn eine Nutzung der Infrastruktur langfristig nicht mehr zu erwarten ist.
Seit einer Verschärfung von Paragraf 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes war es kaum noch möglich, ungenutzte Bahnflächen für den Wohnungsbau zu nutzen. Die damalige Ampel-Koalition wollte damit sicherstellen, dass die Grundstücke für einen eventuellen Ausbau des Bahnverkehrs verfügbar bleiben. Diese Regelung wird nun aber wieder gelockert – vorausgesetzt, dass nach dem Bundestag auch der Bundesrat zustimmt.
Bundesweit mehr als 170 kommunale Projekte blockiert
„Mit unserem Gesetzentwurf schaffen wir eine dringend benötigte Erleichterung für Städte und Gemeinden“, erklärte der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Björn Simon (CDU). Nach seinen Angaben hatte die Regelung der Vorgängerregierung bundesweit mehr als 170 kommunale Projekte blockiert. Darunter befinden sich auch Bauprojekte in Nürtingen, Ulm sowie Stuttgart. In der Landeshauptstadt war der Bau des geplanten Rosenstein-Quartiers auf dem heutigen Gleisvorfeld nicht möglich. Die Stadt hat deshalb eine Kommunalverfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Die Grünen im Bundestag hatten einen eigenen Vorschlag zur Änderung des AEG vorgelegt . Damit die Bahn genügend Entwicklungsspielraum erhält, hatten sie neun Kernziele vorgeschlagen, auch um Bahnflächen langfristig zu sichern.
Nopper: „Entscheidung löst bei uns Freude und Erleichterung aus“
Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) zeigt sich erfreut und erleichtert. Die Entscheidung des Bundestags ermögliche das „Zukunfts- und Jahrhundertprojekt Stuttgart Rosenstein“ mit bis zu 5700 Wohnungen für rund 10.000 Menschen auf einem 85 Hektar großen Areal in unmittelbarer Innenstadtnähe. Die Landeshauptstadt werde prüfen, ob sich die Kommunalverfassungsbeschwerde aufgrund der Änderung erledigt hat. Die nicht ausgesetzten Planungen für das Städtebauprojekt könnten jetzt mit voller Kraft vorangetrieben werden, so Nopper weiter.
Razavi: Für Baden-Württemberg ein großer Gewinn
Bauministerin Nicole Razavi (CDU) begrüßte das Gesetz der Bundesregierung. „Besonders für Baden-Württemberg ist die Korrektur dieser Entscheidung ein großer Gewinn: Allein in Stuttgart, Nürtingen und Ulm können so nun mehr als 6300 neue Wohnungen für rund 13.000 Menschen entstehen“, heißt es in einer Mitteilung. „Diese zentral gelegenen Flächen bieten den Kommunen die Chance, attraktive und gut angebundene neue Quartiere zu entwickeln, ohne dafür auf die grüne Wiese auszuweichen“, so die Ministerin weiter.
Jung: Benötigte Bahnflächen für die Stadtentwicklung nutzen
Lob für die Gesetzesänderung kommt auch von der Landtags-FDP: „Es ist sehr gut, dass der Deutsche Bundestag endlich die Reform des § 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes beschlossen hat. Nun ist der Weg wieder frei, nicht mehr benötigte Bahnflächen für die Stadtentwicklung zu nutzen“, so der verkehrspolitische Sprecher, Christian Jung. Den Gesetzesvorschlag der Grünen im Bundestag kritisierte er als „verquere Regelungen“, um das bisherige Gleisvorfeld am alten Stuttgarter Hauptbahnhof zu erhalten und Wohnungsbau zu verhindern.
Gegner von S21 sehen keinen Grund zum Feiern
Die Gegner von Stuttgart 21 sehen in der Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes keinen Grund zu feiern. Die Fraktion „Linke SÖS Plus“ im Stuttgarter Gemeinderat ist gegen das geplante Rosenstein-Quartier, in dem 5700 Wohnungen für über 10 000 Menschen gebaut werden sollen. Gründe des Klimaschutzes, des Artenschutzes und der Klimaanpassung stünden einer Bebauung des Gleisvorfelds entgegen.
„Alle, die jetzt nach der Entscheidung des Bundestags in Feierlaune verfallen sei gesagt: es wird sich zeigen, dass auch weiterhin ein Verkehrsbedürfnis für das Gleisvorfeld besteht. Die Bebauung des Rosensteinquartiers wird auch nach der Gesetzesänderung nicht umgesetzt werden können“, sagt Fraktionssprecherin Johanna Tiarks (Die Linke).