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Interview 

Schorndorfs OB Bernd Hornikel: „Verwaltung muss nicht langweilig sein“

Der Schorndorfer OB Bernd Hornikel hat mit einem selbstironischen Tiktok-Video bundesweit für Aufsehen gesorgt. Sein Digitalteam hat den Staatsanzeiger Award gewonnen. Dahinter steckt mehr als ein Image, der OB hat seine Stadtverwaltung digitalisiert und die Prozesse verbessert. Das positive Image durch die Tiktok-Videos hilft ihm sogar bei der Personalsuche.

Der Schorndorfer OB Bernd Hornikel gibt sich selbtironisch und transportiert in TikTok-Videos mit Humor ein modernes Bild von Verwaltung.

Achim Zweygarth)

Staatsanzeiger: Herr Hornikel, Ihr selbstironisches Tiktok-Video hat alle Rekorde geschlagen, wie waren die Reaktionen? Gab es auch Kritik?

Bernd Hornikel: Natürlich hat das nicht jedem gefallen. Die erste Reaktion auf unser Video, nachdem es auf TikTok hochgeladen wurde, kam von der AfD: Steuergeldverschwendung, der OB überhöhe sich. Das ging allerdings ziemlich nach hinten los. Die Presse hat das Thema sachlich und positiv aufgegriffen.

Das Video war ja auch das Gegenteil von Überhöhung, eher Selbstironie: wie der OB wirklich ist.

Ich denke, wir haben in dem Video die Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit des Amts gut getroffen. Insgesamt waren die Reaktionen sensationell positiv. Wir hatten Zehntausende Aufrufe und Reaktionen auf Instagram, Facebook, TikTok – und auf LinkedIn, da bin ich heute noch überrascht: fast 800.000 Impressions.

Ist das nicht auch ein Gewinn für die Stadt? Manchmal hilft so etwas ja bei der Personalgewinnung?

Absolut. Wir haben bei zwei Besetzungsverfahren für Amts- und Fachbereichsleitungen gefragt: „Warum Schondorf?“ Da nannten beide Neuzugänge unser positives Image in Social Media – die moderne Außenwirkung, etwa in den „Chief-to-Go“-Videos, die Selbstironie. Mein Video wurde explizit erwähnt. Sie fanden es sehr positiv, dass sich der oberste Dienstherr auch selbst auf die Schippe nimmt.

Ihr Digitalteam hat ja auch den Staatsanzeiger Award gewonnen. Digitalisierung liegt Ihnen ja am Herzen. Wie digital ist die Stadtverwaltung?

Ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg. Der Preis wurde im Bereich KI vergeben – da waren wir lange fast allein unterwegs und sind noch immer führend. Wir nutzen KI ganz selbstverständlich in der Verwaltung, sehen die Chancen, ohne die Risiken zu ignorieren. Mein Erster Bürgermeister Thorsten Englert, Philipp Stolz, der Leiter der Stabsstelle Digitalisierung, und ich – wir waren uns sofort einig: Wir gehen diesen Weg. KI kann helfen bei Fachkräftemangel und angespannten Finanzen. Sie unterstützt bei Prozessoptimierung, bei Effizienzsteigerung.

Können Sie dazu Beispiele nennen?

Wir bearbeiten derzeit unsere Prozesslandkarte. Die Stabsstelle Digitalisierung geht in die Ämter und analysiert die Kernprozesse – nicht einfach Papierakten digitalisieren, sondern echte Prozessoptimierung.

Mit welchen Ergebnissen?

Nehmen Sie den Bürgerservice. Dort sind zum Beispiel die Prozesse zur Wohnsitzanmeldung oder Meldebescheinigung komplett digitalisiert. Auch Terminvereinbarungen funktionieren reibungslos – ein Lerneffekt aus der Corona-Zeit. Das verbessert unser Zeitmanagement. Man kann jederzeit einen Termin buchen, ohne in der Warteschleife zu hängen. Das ist nicht spektakulär, aber wichtig. In Schondorf gibt es keine endlosen Warteschlangen vor dem Bürgerservice. Die Verwaltung ist schlank – besser gesagt: mager. Auch wenn mein Gemeinderat das nicht immer so sieht (lacht) . Für eine große Kreisstadt haben wir wenig Personal. Nur zwei Dezernenten – das ist ungewöhnlich. Deshalb müssen mein Bürgermeisterkollege und ich besonders effizient arbeiten.

Haben Sie festgestellt, dass manche Vorgänge zu kompliziert waren?

Ja, und dann verschlankt man. Unnötige Schleifen, Abstimmungen, Doppelungen – das alles wird eliminiert. Auch Systembrüche – etwa von Excel über Outlook zu Notes – versuchen wir zu vermeiden. Das ist ineffizient.

Letztlich geht es gar nicht anders – wegen Personalnot und knapper Finanzen.

Richtig. Wir sprechen nicht nur von Fachkräftemangel, sondern schlicht von Arbeitskräftemangel. Im Raum Stuttgart buhlen viele um die Hochschulabsolventen: die Landeshauptstadt, Kliniken, andere große Kreisstädte. Als Arbeitgeber musst du dich da anstrengen. Wir besetzen alle Stellen, auch wenn es manchmal eine zweite Runde braucht.

Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter, die Veränderung mitzugehen?

Das ist immer eine Herausforderung. Die Haltung „Das war schon immer so“ gibt es auch bei uns. Aber durch Überzeugung zeigt man: Wenn du mitgehst, wird vieles besser – Prozesse, Effizienz, vielleicht sogar mehr Freizeit. Weniger Überstunden, weniger Belastung. Wir haben ein junges Team, auch bei den Führungskräften. Der Mix aus erfahrenen Kräften und vielen Jüngeren funktioniert gut. Sie wollen sich entwickeln, nicht stehen bleiben. Das ist eine Generationenfrage.

Helfen da die Tiktok-Videos?

Verwaltung muss nicht grau und langweilig sein – das zeigen wir mit solchen Videos. Es geht um sinnvolle Aufgaben. Viele motivieren sich über die Sinnhaftigkeit der Arbeit. Auch Quereinsteiger – oft über 50 – wollen in ihrer letzten Berufsstation etwas fürs Gemeinwohl tun. Dafür steht die Stadtverwaltung.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Generation Z? Es gibt so manche Vorurteile was die Arbeitseinstellung angeht…

Manche Vorurteile basieren auf Erfahrungen. Aber wie immer gilt: nicht pauschalisieren. Es gibt auch in der Gen Z viele engagierte, verantwortungsvolle junge Menschen. Auch Work-Life-Balance ist ein legitimes Ziel, da müssen wir uns umstellen. Es ist ein Generationenthema – nicht besser oder schlechter, nur anders.

Hier der Bericht über den Staatsanzeiger Award .

Zur Person

Bernd Hornikel , geboren am 23. April 1969 in Sindelfingen, ist seit März 2022 Oberbürgermeister von Schorndorf. Der parteilose Jurist studierte Rechtswissenschaften in Tübingen und arbeitete ab 1997 als Rechtsanwalt, ab 2005 als Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. 2009 wechselte er in den öffentlichen Dienst Baden-Württembergs, wurde Leiter des Rechtsreferats bei Vermögen und Bau im Amt in Stuttgart und im Finanzministerium tätig. 2021 gewann er die OB-Wahl knapp gegen Markus Reiners. Hornikel ist verheiratet, hat zwei Söhne und engagiert sich als Schlagzeuger in einer Band.

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