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Stromlierfervertrag: Friedrichshafen verschmäht das eigene Stadtwerk

Das Medienhaus am See gehört zu den vielen kommunalen Liegenschaften Friedrichhafens, die nun ihren Strom nicht mehr von den Stadtwerken beziehen.
Katy Cuko)Friedrichshafen. Für das Stadtwerk am See ist dieser Verlust herb. Seit dem 1. Januar fällt die Stadt Friedrichshafen als großer Stromkunde weg. Damit bezieht der eigene Hauptgesellschafter – Friedrichshafen hält knapp 75 Prozent der Anteile an der SWSee – seinen Strom künftig bei der Konkurrenz. Wie das Rathaus bestätigt, ist die Naturenergie Hochrhein AG aus dem Südschwarzwald der neue Lieferant, und zwar für die nächsten beiden Jahre.
Stadtwerke mit 2,4 Millionen Euro weniger Auftragsvolumen
Ursache dafür ist die EU-weite Ausschreibung des Liefervertrags für sämtliche städtische Liegenschaften wie Schulen, Turnhallen, Kitas, Bäder, Museen oder die Straßenbeleuchtung. Dazu war die Stadt verpflichtet, weil der Rahmenvertrag zum Jahresende ausgelaufen ist. Nach Angaben der Stadt handelt es sich insgesamt um zirka 600 Abnahmestellen in Friedrichshafen, die jährlich rund 8,8 Gigawattstunden Strom verbrauchen. Zum Vergleich: Dieser Verbrauch entspricht in etwa dem durchschnittlichen Bedarf von rund 2850 Haushalten .
Mit der Vergabe der Stromlieferung an einen anderen Energielieferanten verliert das Stadtwerk grob geschätzt ein Auftragsvolumen von rund 2,4 Millionen Euro pro Jahr. So geht es aus den Ratsunterlagen hervor, als die Formalitäten für die Ausschreibung beschlossen wurden.
Offensichtlich war das Angebot der Naturenergie Hochrhein AG aber nur marginal besser. „Die erzielte Einsparung beläuft sich auf circa 15 000 Euro“, teilt das Rathaus auf Anfrage mit. Das sind lediglich 0,6 Prozent des Auftragsvolumens.
Kommunaler Stromlieferer nimmt die Absage sportlich
„Wir bedauern den Verlust der Stadt Friedrichshafen als Stromkunden“, erklärt Sebastian Dix, Sprecher des Stadtwerks auf Anfrage. „Wir nehmen das sportlich und werden bei der nächsten Ausschreibung wieder teilnehmen.“ Das wird aber erst in zwei Jahren der Fall sein. Ziel sei es, die Stadt auch beim Strom wieder als Kunden zu gewinnen.
Bei der Belieferung mit Gas habe sich das Stadtwerk hingegen mit dem besten Angebot bei der Ausschreibung durchgesetzt und den Biet erwettbewerb gewonnen. Das gelte auch bei vielen weiteren Aufträgen und Ausschreibungen. „Wir sehen Wettbewerb als Chance: Wir haben in den letzten Jahren mehr Kunden hinzugewonnen als verloren, sowohl was die Zahl betrifft als auch die Verbrauchsmengen“, erklärt der Sprecher von SWSee.
Was ein Auftragsvolumen von 2,4 Millionen Euro beim Stadtwerk ausmacht, zeigt der Blick auf die Geschäftszahlen von 2023. Den Gesamtumsatz bezifferte SWSee auf 456 Millionen Euro. Dabei nahm der Stromverkauf mit einem Volumen von 205 Millionen Euro fast die Hälfte ein und legte 2023 mit einer Steigerung von 13 Prozent kräftig zu.
Energiepreissteigerungen bescherten Umsatzplus
Was der Strom kostet, orientiert sich auch bei SWSee hauptsächlich an den europaweiten Energiemärkten. Knapp ein Drittel des Preises ist – wie bei jedem Energielieferanten – von Steuern, Abgaben und Umlagen beeinflusst, ein weiteres Drittel von den Netzentgelten.
Der Gewinn und Verlust von Kunden ist Bestandteil eines funktionierenden Wettbewerbs. „Das gilt für private, gewerbliche und natürlich auch kommunale Kunden“, so Dix. Der Wettbewerb gehöre seit der Liberalisierung der Energiemärkte seit circa 25 Jahren zum täglichen Geschäft.
Zumindest mit Strom lässt sich nach der vom Krieg in der Ukraine ausgelösten Energiekrise im Jahr 2022 wieder kräftig Geld verdienen. Erst stiegen die Preise sowohl im Einkauf als auch für den Endverbraucher enorm an, bis im Sommer 2023 eine regelrechte Preissenkungswelle durchs Land schwappte. SWSee verbuchte da über eine Umsatzsteigerung von über 90 Millionen Euro, „im Wesentlichen aus Preissteigerungen im Strom- und Gasverkauf“ resultierte, so SWSee.
Riesige Herausforderungen nicht nur beim Netzausbau
Allerdings hält die Energiewende auch die Stadtwerke auf Trab. Die Energieversorger stehen vor riesigen Herausforderungen, die sich nicht nur um explodierende Energiepreise oder Unsicherheiten bei den Verbrauchermengen drehen. Der Netzausbau etwa erfordert Investitionssummen, die sich über gute Geschäfte beim Stromverkauf kaum finanzieren lassen.
Trübe Aussichten bei den Stadtwerken
Nur noch 37 Prozent der Stadtwerke in Deutschland erwarteten Ende 2023 gute bis sehr gute geschäftliche Erfolge im Folgejahr. Das ergab eine Befragung im Zusammenhang mit der Stadtwerke-Studie 2024, die der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft jährlich vorlegt. Bei der gleichen Umfrage zwei Jahre zuvor blickten noch fast doppelt so viele der Befragten optimistisch ins nächste Jahr. Immerhin 60 Prozent waren positiv gestimmt.