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Und wenn aus Stuttgart 21 doch noch etwas Großes wird?

Die Gäubahn soll nach der Eröffnung von Stuttgart 21 zunächst in Stuttgart-Vaihingen enden.
Markus Mainka)Man muss vielleicht einmal damit anfangen, was jetzt nicht geschehen sollte. Luigi Pantisano, Bundestagsabgeordneter der Linken aus Stuttgart, fordert nach den erneuten Spekulationen über eine Verschiebung des Fertigstellungstermins von Stuttgart 21 , das Bahnprojekt zu fluten. Andere Projektgegner liebäugeln mit der Idee, in den 60 Kilometer langen Tunneln Champignons zu züchten.
Dies wäre nicht nur eine riesige Steuerverschwendung, es würde die Landeshauptstadt auch des einzigen Vorteils berauben, den dieses Bahnprojekt zweifellos besitzt: Stuttgart bekommt einen neuen Stadtteil in zentraler Lage, 10 000 Menschen erhalten ein Dach über dem Kopf.
Das ist aber schon das Einzige, was unbestritten für Stuttgart 21 spricht. Was den verkehrlichen Nutzen angeht, könnte die Bahn mit Zitronen gehandelt haben. Auch wenn auf der Habenseite kürzere Fahrtzeiten stehen, verbaut sich Stuttgart doch möglicherweise die Chance, als Null-Knoten dabei zu sein, also als zentraler Umsteigebahnhof, wenn der Deutschland-Takt kommt.
Stuttgart bekommt acht Gleise, Zürich hat 26 davon
Der Geburtsfehler von Stuttgart 21 besteht darin, dass es in erster Linie ein Städtebauprojekt ist und erst dann ein Bahnprojekt. Und dass die Idee, alles außer dem Bahnhof aus der Innenstadt zu verbannen, umweltpolitisch nicht aufgeht. Jedenfalls nicht bei acht Gleisen. Um die Zahl der Fahrgäste in Höhen zu katapultieren, dass man wirklich von einer Verkehrswende sprechen kann, müsste so etwas entstehen wie in Zürich: 16 Gleise über der Erde, zehn darunter.
Das Bemerkenswerte und gleichzeitig Fatale ist, dass genau dies in Stuttgart immer noch möglich ist. Die Projektbeteiligten, die Bahn, die Stadt, das Land und die Region, müssten sich nur auf den Erhalt des Kopfbahnhofs einigen. 16 Gleise oben, acht unten – damit ließe sich jeder Integralfahrplan spielend wuppen.
Das wird jedoch kaum geschehen. Drei der vier Projektbeteiligten denken gar nicht daran, und der vierte hat die Waffen gestreckt. Verkehrsminister Winfried Hermann hatte Jahre lang für einen „ Ergänzungsbahnhof “ gekämpft, der etwa dort entstehen sollte, wo sich heute der Kopfbahnhof befindet. Dann ließ er sich eines anderen belehren.
„Damit es gut wird“, lautet das Motto des Ministerpräsidenten
Stattdessen argumentiert Hermann nun damit, dass alle Verbesserungen, die das Projekt seit dem Baustart 2010 erfahren hat, auf das Land zurückgeht. Das mag ja sein: Doch dürfen sich die grünen Projektgegner der ersten Stunde, wie dies der Verkehrsminister und sein Ministerpräsident sind, darauf beschränken, darauf zu verweisen, dass das Volk anders entschieden hat?
„Damit es gut wird.“ Mit diesen Worten, so erzählte Bahnchef Richard Lutz am Dienstag, sei Winfried Kretschmann in den „Bahngipfel“ in der Villa Reitzenstein eingestiegen, bei dem unter anderem um die Sanierung kleinerer Bahnhöfe ging. Auch die vollständige Digitalisierung von Stuttgart 21 war ein Thema. Sie soll nun kommen, versprach Lutz, genügend Geld sei ja jetzt da.
Die Digitalisierung, keine Frage, tut Stuttgart 21 gut, wenn sie denn gelingt. Damit wird auch noch das Letzte aus diesem Bahnprojekt herausgeholt. Die Züge können in deutlich kürzeren Abständen fahren. Bund und Bahn beweisen auf den letzten Metern noch einmal, dass es ihnen mit Stuttgart 21 ernst ist. Wie schon die damalige Kanzlerin Angela Merkel beim Baustart im Jahr 2010.
Wird am Ende doch noch alles gut? Kretschmann räumt ein, dass Stuttgart 21 aus seiner Sicht die zweitbeste Lösung bleibe. „Der Souverän in seiner unergründlichen Weisheit hat nun mal so entschieden“, das müsse ein Demokrat akzeptieren.
Das Fenster für ein großes Großprojekt steht noch offen
Diese Art, mit Niederlagen umzugehen, ist eines der Erfolgsrezepte seiner nunmehr 14-jährigen Regentschaft. Die Menschen haben ihn auch deshalb immer wieder gewählt, weil Kretschmann bereit war, auf diejenigen zuzugehen, die eine andere Sicht der Dinge hatten. Andererseits gibt es wohl kein Thema, bei dem den Grünen mehr Kompetenz zugebilligt als bei Umwelt und Natur. Das sollten sie nicht aufs Spiel setzen.
Dieses Dilemma zeigt sich exemplarisch bei diesem Großprojekt, das ein wirklich großes sein könnte, wenn das Fenster für eine Erweiterung nicht für immer geschlossen würde. Die Frage, wie die Gäubahn an Stuttgart 21 angeschlossen wird oder ob es vielleicht doch noch einen Ergänzungsbahnhof gibt, könnte noch spannend werden. Am Ende könnte sich die Bahn sogar den Pfaffensteigtunnel sparen und damit einen weiteren Kostentreiber bei diesem schon heute irrwitzig teuren Bahnprojekt.