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Doppik: 450 Kommunen noch ohne Eröffnungsbilanz 

Der Landtag hat die Umstellung des Haushalts- und Rechnungswesens von der Kameralistik auf die Doppik 2009 beschlossen. Zwar haben alle Kommunen zum letztmöglichen Zeitpunkt am 1. Januar 2020 auf das System umgestellt. Allerdings fehlen bei rund 450 noch die Eröffnungsbilanzen.
Mann am Schreibtisch

Grundlage für die doppische Haushaltsführung ist die Erfassung sämtlicher Güter, die in vielen Gemeinden noch fehlt. Laut einer Umfrage wollen die meisten davon die Eröffnungsbilanz noch 2023 vorlegen.

dpa/WEstend61/Bartek Szewczyk)

STUTTGART. Für Kämmerer sind die Eröffnungsbilanzen eine Sisyphusarbeit. Darin müssen sie sämtliche Güter auflisten und bewerten: Fahrzeuge, Gebäude, Straßen. Doch diese Bilanzen fehlen noch in 451 Kommunen, wie aus einer Antwort des Innenministeriums auf einen Antrag der FDP-Landtagsfraktion hervorgeht. Gründe für diese Verzögerung sei der Fachkräftemangel in der Finanzverwaltung. Weitere Gründe sind die Aufgaben durch die Corona-Pandemie und der Flüchtlingsunterbringung. Auch technische Hürden wie die Abhängigkeit von Terminvergaben der Rechenzentren zur Einspielung des Anlagevermögens werden genannt. Das Land sei in der Pflicht, strukturelle Fehler bei der Doppik-Umsetzung zu erkennen und Hilfestellungen für Städte und Gemeinden zu leisten, schreibt die FDP in dem Antrag. Die Abgeordneten wollten deshalb auch wissen, wie die Hilfe vom Land für die Kommunen beim Start in die doppische Welt bisher aussah.

Das Innenministerium zählt einige Leistungen auf: mehrere Leitfäden, gemeinsame Arbeitsgruppen, Hinweise und Empfehlungen, FAQ-Dokumente, die Verwaltungsvorschrift „Produkt- und Kontenrahmen“ sowie Muster für die doppische Haushaltsführung.

Umstellung war bei rechtzeitiger Planung leistbar

Mit Blick auf kleine und finanzschwache Kommunen, die die Antragsteller erwähnen, verweist das Ministerium auf die zehnjährige Übergangszeit „und die umfangreichen Erleichterungen und Vereinfachungen“. Damit habe das Land einen Rahmen geschaffen, in dem „die Umstellung für alle Kommunen bei rechtzeitiger Planung leistbar war“, heißt es in der Antwort weiter.

Dieter Brettschneider hat viele Kommunen bei der Großaufgabe Doppik beraten. Der Professor für Öffentliche Finanz- und Betriebswirtschaft an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl hätte sich jedoch gewünscht, dass die Gemeinden früher mit der Umstellung begonnen hätten. „Es gab manche, die konnte man an einer Hand abzählen, die haben früh umgestellt und ganz viele haben es schleifen lassen“. Brettschneider betont, dass das Land den Kommunen in vielerlei Hinsicht entgegengekommen sei und so die Umstellung erleichtert habe. Er nennt als Beispiel die Abschreibungen, also der Werteverbrauch der Güter, der künftig erwirtschaftet werden muss: Anders als in der Privatwirtschaft, die schon seit jeher mit dem doppischen System arbeitet, müssen Kommunen nur die Netto-Abschreibungen erwirtschaften.

Von der Kameralistik zur Doppik

Während sich die Kameralistik vor allem auf die Ausgaben und Einnahmen eines Jahres konzentriert, kommt es bei der Doppik auf die Änderung des Vermögensbestandes an. Für einen Überschuss in einem Jahr reicht es dann nicht mehr aus, lediglich den Zahlungsstrom zu betrachten. Zu wissen, was eine Leistung wirklich kostet, macht auch den Vergleich zwischen Gemeinden leichter. Grundlage dafür ist die Erfassung der Güter. Nicht in allen Kommunen wird doppisch gebucht: In Bayern, Thüringen und Schleswig-Holstein können die Kommunen zwischen Doppik und Kameralistik wählen.

Denn die Gemeinden können Zuweisungen und Beiträge von den eigenen Investitionen abziehen. Davon müssen sie nur die Differenz zurückstellen, erklärt Brettschneider. Eine große Erleichterung sei auch der Bilanzierungsleitfaden, den man auf der Seite des Innenministeriums einsehen kann. Dieser gibt viele Hinweise zur Bewertung von Vermögen und sei deshalb wichtig, um die Eröffnungsbilanz aufzustellen. Und: Wenn die Eröffnungsbilanzen noch nicht vorliegen, akzeptieren die Aufsichtsbehörden auch gerechnete oder geschätzte Werte der Güter einer Gemeinde. Die Pflicht zur Erstellung eines Gesamtabschlusses wurde vor rund zwei Jahren auf das Haushaltsjahr 2025 verschoben, darauf verweist das Innenministerium.

„Die Gemeinden müssen stetig ihre Aufgaben erfüllen“

Auch der Gemeindetag betont den hohen Aufwand der Eröffnungsbilanzen, der durch Personalmangel und zahlreiche Aufgaben durch Corona und den Krieg gegen die Ukraine verstärkt wurde. Eine direkte Unterstützung des Landes sei kaum möglich, allerdings gebe es mehrere Stellschrauben, um Kommunen zu unterstützen: Um dem sich absehbar noch verschärfenden Personalmangel Herr zu werden, sei es erforderlich, die Zahl der Studienplätze in den Hochschulen Ludwigsburg und Kehl deutlich zu erhöhen. Außerdem müssten Überregulierungen abgebaut werden. Als Beispiel nennt eine Sprecherin Paragraf 2b Umsatzsteuergesetz, „welcher in den Städten und Gemeinden erheblichen, auch laufenden Aufwand – ohne erkennbaren Nutzen – produziert“. Laut einer Umfrage der Kommunalverbände plane ein Großteil der befragten Kommunen, die Eröffnungsbilanz noch in diesem Jahr festzustellen.

Auch Brettschneider ist zuversichtlich: „Ich denke, dass die Eröffnungsbilanzen in den nächsten zwei bis drei Jahren bei 90 Prozent der Gemeinden auch gemacht sind.“ Insgesamt bewertet Brettschneider die Umstellung auf die Doppik als richtig. Sie ermögliche eine realistischere Darstellung der Finanzwirtschaft, gerade in Bezug auf die Nachhaltigkeit und den Ressourcenverbrauch. Er zitiert die Gemeindeordnung, wonach die Gemeinden stetig ihre Aufgaben erfüllen müssen. Und das müsse mit einem System abgebildet werden, das auch die Zukunft betrachtet.

Philipp Rudolf

Redakteur Kreis und Kommune

0711 66601-184

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