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Laut Umfrage: Fünf Probleme erschweren die Arbeit von Gemeinderäten

Bunter und vielfältiger sind die Gemeinderäte Baden-Württembergs im Langzeitvergleich geworden, aber auch komplexer. Studierende der Verwaltungshochschule Kehl haben außerdem in einer Umfrage ermittelt, mit was die Kommunalpolitiker besonders hadern bei ihrem ehrenamtlichen Engagement.
Frau hält eine Rede

Die Profilierungssucht einzelner Kommunalpolitiker, ist einer von mehreren Gründen, die die Ratsarbeit erschweren.

dpa/Zoonar/Mike007)

KEHL. Zum ersten Mal seit 15 Jahren liegt eine umfassende Untersuchung über die Frage vor, wie sich Gemeinderäte in Baden-Württemberg zusammensetzen, was ihre Motivation ist und welche Schwierigkeiten sich bei der Ausübung des kommunalpolitischen Ehrenamts ergeben. Erstellt wurde die Studie, die dem Staatsanzeiger vorliegt, in zwei Teilen von Studierenden der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl und über mehrere Semester hinweg.

Im ersten Teil waren Kommunalpolitiker in den Regierungsbezirken Freiburg und Karlsruhe Gegenstand der Untersuchung, jetzt folgten die Gemeinderäte in den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen. Grundsätzliche Unterschiede zwischen der Kommunalpolitik in Baden und in Württemberg gibt es keine.

Elf Prozent der Räte sitzen auch im Kreistag

Im Langzeitvergleich zwischen der Untersuchung aus dem Jahr 2008 und heute ergibt sich ein zentraler Unterschied. Sichtbar wird, dass die kommunalen Gremien sehr viel bunter und vielfältiger geworden sind. Dominierten in den früheren Studien noch CDU, Freie Wähler und SPD mit einem Anteil an Sitzen von 91 Prozent die Gemeinderäte, sind es heute nur noch rund 47 Prozent. Aufgestiegen zu einer kommunalen Größe sind die Grünen mit einem Anteil von knapp 18 Prozent. Sie belegten in den früheren Studien nur drei Prozent der Sitze. Auch die vielen kommunalen Listen, die keiner Partei zuzuordnen sind, spielen mit 18 Prozent eine große Rolle. Sie waren früher praktisch gar nicht existent.

Im Vergleich zu früher setzen sich Gemeinderäte heute weniger Doppelbelastungen aus. War im Jahr 2008 noch rund ein Viertel der Mandatsträger zusätzlich noch Ortschaftsrat, sind es heute noch 17 Prozent. Leicht gestiegen ist aber der Anteil an Kreistagsmandaten: Elf Prozent der Gemeinderäte sind gleichzeitig auch Kreisrat. Im Jahr 2008 waren es noch acht Prozent. Hier geht es offenbar auch um eine strategische Entscheidung, als Gemeinderat auch im Kreistag Einfluss ausüben zu wollen.

Abgenommen hat die Rolle, die Parteien spielen. In der Urstudie waren noch mehr als 61 Prozent der Gemeinderäte Mitglied in einer Partei, bei der aktuellen Umfrage waren es 47 Prozent. Das könnte der Tatsache geschuldet sein, dass die Parteien aufgrund der Schwierigkeit, Kandidaten für die Wahlvorschläge zu finden, auch vermehrt bereit sind, Personen auf die Listen zu nehmen, die nicht Parteimitglied sind. Und nur noch etwas mehr als ein Fünftel der Gemeinderäte übt auf Gemeindeverbandsebene zusätzlich ein Parteiamt aus. Das gaben im Jahr 2008 noch zwei Drittel der Befragten an.

Nach wie vor sind es die Vereine und das Engagement im Ort, die dazu führen, dass Kandidaten im Ort als Persönlichkeit wahrgenommen und schließlich auch gewählt werden. Die meisten geben an, sich wegen des Allgemeinwohls im Gemeinderat einzubringen.

Der gesunde Menschenverstand hilft

Großen Einfluss auf die Entscheidungen in den Gemeinderäten haben nach Ansicht der Gemeinderäte vor allem die öffentliche Meinung (knapp 48 Prozent) sowie die lokalen Medien (rund 30 Prozent). Gesunken ist nach eigener Einschätzung allerdings der persönliche Einfluss auf Entscheidungen. Etwa mehr als 62 Prozent sagen von sich, sie hätten einen „gewissen Einfluss“ darauf. Das waren im Jahr 2008 noch knapp 70 Prozent.

Erschwert wird die Gemeinderatsarbeit im Wesentlichen durch fünf Punkte, die jeweils von mehr als 70 Prozent der Befragten angegeben werden. Es geht dabei um unzulängliche Informationen der Verwaltung zu einzelnen Themen, mit denen Gemeinderäte zurechtkommen müssen, um die generelle Zunahme von kommunalen Aufgaben, mit denen sich die Gemeinderäte beschäftigen müssen sowie um die Profilierungssucht einzelner Ratsmitglieder. Kritisiert wird außerdem die mangelnde Finanzausstattung der Kommunen, was die Handlungsspielräume etwa bei Haushaltsberatungen einschränkt und die „Gängelung durch staatliche Gesetze und Verordnungen“.

Die Befragten sind der Ansicht, dass vor allem der gesunde Menschenverstand hilfreich ist, richtige Entscheidungen zu treffen (65 Prozent). Knapp 35 Prozent finden, dass Fachkenntnisse im Bauwesen, der Verwaltung und der Finanzen dafür notwendig sind. Nachbesserungsbedarf sehen sehr viele in der unzureichenden finanziellen Entschädigung von Gemeinderäten.

Studierende befragten ein Fünftel der Räte im Land

Insgesamt wurden 20 Prozent der Kommunen in Baden-Württemberg und damit auch ein Fünftel der Gemeinderäte im Bundesland befragt. Das sind in absoluten Zahlen 212 Kommunen und knapp 4600 Gemeinderäte. Berücksichtigt wurden alle Größenklassen der Kommunen. Die Umfrage wurde online durchgeführt. Insgesamt meldeten sich 22 Prozent der Befragten zurück. In den Regierungsbezirken (RP) Karlsruhe und Freiburg waren es knapp ein Viertel, für die RP Stuttgart und Tübingen betrug die Rücklaufquote knapp 20 Prozent.
Geleitet wurde die groß angelegte Studie vom früheren Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl, Paul Witt

Quelle/Autor: Marcus Dischinger

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