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OB-Wahl in Ulm

OB-Wahl in Ulm: Kandidaten arbeiten bei offizieller Vorstellungsrunde deutliche Unterschiede heraus

Am ersten Advent geht es in Ulm um das Rund des Adventskranzes und um das Kreuz auf dem Wahlzettel: Die Stadt wählt einen neuen Oberbürgermeister. Die fünf Kandidaten haben sich nun vorgestellt - an einem Abend mit einem kleinen Eklat. 

Bei der offiziellen Kandidatenvorstellung der Stadt Ulm zur OB-Wahl präsentierten sich im Kornhaus Thomas Treutler (von links), Daniel Langhans, Martin Ansbacher, OB Gunter Czisch und Lena Schwelling dem Wahlvolk.

Volkmar Könneke)

Ulm. Die Ulmer haben am 3. Dezember eine Auswahl. Den amtierenden OB fordern vier ganz unterschiedliche Persönlichkeiten heraus. Das Publikum verfolgte die Kandidatenvorstellung im fast vollbesetzen 500-Plätze-Saal bis zum Schluss aufmerksam. Die Bürgerfragen gingen quer durch den kommunalpolitischen Garten – von der Taubenvergrämung bis hin zur Wohnungspolitik. Applaus für Kandidat Daniel Langhans kam von verstreut sitzenden Fans, für die übrigen Bewerber war er ausgewogen mit Lautstärkevorteilen für Amtsinhaber Gunter Czisch. 

Dieser präsentierte sich – obwohl von seiner CDU unterstützt – als unabhängiger Kandidat: ein Ruhepol in aufregenden Zeiten . Langsam und mit tiefer Stimme skizzierte er die Zukunftsthemen, die natürlich auf Basis seiner positiven Bilanz der vergangenen acht Jahre alle Chancen haben, zum Erfolg für Ulm zu werden.

Zahlen, Daten, Fakten – Amtsinhaber Czisch punktet mit Wissen

Landesgartenschau, Dekarbonisierung, Wohnungsbau mit jeweils 800 Neubaueinheiten in diesem und dem kommenden Jahr oder der Ausgleich zwischen den Verkehrsteilnehmern, ebenso stabile Finanzen, gute Wirtschaft sowie sein unideologisches Politikverständnis – alles Punkte, mit denen sich der 60-jährige Christdemokrat dem Wahlvolk bis 2032 empfahl. Zahlen, Daten, Fakten – alles präsent, hier die 15 000 Bäume, die jährlich im Ulmer Forst gesetzt werden, da die 60 000 Pendler, für die eine Regio-S-Bahn nötig sei.

Ganz anders präsentierte sich Lena Schwelling . Mit Storytelling versuchte die 31-jährige Grünen-Kandidatin der Wählerneigung zu trotzen, in schwierigen Zeiten Altbekanntes zu wählen. Das habe man in Ulm auch nicht gemacht, als die Bürgerschaft im Mittelalter sich einen Kirchenbau hingestellt hat, in dem die damalige Wohnbevölkerung mehrfach reinpasste. Das Münster wäre heute als größenwahnsinniges Projekt abgestempelt, zeige aber den Mut zu Visionen und die Bodenständigkeit der Ulmer, diese zu verwirklichen.

Herausforderin Schwelling verlangt bessere Umsetzung von Beschlüssen

Ihre persönlichen Lebensverhältnisse ließ die grüne Landesvorsitzende im Dunkeln, einen Lichtstrahl richtete sie auf die Themen, für welche die Stimmenkönigin der jüngsten Gemeinderatswahl mehr Umsetzung anmahnte. War es Aufregung oder Verve? Immer höher wurde ihre Tonlage, immer schneller ihre Sprache. Sie forderte Fahrradstraßen statt Gutachten und Straßenbahnen statt Fahrbahnen auf Donaubrücken. Verkehrswende und CO2-neutrales Ulm sind ihre Kernthemen , das wurde auch angesichts Schwellings besonderen Engagements bei den entsprechenden Bürgerfragen deutlich.

Das Soziale stand bei Martin Ansbacher im Vordergrund – wobei der Vordergrund bei seiner detailreichen Ansprache, die kaum in die zehn Minuten Redezeit passte, nicht so leicht auszumachen war. Die Botschaft des Sozialdemokraten: Da kennt sich einer auf OB-Niveau aus, als Rechtsanwalt, als Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion und als einer, der wie Czisch die Stadtteile einbezieht.

Kandidat Ansbacher setzt Akzente beim Thema Wohnen

Unterschiede zwischen den beiden gab es beim Thema Wohnen, wo der 47-Jährige eine OB-Stabsstelle Wohnen einrichten will. Der Genosse setzte sich mit Forderungen nach einem Jugendgemeinderat und einem Bürgerhaushalt vom CDU-OB ab , ebenso mit dem ticketfreien ÖPNV-Samstag oder mit dem Umgang mit Migranten („Arme nicht gegen Ärmste ausspielen“) und mit der Kritik am Fahrradwegenetz – ein beliebtes Thema des Abends.

Ein gutes Beispiel für die unterschiedliche Sichtweise der Drei bot die Frage der gebührenfreien Kita . Ansbacher forderte kostenfreie Bildung – was bei den Kitagebühren aber nur mit Unterstützung des Landes möglich sei. Czisch sah in der Kita einen Wert an sich, für den er eine Bezahlung als angemessen erachtete. Schwelling dagegen verteidigte die sozial gestaffelten Gebühren Ulms.

Treutler empfiehlt sich als unabhängiger Kandidat

Als Alternative zu den parteigebundenen Kandidaten stellte sich der Comic-Händler und ehemalige Personalverantwortliche Thomas Treutler vor. In seiner frei gehaltenen Rede machte er sich als Kandidat der Mitte bekannt, als „Einer von Euch“, wie er im Abschlussstatement sagte. Geschickt griff er einen Applaus ab, den er für Kitamitarbeiterinnen einforderte. Baustellenmanagement, Verkehr mit Fokus auf die Kernstadt sowie Einzelhandel standen bei ihm im Vordergrund.

Und dann gab es noch einen Eklat um Daniel Langhans . Jugendliche protestierten mit einem Transparent, das sie versehentlich seitenverkehrt hielten, gegen den Redner auf Querdenker-Demos. Während der Erste Bürgermeister Martin Bendel und Sicherheitskräfte die Gruppe rausdrängten, gab sich Langhans verständnisvoll. Dünnhäutiger wurde er, als das Publikum mit Unmut auf seine Äußerungen reagierte („Was gibt es da zu lachen?“). Pläne stünden hinter der Reduzierung des Individualverkehrs, der Ukrainekrieg sei interessengeleitet, auch von der in Ulm ansässigen Rüstungsindustrie. Langhans war für den wohl längsten Applaus des Abends verantwortlich als Sitzungsleiter Bendel ihn ermahnte, nicht über einen Liedtext zu sprechen, sondern über Ulm.

Sicherheitsmitarbeiter und Ulms Erster Bürgermeister Martin Bendel drängen Protestierende gegen den Kandidaten Daniel Langhans aus des Kornhaussaal.

Peter Schwab

Peter Schwab kümmert sich um verschiedene Journale der Zeitung und arbeitet außerdem im Crossmediateam und im Ressort Kreis und Kommune. Schon während seines Jura-Studiums hat er für verschiedene Zeitungen geschrieben, später volontiert und als Lokalredakteur gearbeitet. Nach seiner Zeit als Pressesprecher hat er erneut die Seiten gewechselt und ist 2022 zum Staatsanzeiger gegangen – und damit zum guten alten Journalismus zurückgekehrt.

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