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Landkreis Biberach will Bioabfall-Bringsystem auf Probe einführen

Für jede Abfallart eine eigene Tonne oder ein eigener Sack – das ist mitnichten in jedem Landkreis so. Im Kreis Biberach beispielsweise wird jetzt ein Großversuch gestartet, an dem sich aufgrund der Gegebenheiten vergleichsweise wenige Menschen beteiligen werden. Diejenigen, die nicht selbst kompostieren, bringen ihren Bioabfall zur Grüngut-sammelstelle.
Eine Frau entsorgt Biomüll

Während Biomüll in der grünen Tonne üblicherweise abgeholt wird, macht es der Kreis Biberach anders.

dpa Themendienst/Christin Klose)

BIBERACH. Wenn Frank Förster, der Leiter des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft im Kreis Biberach, über Bioabfälle spricht, dann ist er ein Stück weit selbst verwundert über die Zustände im Kreis. „Wir haben bei uns im Landkreis gerade einmal die Hälfte der Menge an Bioabfall als die Bundesbürger im Durchschnitt“, berichtet er von eigenen Untersuchungen. Die Einführung einer Biotonne, die wöchentlich abgeholt wird, lohne sich deshalb nicht. Verantwortlich dafür ist auch der hohe Anteil an Selbstkompostierern.

Jetzt soll kreisweit ein Bioabfall-Bringsystem eingeführt werden – allerdings zunächst einmal auf Probe. So will der Landkreis Biberach die Vorgabe der Europäischen Union erfüllen, nach der ab dem kommenden Jahr Bioabfall nicht mehr mit anderen Abfällen vermischt werden darf.

Wie in Biberach: Sollen Bürger, die nicht selbst kompostieren, ihren Biomüll zu Sammelstellen bringen müssen?
  • Nein 82%, 68 Stimmen
    68 Stimmen 82%
    68 Stimmen - 82% aller Stimmen
  • Ja 18%, 15 Stimmen
    15 Stimmen 18%
    15 Stimmen - 18% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 83
20. Juli 2023 - 27. Juli 2023
Die Umfrage ist beendet.

Das Bringsystem für den Biomüll war keineswegs ein Selbstläufer

Bis zum Bringsystem war es ein langer Weg, genau genommen dauerte es zehn Jahre, in denen Studien aufgelegt wurden, viel Überzeugungsarbeit zu leisten war und Bürger immer wieder befragt wurden. 2013 war im Kreis Biberach ein Grüngutsammelsystem errichtet worden. Heute gibt es 47 Sammelstellen dafür. Sie werden nun im kreisweiten Testversuch dafür genutzt, pflanzlichen Bioabfall aufzunehmen, der von den Menschen dorthin gebracht wird. Verwertet wird er in der Biovergärungsanlage eines Landwirts, die ebenfalls im Kreis beheimatet ist. Dort entsteht aus diesen Abfällen Energie.

„Die Einführung einer Biotonne, deren Inhalt abgeholt wird, wäre nur dann sinnvoll, wenn wir einen Anschlussgrad von 80 Prozent erreichen, sagen die Studien des Landes“, erläutert Abfallwirtschaftsexperte Förster. Dieser Anschlussgrad aber scheint im ländlich geprägten Kreis Biberach eher utopisch als realistisch – zu hoch ist der Anteil an Menschen, die ihre pflanzlichen Abfälle in einen eigenen Kompost geben. „Wenn sie also für eine Sammlung mit wenig Ertrag so viel Aufwand betreiben müssen, dann ist das sehr fragwürdig“, stellt Förster mit Blick auf die ökonomische, aber auch ökologische Seite fest.

Jetzt also wird es so kommen, dass diejenigen, die nicht selbst kompostieren, ihre „zusätzlichen Gartenabfälle, die in der Küche landen“, so bezeichnet Förster den Bioabfall, „zu den Sammelstellen bringen, wo auch der Grünschnitt landet“. Gemeinsam mit diesem werden die Abfälle dann in die nahe gelegene Vergärungsanlage transportiert. Der Kreis nehme dabei in Kauf, dass der Rest an „Bioabfällen“, also verarbeitete Lebensmittel wie Angebratenes oder Gekochtes, dann in der Restmülltonne landeten. Von der reinen Menge her ist das nicht mehr viel.

Die Trennung dieser Art führe dazu, dass es in der Biovergärungsanlage kaum „Störstoffe“ in der Verarbeitung gebe. Und die Mitarbeiter achteten sehr gut darauf, was die Nutzer mitbringen würden. Gesammelt würde am besten in einem biologisch abbaubaren Beutel oder in Zeitungspapier. In ökologischer Hinsicht baue man darauf, dass niemand nur wegen des geringen Bioabfalls mit dem Auto die Sammelstelle anfahre. Vielmehr solle man das zusammen mit dem Grünschnitt erledigen oder eben mit dem Fahrrad. Aufgrund der Vielzahl von Sammelstellen sei das möglich.

Müllabnahme ist für eine geringe Zahl an Bürgern interessant

Im Kleinen getestet wurde das Bringsystem schon seit einigen Monaten für drei Ortsteile. Zwar waren die Zahlen der Nutzer gering, so wurden etwa im April in Berkheim 272 Kilo an Bioabfällen angeliefert. Das entspreche einer Menge von 100 Gramm pro Einwohner und Monate bezogen auf die Gesamteinwohnerzahl.

Davon ausgehend aber, dass 65 Prozent der Einwohner zu Haushalten gehören, die selbst kompostieren, steigt der Wert immerhin auf 256 Gramm. Im Ortsteil Rißegg liegt dieser Wert mit 645 Gramm pro Einwohner und Monat noch einmal deutlich höher. Landkreisweit rechnet man mit einer Menge von 400 Tonnen reinster Biomasse.

Der beauftragte Landwirt, der als Verwerter fungiert, zeigte sich sehr zufrieden mit der Qualität der angelieferten Bioabfälle im Kleinversuch, heißt es in der Beschlussvorlage für die Kreisräte. Nur vereinzelt gebe es Fehlwürfe. Das aber sei Material, das per Definition nicht in den Bioabfall rein pflanzlicher Art gehört, beispielsweise also Kaffeesatz oder Eierschalen, und trotzdem problemlos verarbeitet werden könne.

EU verlangt für Biomüll einen hohen Reinheitsgrad

Nach der europäischen Abfallrahmenrichtlinie 2018/851 aus dem Jahr 2018 haben die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass bis zum 31. Dezember 2023 Bioabfall entweder dort, wo er entsteht, getrennt und recycelt oder grundsätzlich getrennt gesammelt und nicht mit anderen Abfallarten vermischt wird. Konkret bedeutet dies, dass organische Bioabfälle, die bisher aus verschiedenen Gründen in den Restmüll gegeben werden mussten, über ein separates System erfasst und verwertet werden. Die Regelungen wurden – wie üblich bei Vorgaben der Europäischen Union – in ein nationales Gesetz übernommen. Im Falle Deutschlands handelt es sich dabei um das Kreislaufwirtschaftsgesetz.

Quelle/Autor: Marcus Dischinger

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