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Neue Böblinger Genossenschaft soll in Serie preiswerten Wohnraum produzieren

Teilweise aus Holz und auf alle Fälle modular, so will die künftige Böblinger Sozialwohnungsbaugenossenschaft ihre Gebäude errichten.
Imago/Westend61)Böblingen. Der Herrenberger SPD-Stadtrat Bodo Philipsen ist zufrieden mit dem Beschluss seines Gemeinderates. Dieser hat Anfang Juni den Beitritt der Großen Kreisstadt zur geplanten Genossenschaft „BürgerWohnen Landkreis Böblingen eG“ beschlossen, was Philipsens Fraktion schon vor Jahren durch einen Antrag ins Rollen gebracht hatte. Herrenberg steigt ins Sozialwohnungsgeschäft ein. Ein Grundstück gibt es auch; ein altes Tankstellen-Areal soll in Erbpacht an die Genossenschaft gehen.
Herrenberg ist damit die dritte Kommune und die erste Große Kreisstadt, die sich neben dem Landkreis selbst für die Genossenschaft Bürgerwohnen, kurz BüWo, entschieden hat. Der Genossenschaft treten außerdem die beiden Städte Holzgerlingen und Rutesheim bei. Die Gemeinden Nufringen und Schönaich treiben die Mitgliedschaft voran, interessiert sind Mötzingen, Aidlingen und Grafenau.
Weitere Interessenten sind für die Genossenschaft gesucht
Damit sind mit Ausnahme Herrenbergs (34.000 Einwohner) vor allem kleinere und mittlere Kommunen mit rund 4000 bis 14.000 Einwohnern dabei. Stadtrat Philipsen hofft auf weitere Interessenten: Laut Satzung können alle 26 Kommunen des Kreises Genossen werden. Herrenberg hatte 2021 erst für eine eigene Wohnungsbaugesellschaft sondiert, kam davon aber nach einer negativen Wirtschaftlichkeitsprognose ab.
Die Einkommensobergrenzen des Wohnberechtigungsscheins erlauben Haushalten selbst mit durchschnittlichen Einkommen den Einzug in eine Sozialwohnung. So kann Philipsen, obwohl er erst mittlere Einkommensbezieher im Blick hatte, mit der BüWo gut leben, die sich ausschließlich an Sozialmieter wendet, getragen nur von Kommunen.
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Nun liegt aus Herrenberger Sicht der Ball beim parteilosen Landrat Roland Bernhard, der die Gründung der BüWo vorantreiben soll. Das Pestel-Institut attestiert dem Kreis einen Mangel von 8500 Wohnungen, insbesondere bei bezahlbaren Mietwohnungen. Aktuell hat der Kreis laut Landesbauministerium 1540 Sozialmietwohnungen. Bis 2028 sollen nun 80 weitere Wohneinheiten in fünf bis sechs Gebäuden entstehen. Der Mietpreis soll bei 9,50 Euro je Quadratmeter, die Baukosten würden unter 3000 Euro je Quadratmeter liegen.
Staatlicher Förderung, preiswerte Bauweise, billige Grundstücke
Das klappt nur dank staatlicher Förderung, preiswerter Bauweise und billiger Grundstücke. So will der Kreis Holz-Hybrid-Bauten modular erichten. Das Grundmodell ist ein Dreispänner, also drei Wohnungen je Etage, auf drei bis vier Geschossen. Grundlage dafür ist die Rahmenvereinbarung 2.0 des Bundesbauministeriums, die durch bereits fertige Konzepte die Planungszeiten reduziert.
Neben den Skaleneffekten, die beim seriellen Bauen den Preis verringern sollen, macht die Erbpacht das Wohnen preiswerter. Die Kommunen verlangen ein bis zwei Prozent des Grundstückswertes als Erbpachtzins pro Jahr. In der Region Stuttgart seien etwa 3,5 Prozent üblich, so der Kreis in einer Vorlage.
Die Genossenschaft soll weniger Gewinne abwerfen, doch mindestens angesichts der angespannten Kommunalhaushalte sich gut tragen. Diese Ausrichtung dürfte steuerlich helfen, während für die BüWo als Genossenschaft, deren kommunalen Mitglieder ein Fremdgeschäft betreiben, Steuervorteile entfallen. Der Grund für die Wahl der Genossenschaft liegt laut Ratsvorlage auch in den Stimmanteilen, die auf die Mitglieder gleichmäßig verteilt sind. Keine Kommune kann die anderen dominieren. Ein Pflichtanteil an der Genossenschaft kostet die Kommunen 20.000 Euro.
Bei ihrer Verwaltung soll die Genossenschaft schlank bleiben
Die Gründung soll im Herbst stattfinden. Für erste Planungen stellte der Kreistag 500 000 Euro bereit. Der Kreis gibt 4,2 Millionen für die Genossenschaft, KfW-Darlehen tragen neben den Grundstücken ebenfalls zur Finanzierung bei. Bei der BüWo selbst seien nur 1,5 Stellen vorgesehen, dort soll die Verwaltung möglichst schlank sein, so der Landkreis.
Ein Vorbild findet sich im Kreis Ludwigsburg
Der Kreis Ludwigsburg hat seit 2022 eine Genossenschaft speziell für Sozialwohnungen gegründet, die Bürgergenossenschaft Wohnen, die in Remseck 13 Sozialwohnungen errichtet. Fünf Projekte sollen 95 weitere Einheiten bringen. Neben Kommunen sind privatrechtliche Gesellschaften, etwa Caritas oder Mieterbund sowie natürliche Personen Genossen. Ob konventionell oder seriell gebaut wird, entscheidet das Projekt. Landrat Dietmar Allgaier (CDU) kritisiert fehlende KfW-Förderung und preistreibende Auflagen wie die Parkplatzpflicht: „Parken scheint in vielen Kommunen oder bei Gemeinderäten immer noch wichtiger zu sein als die Unterbringung von Menschen.“
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