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Experte: „Kommunen haben auf X nichts mehr zu suchen“

Elon Musk ist ein Grund, warum Kommunen bei "X" vorsichtig sein sollten.
dpa/SOPA Images)Stuttgart. Viele sprechen noch heute von Twitter, obwohl die Plattform seit der Übernahme durch den Milliardär Elon Musk nur noch X heißt. Das Vögelchen im Logo, das auf das Gezwitscher auf der Plattform hinwies, hatte ausgedient, stattdessen der Buchstabe. Doch für Diskussionen sorgte etwas Anderes: Mit dem neuen Besitzer sollen neu ausgerichtete Algorithmen zum Einsatz kommen. Die Plattform soll seitdem vor allem politisch rechtsorientierten Personen und Organisationen in die Hände spielen, so die Kritik. Diese kann Kommunen, die auf X kommunizieren, nicht ungerührt lassen, ebenso wenig wie die Fachwelt.
Wolfgang Schweiger ist Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim. Die problematische Entwicklung war nach der Übernahme des Tech-Milliardärs absehbar für den Professor, der sich auf Online-Kommunikation spezialisiert hat.
Kommunen sind auf die Plattform nicht angewiesen
Schweiger hat zwar ein gewisses Verständnis für Parteien oder Politiker, die über die Plattform möglichst viele und möglichst relevante Menschen erreichen wollen: „Kommunen oder andere öffentliche Einrichtungen haben allerdings auf X nichts mehr zu suchen“, sagt er. Es gebe auch Alternativen.
Die Große Kreisstadt Gaggenau verwendet die Alternativen Instagram und Facebook. Die Plattform X sei daher nicht mehr notwendig, um den Bürgern Informationen bereitzustellen. Außerdem sehe Gaggenau in X kein neutrales Nachrichtenmedium mehr: „Die Entwicklungen von Twitter zu X mit allen bekannten negativen Folgeerscheinungen haben uns die Entscheidung leicht gemacht, auf die Plattform zu verzichten“, sagt Pressesprecherin Judith Feuerer: „Wir hatten bislang das Profil noch nicht gelöscht und wollten die Entwicklung sowie Rückmeldungen von Followern noch abwarten.“ Den Kanal will die Stadt bald abschalten.
Damit die Bürger andere Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung nutzen können, hat die Gemeinde Hemmingen (Kreis Ludwigsburg) ein Konzept entwickelt: Mithilfe einer „Social Media Wall“ können Interessierte die Beiträge aus den Sozialen Medien direkt auf der Website der Kommune abrufen. Es ist also nicht notwendig, einen eigenen Account anzulegen, um die Beiträge von Instagram, Facebook und LinkedIn einzusehen.
Auch der Hemminger Verwaltung geben die Entwicklungen auf X zu denken: „Vor allem die algorithmische Bevorzugung bestimmter Inhalte widerstrebt dem Grundsatz der Meinungsfreiheit“, sagt David Rohnert, Referent des Bürgermeisters. Auch die Beschränkung auf 280 Zeichen findet er fragwürdig: „Sie lässt eine inhaltliche Darstellung von komplexen Themen nur beschränkt zu.“ Dass das bei der Premiumversion und damit bei einer kostenpflichtigen Variante von X anders ist, gebe ebenfalls zu denken.
Ähnliche Kritik äußert Kommunikationsexperte Schweiger: „In einem solchen Diskussionsklima kann es keinen freien demokratischen Austausch von Meinungen auf Augenhöhe geben.“ Musks Glaube, freie Meinungsäußerung auch auf Lügen, Verschwörungserzählungen oder Beschimpfungen auszudehnen, verstoße gegen die verfassungsrechtlichen Regeln in Deutschland: „Bei uns sind aus guten historischen Gründen Beleidigungen, Verleumdungen, Volksverhetzungen und Aufrufe zur Straftat verboten.“
Kanal bleibt für die Kommunikation in Gefahrenlagen erhalten
In Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen) will man vorerst noch nicht auf X verzichten. Doreen Edel von der Stabstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit berichtet davon, dass die Verantwortlichen in der Kommunalverwaltung sich derzeit noch gegen eine Löschung des Accounts aussprechen. Die Rolle des Kanals sei noch zu wichtig für die schnelle Verbreitung relevanter Informationen: „X wird weiterhin von Journalistinnen und Journalisten sowie von der Polizei genutzt“, sagt Edel.
Auch Heidelberg verzichtet nicht auf X. Dort reduziert die Kommunikationsabteilung die Präsenz auf der Plattform weitgehend. So wolle man nur noch Eilmeldungen, wie Gefahrenlagen, über die Plattform verbreiten: „In diesen Fällen wollen wir möglichst viele Heidelbergerinnen und Heidelberger erreichen und informieren“, heißt es vonseiten der Pressestelle.
Seit 2023 hat Twitter den neuen Namen X
Twitter, oder X, wie die Plattform heute heißt, wurde 2006 von Jack Dorsay gegründet. Den Microblogging- oder Kurznachrichtendienst nutzen weltweit 250 Millionen Menschen, in Deutschland hat X einen Marktanteil von drei Prozent der täglichen und vier Prozent der wöchentlichen Nutzer und liegt auf dem sechsten Platz (ARD/ZDF Medienstudie 2024). Lieblingsdienst der Deutschen ist Instagram (26 Prozent tägliche, 12 Prozent wöchentliche Nutzung). Seit 2022 ist Elon Musk Inhaber. Er nutzt X, um rechte Parteien wie die AfD zu promoten. (wab)