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Arbeitszeit

Zwischen Kunstfreiheit und Absolutismus

50 Stunden Wochen-Arbeitszeit sind keine Seltenheit. Die Bühnengewerkschaften machen deshalb mit der Aktion #stoppNVFlatrate in Heidelberg, Stuttgart oder Tübingen auf ihr Anliegen aufmerksam. Das Theaterpublikum zeigt sich solidarisch.

Beschäftigte am Landestheater Tübingen fanden bei der Aktion für ein besseres Arbeitszeitmodell Publikumsunterstützung.

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Stuttgart. Folgt man der Debatte auf der Internetseite „nachtkritik“, geht es in den Tarifverhandlungen für die Bühnenbeschäftigten rund um das Thema Arbeitszeit mindestens um die Abschaffung des deutschen Theaters, die Einschränkung der Kunstfreiheit oder das Stürmen der Bastion des „absolutistischen“ Intendantenmodells. „Wir sind immer auf Abruf, müssen da sein, es ist kein Leben außerhalb der Theaterwelt planbar“, sagt Ralph Hönle, Inspizient am Landestheater Tübingen und Vorsitzender der Bühnengenossenschaft GDBA Baden-Württemberg.

Bisher sind die Arbeitszeitregelungen an Theatern sehr eingeschränkt. Über den Tarifvertrag sind Ruhezeiten und Pausen geregelt, und dass eineinhalb Tage pro Woche frei sind. „Das ist zurzeit das einzige, wie Arbeitszeit geregelt ist“, so Hönle. „In der Woche kann man 50 Stunden und mehr beschäftigt sein.“

Arbeiten auf Abruf ist für viele Beschäftigte Alltag

Dazu kommt: Teilweise gilt Arbeiten auf Abruf. „Ich weiß bis 14 Uhr am Tag vorher, wann ich arbeiten muss. Die Arbeitszeiten sind gerade für Eltern schwer planbar, alles wird dem künstlerischen Prozess untergeordnet“, sagt Hönle.

Deshalb wollen die Bühnengewerkschaften (siehe Kasten) die Arbeitszeitregelung in Tarifgesprächen verhandeln. Denn in den letzten Jahrzehnten habe „bundesweit die Schlagzahl der Produktionen immer mehr zu- und gleichzeitig die Zahl der Beschäftigten abgenommen“. Die Gewerkschaften fordern die Einführung eines neuen Arbeitszeitmodells, das sogenannte Rahmenmodell, die Anerkennung von vor- und nachbereitenden Tätigkeiten (Vertrauensarbeitszeit), verbesserte Ruhezeiten zwischen Proben und vor Vorstellungen oder auch Regelungen zu Wochen- und Tagesplänen, um die Planbarkeit für die Beschäftigten zu verbessern.

Auch vonseiten des Deutschen Bühnenvereins als Vertreter der Arbeitgeber wird die Notwendigkeit von Anpassungen des Normalvertrags (NV) Bühne anerkannt. Im Februar fand in Hamburg der Workshop „Zukunft gestalten – wie wollen wir (zusammen) arbeiten“ statt, an dem Theaterleiterinnen mit Vertretern der Rechtsträger der Theater und Orchester auch die Arbeitsbedingungen der Solokünstlerinnen diskutierten. Es folgte ein gemeinsamer Workshop des Deutschen Bühnenvereins mit den Künstlergewerkschaften zum Thema Arbeitszeit im NV Bühne, um zentrale Fragen zu diskutieren.

Laut Kunstministerium halten sich die Landesbühnen „an die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und an die Regelungen des NV Bühne“. Darüber hinaus gebe es „konkrete Vereinbarungen zu Ruhe-, Nacht- und Probenzeiten, die von den Landesbühnen zum Teil als Dienstvereinbarung in Absprache mit dem Personalrat und mit der Ensemblevertretung getroffen wurden“.

Seitens der Württembergischen Staatstheater Stuttgart heißt es, es gebe „für NV-Bühne-Beschäftigten regelmäßig keine Dienstvereinbarungen auf betrieblicher Ebene, da nach dem baden-württembergischen Landespersonalvertretungsrecht die Mitbestimmung des Personalrats bei Fragen der Arbeitszeit für künstlerische Mitglieder von Theatern und Orchestern nicht eröffnet ist. Hintergrund ist die verfassungsrechtlich geschützte Kunstfreiheit“.

Bei den Württembergischen Staatstheatern gilt der NV Bühne

Angewendet werde der tarifvertragliche Rahmen der NV Bühne. „Diese Tarifnormen dienen dem Schutz der Beschäftigten und bilden damit die Grundlage der Disposition der Arbeitszeit aller künstlerisch tätigen Kolleginnen und Kollegen“, sagt der geschäftsführende Intendant Marc-Oliver Hendriks. Dazu komme das Arbeitszeitgesetz als weiterer Eckpfeiler der Planung der Arbeitszeit im künstlerischen Bereich. „Im Rahmen der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht verfolgen wir stets das Ziel, über den tarifvertraglichen und arbeitszeitgesetzlichen Rahmen hinaus die persönlichen Belange unserer Beschäftigten und deren legitime Interessen an einer planbaren Arbeitszeitgestaltung mit den praktischen Erfordernissen der künstlerischen Arbeit an einem großen Drei-Sparten-Theater in Einklang zu bringen“, so Hendriks.

Für Gewerkschafter Hönle gilt: „Wenn Theater erwünscht ist, muss es unter guten Arbeitsbedingungen stattfinden, Arbeitszeitplanung auch im künstlerischen Prozess möglich sein.“ Es sei eine Frage, wie man Theater denke, der Struktur.

Marc-Oliver Hendriks, Geschäftsführender Intendant, 
Württembergische Staatstheater
Stuttgart.
sta

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