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Wie sich die Bahn den Bahnhof der Zukunft vorstellt

Die Bahn will ihre Stationen als Drehscheibe nicht nur für Züge denken.
Daniel Kalker)Leutkirch. Dreck und Müll, Gestank, kein Kiosk, nur ein Fahrkartenautomat, wenig Licht in gruseligen Unterführungen: Wer mit dem Zug fährt, landet auch mal auf Bahnhöfen, die man lieber schnell wieder verlässt. Aber es gibt auch die anderen, die schönen Bahnhöfe, die alles haben, was Reisende erwarten.
An vielen Bahnhöfen ist Luft nach oben. Sie können „ihrem Anspruch oftmals noch nicht gerecht werden“, stellt Ralf Thieme, Vorstand Personenbahnhöfe bei der DB-Tochter InfraGo AG selbstkritisch fest. „Jahrzehntelang wurde zu wenig in die Bahnhofsinfrastruktur investiert, sodass deren Zustand in Kapazität und Qualität oft unzureichend ist.“
In den nächsten Jahren will die Deutsche Bahn Hunderte Bahnhöfe aber nicht nur optisch auf Vordermann bringen. „Unser Ziel ist, pro Jahr rund 100 Stationen bundesweit vom Vorplatz bis zum Gleis für unsere Reisenden aufzuwerten und eine hohe Aufenthaltsqualität zu schaffen“, sagt Marco Betsch. Der 30-Jährige steuert das Programm Zukunftsbahnhöfe bei der DB InfraGo AG in Baden-Württemberg. Hinter dem Claim steckt ein detailliert ausgearbeitetes Konzept, wie das erreicht werden soll.
Was bei der Bahn falsch läuft – ein Essay
Grundlage dafür sind Untersuchungen, die über fünf Jahre zurückliegen. In den Jahren 2019 und 2020 hatte die DB-Tochter InfraGo an 16 Bahnhöfen verschiedene Konzepte rund um Mobilität, Information, Gestaltung und Energieversorgung getestet, wobei eine hohe Aufenthaltsqualität immer im Fokus stand. Das Ergebnis war laut DB eine deutliche Steigerung der Kundenzufriedenheit an diesen Bahnhöfen.
Daraus abgeleitet wurde ein Zielbild, was den Zukunftsbahnhof ausmachen soll, und zwar in puncto bauliche Gestaltung, Ausstattung, Kapazität, Barrierefreiheit, Fahrgastinformation und Wegeleitung, Erreichbarkeit, Anlagen-Standards, Reiseservice, Bahnhofsumfeld, Konsumangebot, Sauberkeit und Sicherheit. Ziel ist demnach die ganzheitliche Entwicklung der Bahnhöfe inklusive Verkehrsstation, Empfangsgebäude und Bahnhofsumfeld.
Im Südwesten will die Bahn jährlich 15 Bahnhöfe aufwerten
Im vergangenen Jahr hat die Deutsche Bahn nach eigenen Angaben bundesweit die ersten 113 Bahnhöfe zu Zukunftsbahnhöfen entwickelt. Bis 2027 sollen jedes Jahr weitere 100 dazukommen. Allein im Südwesten sollen jährlich mindestens 15 Stationen pro Jahr so umgerüstet werden, damit sie das Prädikat Zukunftsbahnhof verdienen, so Bertsch. In Baden-Württemberg gibt es rund 700 Stationen, vom Zubringer- bis zum Metropolbahnhof.
Großes Augenmerk wird auf die Barrierefreiheit gelegt. Dazu gehören taktile Schilder für Sehbehinderte an doppelten Handläufen bis hin zu Leitstreifen am Boden. Aufzüge werden gereinigt oder erneuert. Und Monitore an der Bahnsteigkante zeigen aktuelle Fahrinformationen nicht nur an, sondern lesen sie auf Knopfdruck auch vor. Apropos mehr Information für die Fahrgäste: Einzeilige digitale Schriftanzeiger werden durch dreizeilige ersetzt.
Und wie sieht es mit der Aufenthaltsqualität aus? Die beginnt bei einer Grundreinigung des Bahnhofs und hört bei neuen Abfallbehältern inklusive Aschenbecher nicht auf. In Leutkirch wird die Unterführung zwischen Gleis eins und drei mit neuen Leuchten nicht nur heller, sondern auch farblich neu gestaltet.
Mehr Helligkeit, bessere Sitzbänke
Am Bahnsteig sorgen Masten mit LED-Leuchten für mehr Helligkeit. Auch der Austausch der Sitzbänke ist geplant. Die Gittermodelle haben ausgedient und werden durch Sitzplätze in Holzoptik ersetzt. „Wir wollen den Komfort für die Reisenden erhöhen, aber die Bahnhöfe auch optisch aufwerten“, erklärt Marco Betsch den Ansatz. „Deshalb kommen hier in die Wiese an den Bahnsteigen auch Frühblüher.“ In Leutkirch lasse sich das die DB InfraGo insgesamt rund 250 000 Euro kosten.

Zum Zukunftsbahnhof gehört für die DB aber auch das Umfeld. In Leutkirch ist das historische Bahnhofsgebäude im Eigentum der Stadt, die daraus einen Kulturbahnhof mit Gastronomie entwickelt hat. Den sauberen, aber etwas tristen Vorplatz schmücken zwei große Blumenkübel. Sitzgelegenheiten und ein paar Bäume sollen das Areal aufwerten. Parallel ist geplant, die große Fahrradgarage zu erweitern. Anfang Juni hat der Gemeinderat dafür bis zur 220.000 Euro aus dem Stadthaushalt freigegeben.
„Der Bahnhof ist meist die Verkehrsdrehscheibe im Ort. Wir sehen den aber nicht nur aus unserer Perspektive. Es lohnt sich, das Thema Anschlussmobilität mitzudenken“, erklärt der Projektsteuerer Betsch, vom Fahrrad bis zum Bus. Ziel ist aber auch, Bahnhofsquartiere im Ganzen aufzuwerten. Das allerdings geht nur in Zusammenarbeit mit der Kommune. Dafür hat die DB InfraGo die sogenannte Kompetenzstelle Bahnhofsvorplatz gebildet, die Städte und Gemeinden berät, was sich an diesem Verkehrsknoten noch ansiedeln oder entwickeln lässt, um für Fahrgäste und Bürger Mehrwert zu schaffen.
Kompetenzstelle hilft kommunalen Partnern bei Verbesserungen
Hierfür biete die DB den kommunalen Partnern nicht nur Beratungsleistungen an. Die Kompetenzstelle helfe bei der Akquise von Fördermittel oder bei der Prüfung von Eigentumsverhältnissen, um Flächengestattung zu ermöglichen. „Mit standardisierten Prozessen und Betreiberkonzepten begleiten wir ihre Vorplatzumsetzung und unterstützen so eine zeitnahe Neugestaltung des Entrées ihrer Kommune“, wirbt die Kompetenzstelle Bahnhofsvorplatz für sich als starken Partner bei einer geplanten Umgestaltung.