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Photovoltaik und Denkmalschutz

Wie Solaranlagen auf historische Dächer passen

Historisches Stadtbild oder Photovoltaikanlagen? Das ist mittlerweile kein Gegensatz mehr. Kommunen ändern ihre Gestaltungssatzungen, um die Energiewende zu ermöglichen. In Emmendingen wird darüber gestritten, wie fortschrittlich die Neufassung ist. Aalen fördert dagegen Balkonanlagen.

Historische Bausubstanz und PV-Anlagen - in vielen Städten Baden-Württembergs wird ein Ausgleich zwischen Denkmal- und Klimaschutz gesucht.

dpa/Jochen Tack)

Aalen. In Aalen (Ostalbkreis) gibt es seit dem 1. Januar eine Förderung von 75 Euro für Mieter oder Eigentümer, die mit einem „Balkonkraftwerk einen Beitrag zur Energiewende leisten“ wollen. Antragsberechtigte sind alle mit Wohnsitz in Aalen, bis 2027 steht ein Fördervolumen von 250 Anlagen pro Jahr bereit. Die Stadt Löffingen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) hat ihre Gestaltungssatzung Ende Juli 2023 geändert. Balkonkraftwerke wird es in der Innenstadt weiterhin nicht geben.

Neubewertung aufgrund des Klimawandels

Im Jahr 2007 hatte man in den örtlichen Bauvorschriften noch festgeschrieben, dass „zum Schutz der historischen Dachlandschaft und des Ortsbildes Solaranlagen ausgeschlossen werden“. Doch Rat und Verwaltung haben festgestellt, dass dieses Verbot „aufgrund der mit dem Klimawandel verbundenen Neubewertung der Bedeutung des Ortsbildes und aufgrund der aktuellen Energiekrise nicht mehr zeitgemäß“ sei. Nun können Solardachanlagen errichtet werden. Vorgaben, wie diese auszusehen haben, gibt es nicht.

Kommunen ändern Gestaltungssatzungen

Die Photovoltaik-Pflicht-Verordnung vom 1. Januar 2022 führt dazu, dass Kommunen für den – oft historischen Innenstadtbereich ihre Gestaltungssatzung ändern. Für Jann Binder, stellvertretender Geschäftsführer des Solar Clusters Baden-Württemberg, ist diese Gestaltungsfreiheit keineswegs kontraproduktiv. „Die Stadtbilder sind zu unterschiedlich, um pauschal Vorgaben machen zu können“, so Binder. Das erhöhe die Akzeptanz und bringe passgenaue Lösungen. Schwäbisch Gmünd im Ostalbkreis habe ein Kataster für Dächer und Dachsegmente im historischen Innenstadtbereich erstellt, um Dächer zu identifizieren, wo Photovoltaikanlagen selbst aus drei Sichtachsen nur wenig sichtbar sind. „Dort sollen und dürfen PV-Anlagen gebaut werden“, so Binder.

Emmendingen hat eine restriktivere Regelung

In Emmendingen hat der Gemeinderat Ende November die Gestaltungssatzung restriktiver geändert. Anlagen zur solaren Energiegewinnung sind auf Dachflächen grundsätzlich zulässig. Doch es werden genaue Vorgaben zur Ausgestaltung gemacht, damit „das Dach in seiner Kontur noch ablesbar bleibt“. Die Grünen-Stadtratsfraktion hat einen Änderungsantrag eingebracht. Photovoltaik- und thermische Solaranlagen sollen demnach „auf nicht denkmalgeschützten Gebäuden erlaubt und genehmigungsfrei in Bezug auf die Gestaltungssatzung“ sein. Sie „greifen nicht in die Bausubstanz ein und verändern kein Gebäude dauerhaft“. Die starren Vorgaben stünden der Verwendung marktgängiger Module entgegen. „Angesichts der unvermindert fortschreitenden Klima- und Energiekrise können wir es uns nicht erlauben, auf nur eine Kilowattstunde sauberen Stromes zu verzichten“, so Grünen-Fraktionssprecher Christian Schuldt.

Abwägung als Daueraufgabe

An der Abwägung von Klimaschutz- und Gestaltungs- oder Denkmalschutzaspekten arbeiten zurzeit viele Kommunen, die selbst am besten wüssten, wie mit der Kann-Möglichkeit des Paragrafen 74 Absatz 1 Landesbauordnung umzugehen sei, so der Gemeindetag Baden-Württemberg. „Es ist kommunale Daueraufgabe, die Abwägung aller Belange ganzheitlich vorzunehmen. Dabei kommt der Energie- und Wärmewende große Bedeutung zu. Das bedeutet aber nicht, dass sie andere Belange automatisch überlagert‘“, sagt Sprecher Christopher Heck. Der baugestalterisch begründete Schutz bestimmter Bauten könne zu mehr Akzeptanz für den Ausbau der Photovoltaikanlagen und so zu einer Steigerung des Ausbaus führen.

Nicht jedes Gebäude ist schützenswert

Beim Städtetag ist man der Ansicht, dass der Ausgleich zwischen städtebaulicher Gestaltung oder Denkmalschutz und der Nutzung erneuerbarer Energien verantwortungsvoll und passgenau gelöst werde. Gerade bei Städten, deren Innenstädte unter Ensembleschutz stehen, gebe es Möglichkeiten, den PV-Ausbau stärker voranzutreiben, da hier vielfach auch Gebäude erfasst seien, die im Einzelnen nicht besonders schützenswert sind.

Geringere Anforderungen als Anschub für die Solarenergie

PV-Anlagen werden auch nicht für die Ewigkeit gebaut, so Binder. Eventuell könne man „im Denkmalschutz für die nächsten 20 Jahre etwas zurückstecken, um mehr PV-Anlagen zu erlauben, solange die Anlage als ruhige Fläche zusammenhängend aufgebracht ist“. Wenn dann in 20 Jahren genug erneuerbarer Strom zur Verfügung stehe, könne diese ja wieder abgebaut werden. „Die Anlage hat dann einen Beitrag zur CO 2 -Reduktion geleistet und war gleichzeitig Mahnung zum Handeln.“

Nach diesen regeln richtet sich der PV-Anlagen-Einbau

Seit 2022 ist die Photovoltaik-Pflicht-Verordnung (PVPf-VO) in Kraft. Sie regelt die Pflichten zur Installation von Photovoltaikanlagen. Städte und Gemeinden können im Rahmen der Landesbauordnung (Paragraf 74 Absatz 1 LBO) Gestaltungssatzungen erlassen. Sie bestimmen mögliche baugestalterische Absichten, den Erhalt schützenswerter Bauteile, den Schutz von Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteilen mit geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung, sowie den Schutz von Kultur- und Naturdenkmalen.

Beate Mehlin

Korrektorat und freie Mitarbeiterin beim Staatsanzeiger

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